Vom Bettgeflüster zum Ehekrieg

20.05.2007 | Stand 03.12.2020, 6:44 Uhr

Ingolstadt (DK) "Je taime . . . moi non plus", intoniert die Geige sanft und drängend zugleich, das Klavier antwortet mit zurückhaltend-kecker Zartheit – und aus dem Dunkel ertönt ein schwerlich fehlzuinterpretierendes Lustgestöhn. Nur handelt es sich hier nicht um Jane Birkin, die das unverblümte Liebeslied von Serge Gainsbourg einst zum Hit machte, sondern um Petra Einhoff, die gerade mit Simon van Parys nur noch sehr leicht bekleidet hinter der Tür verschwunden ist – doch das heftige Atmen aus beiden Kehlen, die gurrenden Laute, die kleinen Schreien stacheln die Fantasie der Zuschauer an.

"Stopp", sagt Walter Kiesbauer und erhebt sich vom Klavierstuhl. Das ginge jetzt doch etwas zu weit. So sei das nicht geprobt worden. Liebe, ja. Leidenschaft, natürlich. Aber dieser Rauschzustand, dieses hormonelle Übermaß . . . Also: kurze Unterbrechung. Durchatmen.

Ganz melancholisch hatte der Abend im Altstadttheater begonnen. Mit einem Gedicht von Clemens Brentano. "Seit die Liebe weggegangen . . .", sang die junge Frau und igelte sich ein in ihren sehnsuchtsvollen Schmerz. Nicht ahnend, dass nur wenige Schritte von ihr entfernt einer saß und trank und sich genauso einsam fühlte. Doch mit ein bisschen Theaterzauberpulver war alles ganz einfach: Kaum hatten die zwei ihren Trank genossen und einander in die Augen geblickt, war’s schon um sie geschehen. Mit den beschriebenen Folgen. Klarer Fall von Überdosierung.

Aber wie jetzt weiter? Walter Kiesbauer entscheidet sich für einen Blick in die Zukunft: "Wir zeigen Ihnen mal, wie die leidenschaftliche Liaison da draußen in 20 Jahren aussieht." Spricht’s, setzt sich wieder ans Klavier und der musikalische Ehekrieg beginnt: "Du lässt dich gehn", werfen sich die beiden vor. Er im ausgeleierten Rippstrickunterhemd mit unförmiger Hornbrille, sie in Bademantel mit Lockenwicklern und Duschhaube. Er zickt, sie zickt und der Chor, der zuvor noch lächelnd beobachtend und milde kommentierend den beiden zur Seite stand, zickt auch. Männer gegen Frauen. Das kann nur böse enden. "Wannenbad und Lockenstab" – eine herrliche Nummer. Witzig, skurril, szenisch wunderbar eingerichtet, musikalisch pfiffig umgesetzt. Der Höhepunkt des Abends.

"Herzensbrecher" hat Walter Kiesbauer diesen Abend genannt, an dem er eine einfache Geschichte erzählt. Er. Sie. Die Sehnsucht. Der Zweifel. Das Treffen. Die Liebe. Die Leidenschaft. Die Angst. Die Gewöhnung. Kiesbauer erzählt sie musikalisch – von vertonten romantischen Gedichten über Rock, Rap und Blues bis zu Countrysongs -, und er hat mit Petra Einhoff und Simon van Parys nicht nur zwei wunderbar singende und sehr facettenreich agierende, schmachtende, küssende Schauspieler gefunden, sondern sich auch einen Chor ausgedacht, dessen Mitglieder die sich anbahnende Liebelei aufmerksam verfolgen, über die Krawattenwahl ein Urteil abgeben, sich auch mal einmischen oder einfach die Emotionen der beiden Handlungsträger musikalisch verstärken. Und wie! Mit Sorgfalt, Pfiff und Leidenschaft werden Kiesbauers raffinierte Arrangements umgesetzt. Und das gilt auch für die Musiker (Christoph Schultheiß, Sophia Simon, Tom und Carola Gschrey).

Ein köstlicher, komischer, schwelgerischer Abend, der nicht nur musikalisch, sondern auch dramaturgisch mit trickreichen Überraschungen aufwartet. Der mit großem Applaus, zwei Zugaben und einer Triangel endet. Und der mit Sicherheit eher Herzen heilt als bricht.

Weitere Termine: 26. und 27. Mai sowie 15. und 16. Juni. Karten gibt es im Bücherzentrum Schönhuber .