Was hat Sie bewogen, sich für den Vorsitz des neuen Vereins Kleiderkammer Pfaffenhofen zur Verfügung zu stellen?
Stephanie-Christiane Buck: Es gibt Freunde, die sagen, ich hätte ein ausgeprägtes Helfersyndrom. Ich habe jedenfalls schon länger geplant, mich ehrenamtlich zu engagieren. Ursprünglich wollte ich das aber in einem Kinderhospiz tun. Zur Kleiderkammer bin ich dann gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Eigentlich sollte das ein zeitlich limitiertes Projekt der örtlichen SPD sein, dessen Entwicklung ich ein wenig mitverfolgt habe. Als es dann hieß, dass daraus ein Verein werden soll, bin ich einfach mal eingestiegen, um zu schauen, wie so ein Verein funktioniert.
Sind das Ihre ersten Vereinserfahrungen oder waren Sie vorher schon beispielsweise in karitativen Organisationen aktiv?
Buck: Als Kind war ich zwar mal im Schwimmverein, aber das ist ja was anderes. Sonst hatte ich keinerlei Erfahrungen mit dem Engagement in Vereinen.
Und dann ist gleich der Ruf erschallt, den Vorsitz zu übernehmen?
Buck: So ähnlich. Ich habe dem SPD-Vorsitzenden Markus Käser angeboten, dass ich mitmachen und helfen könnte. Als ich dann samstags erstmals in den Laden kam, war gerade Not am Mann und ich bin gleich zum Einsatz gekommen. Da gab es Berge von Klamotten, viele Menschen kamen rein, da war gar keine Zeit, um lange zu überlegen. Ich war sofort mittendrin. Und weil ich aus dem Einzelhandel komme, weiß ich ja, wie das funktioniert. Der Kunde ist immer der Kunde, das läuft in jedem Geschäft gleich. Ich fand das super, rein ins Gewühl, das war total spannend.
Damit hat sich die Frage, ob die Vereinschefin nur organisatorisch tätig ist oder auch praktisch hinlangt, fast schon erledigt.
Buck: Beides. Mir macht es Spaß, zu organisieren und Strukturen zu schaffen. Aber es ist auch toll, wenn am Samstagmorgen die Leute schon mit Kleidersäcken vor der Türe auf dich warten, weil sie dann zum Markt wollen. Da wird dann vorne im Laden der Sack gleich aufgemacht und reingeguckt, auch um die Menschen ein wenig dafür zu sensibilisieren, was sie uns bringen.
Also sind bei den Kleiderspenden schon auch Sachen dabei, die die Leute einfach nur entsorgen wollen?
Buck: Wir hatten natürlich schon auch Säcke, da war die 500-mal getragene lange Doppelripp-Unterhose drin, die Du halt keinem mehr geben kannst. Aber das hat sich deutlich gebessert. Der Großteil der Sachen, die wir bekommen, ist heil und gewaschen. Die Leute legen Wert drauf, uns gute Teile zu bringen.
Gibt es denn auch Leute, die ganz besondere Sachen in der Kleiderkammer spenden?
Buck: Wir haben zum Beispiel auch schon sehr schöne Lederjacken bekommen. Und wir kriegen ganz viele Kindersachen, die von der Qualität her toll sind. Kinder bringen ihre Spielsachen vorbei und schauen sich mit großen Augen um. Wir haben auch eine Frau, die uns immer Einzelteile bringt und einfach ihren Beitrag leisten will. Letztens hat sie ihren Lieblingspullover vorbeigebracht und uns gebeten, darauf zu achten, dass der auch in gute Hände kommt. So etwas ist einfach der Wahnsinn, das freut und motiviert einen.
Wie viele Ehrenamtliche sind denn in der Kleiderkammer tätig?
Buck: Wir haben insgesamt 28 Mitglieder, 18 von uns sind in der Kleiderkammer aktiv und wir können das mittlerweile so richtig gut in dem Laden.
Darf in der Kleiderkammer jeder einkaufen oder wird die Bedürftigkeit vom Verein überprüft?
Buck: Wir haben dies in der Satzung geregelt. Prinzipiell ist uns jeder willkommen, der mit einem geringen Budget haushalten muss. Wir lassen aktuell prüfen, ob eine Bestätigung der Bedürftigkeit durch unsere Kunden notwendig ist.
Wen bedient denn die Kleiderkammer konkret mit ihrem Angebot?
Buck: Ich würde sagen, dass etwa 70 Prozent unserer Kunden Pfaffenhofener oder Landkreisbürger sind und 30 Prozent sind Leute, die hier eine neue Heimat suchen.
Viele Leute glauben, dass sich nur Asylbewerber in der Kleiderkammer günstige Sachen holen können. Das stimmt also offensichtlich nicht.
Buck: Nein. Unter unseren Kunden sind zum Beispiel viele Rentner, mit denen ich gesprochen habe und die ganz klar sagen, dass ihnen die Rente nicht reicht. Mir geht auch eine Geschichte immer noch sehr zu Herzen, als eine Mutter mit zwei Kindern zu uns kam und für zehn Euro eingekauft hat. Ihre Kinder wollten dann noch zwei Teile, ein T-Shirt und ein Stofftier, glaube ich. Doch die Mutter sagte zu den Kindern, dass das nicht geht und sie doch wüssten, dass sie nicht mehr als zehn Euro ausgeben können. Und da stehst du, hast selber ein Kind, schaust die Frau an, siehst genau, dass das die Wahrheit ist und kannst dann doch einfach nur sagen „komm, nimm’s mit...“
Die Kleiderkammer ist noch in der Auenstraße, Ihr Verein hat aber schon einen neuen Standort gefunden. Der soll aber noch nicht verraten werden?
Buck: Wir wollen den neuen Standort nur deshalb noch nicht bekannt geben, um unsere Kunden und die Kleiderspender nicht zu irritieren. Vorerst sind wir weiter in der Auenstraße, erst im Sommer wollen wir den Umzug angehen. Auch die neue Kleiderkammer wird wieder in der Innenstadt liegen und ähnlich groß wie die jetzige sein.
Wie steht es denn mit dem Angebot und dem Nachschub? Kommt genügend rein und wie groß ist die Nachfrage?
Buck: Wir haben Massen! Tonnen! Die Regale sind voll und wir können immer wieder nachräumen, weil unser Lager auch voll ist. Aber die Nachfrage ist auch groß, an einem Samstag verkaufen wir da so um die 200 Teile.
Wie lange wird es denn in Pfaffenhofen eine Kleiderkammer geben?
Buck: Solange es nötig ist.
Also auch dann noch, wenn die Flüchtlingsströme einmal abreißen sollten?
Buck: Ja, weil der Bedarf, siehe auch die wachsenden Abnahmezahlen bei den Tafeln, auch unabhängig von Flüchtlingen in unserer Gesellschaft da ist.
Braucht die Kleiderkammer Unterstützung?
Buck: Weitere Helfer sind bei uns immer willkommen. Interessenten sollten einfach einmal samstags vorbei kommen und schauen, wie das läuft und wie wir arbeiten. Auch auf unserer Website www.kleiderkammer-pfaffenhofen.de kann man sich gut informieren. Da stehen alle wichtigen Dinge, auch unsere Kontonummer und Bankverbindung. Geldspenden können wir natürlich gut brauchen, weil wir künftig Miete zahlen und auch die sonstigen Unkosten wie Heizung und Energie finanzieren müssen. Wir müssen schon noch kämpfen, denn das erste Jahr ist – wie in jedem Geschäft – das härteste.
Es gibt Kritiker, die sagen, dass solche ehrenamtlich geführten Einrichtungen wie Kleiderkammern oder Tafeln dazu beitragen, dass sich der Staat um soziale Aufgaben drücken kann, für die er eigentlich zuständig wäre. Wie sehen Sie das?
Buck: Man muss einfach seinem Drang nachgeben, zu helfen. Wenn man das machen kann, dann sollte man das auch machen. Man kann über alles motzen und immer sagen, dass das doch andere machen sollen. Aber es ändert sich nur was, wenn du selber was änderst. Ich komme aus dem Ruhrpott und da wird Zusammenhalt ganz groß geschrieben. Das ist einfach bei mir drin, das fließt durch meine Venen.
Das Interview führte
Robert Schmidl.
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