Langenmosen
Vollzeit ehrenamtlich

Trotz immer mehr Bürokratie arbeiten von den 2032 Bürgermeistern in Bayern 897 ehrenamtlich. Zu ihnen gehört Mathilde Ahle. Seit 2014 leitet sie die Geschicke der Gemeinde Langenmosen im Umland Schrobenhausens.

13.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:55 Uhr

Bei der Arbeit: Viel Zeit verbringt Bürgermeisterin Mathilde Ahle am Schreibtisch, manchmal muss sie aber auch kräftig mit anpacken. - Fotos: Belzer/Hammerl

Trotz immer mehr Bürokratie arbeiten von den 2032 Bürgermeistern in Bayern 897 ehrenamtlich. Zu ihnen gehört
Mathilde Ahle. Seit 2014 leitet sie die Geschicke der Gemeinde Langenmosen im Umland Schrobenhausens.

Langenmosen (DK) Es war der Wahlabend im März 2014, als Mathilde Ahles vierjährige Enkelin Maria ihre Großmutter mit den Worten begrüßte: "Oma, muss ich jetzt eigentlich Frau Bürgermeisterin zu dir sagen" Es war auch eben jener Abend, als das Leben der heute 59-Jährigen erneut eine Wende bekam, die sie nicht von langer Hand geplant hatte. Was allerdings gleich blieb und damit eine Konstante in ihrem Leben darstellte: Erneut war es ein Ehrenamt, das die Langenmosenerin annahm.

Mathilde Ahle ist Langenmosens erste Bürgermeisterin, und sie ist die einzige Frau in diesem Amt im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Was sie aber nicht von etlichen Kollegen in der ganzen Region unterscheidet, ist, dass sie diesen Beruf ehrenamtlich ausübt. Das bayerische Gesetz sieht vor, dass der Gemeinderat entscheiden muss, ob das Oberhaupt einer Kommune das Amt haupt- oder eben ehrenamtlich ausüben soll.

Langenmosen hat knapp 1600 Einwohner - und die Volksvertreter haben sich in der Vergangenheit mehrfach dagegen ausgesprochen, ihren Bürgermeister hauptamtlich zu beschäftigen. Mathilde Ahle sagt dazu: "Ich sage den Leuten immer, dass ich eine ehrenamtliche Bürgermeisterin bin, die hauptamtlich tätig ist." Will heißen: Arbeit hat sie mehr als genug. "Ich habe großen Respekt vor den ehrenamtlichen Gemeindechefs, die wirklich noch nebenher arbeiten", sagt Ahle. Sie selbst kann sich voll und ganz auf ihr Amt konzentrieren - wird aber freilich anders bezahlt als eine Hauptamtliche.

Die 59-Jährige hat als junge Frau in einen landwirtschaftlichen Hof eingeheiratet. "Wir hatten einen Milchviehbetrieb mit 32 Kühen. Im Vollerwerb", erzählt Ahle. 2012 haben sie und ihr Mann den Hof an eine von vier Töchtern übergeben, die die Milchwirtschaft mittlerweile aber aufgegeben hat. Von der Ortsbäuerin hat es Mathilde Ahle 2002 zur Kreisbäuerin geschafft - ein Ehrenamt. Und ein zeitaufwendiges noch dazu. "Neben dem Melken morgens und abends hatte ich 70 Ortsbäuerinnen zu betreuen, es gab Termine und Veranstaltungen auf Bezirks- und Landesebene", erzählt die 59-Jährige. 2012 erst hat sie das Amt aufgegeben. "Dieses Netzwerk kommt mir aber heute noch als Bürgermeisterin zugute."

Wo wir beim Thema Kommunalpolitik wären. Seit 20 Jahren sitzt Mathilde Ahle im Gemeinderat ihres Heimatortes. "Ich wurde schon früher gefragt, aber da waren die Kinder noch zu klein", erzählt sie. "Aber es hat einen gewissen Reiz auf mich ausgeübt, etwas Neues auszuprobieren." Deswegen hat sie sich später doch dazu entschieden, für das Gremium und die CSU zu kandidieren. "Es hält einen fit, wenn man immer etwas Neues wagt", ist sie überzeugt. Die erste Zeit allerdings war nicht ganz einfach. Ahle war die einzige Frau im Gemeinderat, fachlich waren ihr viele Themen fremd. "Da hab' ich mir schon ganz genau überlegt, wann ich etwas sage." Aber mit der Zeit kam die Erfahrung, die Routine.

Sechs Jahre später wurde Mathilde Ahle wiedergewählt - und wiederum sechs Jahre darauf gewann die CSU die Mehrheit im Rat. Bürgermeister blieb zwar weiterhin ein Mitglied der Freien Wähler, aber mit dem Ergebnis war klar, dass die Christsozialen den Stellvertreter stellen würden. "Außer mir hat sich dazu keiner bereit erklärt", erinnert sich Ahle. "Ich habe es aber auch als Ehre empfunden." In dieser Zeit hat sie deutlich mehr Einblick gewonnen - jedenfalls soviel, dass sie 2014 die Entscheidung getroffen hat, als Bürgermeisterkandidatin ins Rennen zu gehen. Nach einigen schlaflosen Nächten und vielen Gesprächen mit der Familie wagte sie den Schritt. "Ich habe mir schon die Frage gestellt, ob ich mir das antun soll", gesteht die 59-Jährige. "Aber es ist das Gestalten, das mir am Herzen liegt. Ich will meine Heimat weiterentwickeln, damit das Leben hier auch lebenswert bleibt." Knapp 57 Prozent stimmten für Ahle - ein Vertrauensbeweis.

Jetzt sitzt Mathilde Ahle jeden Tag in ihrem Büro in der Verwaltungsgemeinschaft in Schrobenhausen - neben Langenmosen sind hier noch vier weitere kleine Kommunen beheimatet und teilen sich die enorme Verwaltungsarbeit. Wöchentlich hält sie Bürgersprechstunde, nimmt an zahllosen Terminen teil, besucht Vereine, organisiert Infoveranstaltungen und gratuliert Gemeindemitgliedern zu runden Geburtstagen. Am Handy ist sie ständig erreichbar. Sonntags wird sie oft nach der Kirche angesprochen. "Man ist als Bürgermeisterin immer im Amt." Sie will einen Mehrgenerationenpark errichten, ein Nahwärme-Konzept auf den Weg bringen, nächstes Jahr wird der Kindergarten saniert, weitere Baugebiete sollen ausgewiesen werden.

Projekte und Visionen hat Mathilde Ahle ausreichend. Nebenher sitzt sie im Kreisrat und schmeißt den Haushalt. Ihr Mann ist mittlerweile in Rente. "Wenn ich nicht da bin, kann er bei meiner Tochter zu Mittag essen", sagt die 59-Jährige und schmunzelt. "Meine Familie ist es gewohnt, dass ich viel unterwegs bin. So sind die Kinder aber wenigstens selbstständig geworden."

In ihrer Freizeit singt die fünffache Großmutter im Kirchenchor, dessen stellvertretende Leiterin sie ist - ehrenamtlich.