Singenbach
Voller Tatendrang

Nationalkaderschützin Silvia Rachl will nach einer längeren Verletzungsphase im neuen Schützenjahr wieder durchstarten

02.01.2015 | Stand 02.12.2020, 21:48 Uhr

Mit Blick auf das Bundesligafinale startet Silvia Rachl in ein neues Schützenjahr. Weitere Ziele sind der Meyton Cup Ende Januar in Innsbruck und die Europameisterschaft im Kleinkaliber im Juli.

Singenbach (SZ) Neues Jahr, neue Chance. Und gute Vorsätze haben nicht nur Normalos, sondern auch Leistungssportler. Im Fall von Silvia Rachl bedeutet das neue Jahr in gewisser Weise tatsächlich einen neuen Anfang. Nach einer längeren Verletzungsphase will die Nationalkaderschützin aus Singenbach heuer wieder voll durchstarten. Erstes erklärtes Ziel: Mit ihrem Verein, dem Bund München, ins Finale der 1. Bundesliga einziehen – und gewinnen.

Zwei Wettkämpfe stehen noch bevor. Die bisherige Bilanz in der Bundesliga Süd fällt gut aus. „Wir belegen aktuell den dritten Rang“, sagt Rachl. Die ersten vier Mannschaften werden sich im Finale in Rotenburg an der Fulda Anfang Februar mit den besten vier Teams aus dem Norden messen, kämpfen im K.O.-System bis zur Deutschen Meisterschaft. Ist die Qualifikation für die Deutsche Meisterschaft in der Saison 2014/2015 für den Bund München machbar? „Ich hoffe natürlich, dass wir weiterkommen“, meint Rachl. „Sicher ist es aber erst, wenn jedes Team die Vorkämpfe abgeschlossen hat.“ Tagesform spiele da eine wichtige Rolle. Auch die der Konkurrenz. Einen Gegner zu unterschätzen, könne mitunter gefährlich werden.

Mit einer Ausbeute von vier Punkten nach dem fünften Wettkampf in Petersaurach ist der Bund München auf dem richtigen Weg, findet die Kaderschützin. „Mit dem Ergebnis bin ich total glücklich!“ Und das, obwohl sie selbst gar nicht mitmischen konnte. Der Grund: ein technischer Defekt an ihrem Arbeitsgerät, dem Luftgewehr. „Ich habe alles versucht, um meine Waffe wieder funktionstüchtig zu machen.“ Ohne Erfolg. „Darum war ich am Freitag vor der Abfahrt ziemlich genervt“, gibt Rachl zu. Half nichts, ein Ersatzmann nahm ihre Position ein. Das sei besser, als selbst mit einem Ersatzgewehr anzutreten, dachte sich die 28-Jährige. Und lag richtig damit, sagt sie. „Mein Team hat gewonnen, besser geht’s nicht.“

Bei den letzten beiden Wettkämpfen der Vorrunde will die Schützin wieder selbst auf die Zehn zielen. Endlich. Denn nach der Bundesligasaison des Vorjahres – der Bund München war im Viertelfinale im Kampf um den Deutschen Meistertitel ausgeschieden – war vorerst Schluss mit dem Leistungssport. „Nach der Bundesliga wollte ich eigentlich nahtlos in die Kleinkalibersaison starten“, sagt Rachl. „Aber noch vor dem ersten Wettkampf habe ich mir das Fersenbein gebrochen. Der Sport lag erstmal auf Eis.“ Ein herber Schlag für die ehrgeizige Schützin. Vier Monate Auszeit. Zwangsläufig.

Kein Weltcup. Keine Europameisterschaft. Kein Training. „Die ersten zwei Monate waren richtig schlimm“, sagt Rachl. Wie lange dauert es, bis ich wieder fit bin? Was ist, wenn ich aus der Übung komme? Was ist, wenn ich nicht mehr mithalten kann? Die junge Frau hat sich viele Gedanken gemacht. „Vor allem darüber, ob ich meinen Status im Nationalkader halten kann“, erklärt sie. Dann der Wendepunkt im Kopf, denn unterkriegen lässt sich Rachl von ihrer Situation nicht. „Ändern kann ich es nicht, darum habe ich angefangen, diese Zeit zu genießen.“ Abschalten, sich frei machen von negativen Gedanken, zur Ruhe kommen. Im Nachhinein empfindet die Schützin ihre Zwangspause als positiv. „So oder so muss man sein Schicksal in Kauf nehmen“, sagt sie. „Ich habe mich dafür entschieden, das Beste daraus zu machen.“

Eiserner Wille ist eine Eigenschaft, die Rachl seit Beginn ihrer Schützenkarriere auszeichnet. Keine Umwege. Im Jahr 2008 ist sie Mitglied des bayerischen Landeskaders, seit 2009 gehört sie zur deutschen Nationalmannschaft. Ihr Vertrag bei der Bundeswehr läuft bis Januar 2016 – Verlängerung möglich. Rachl ist dem Militär beigetreten, um mit dem Leistungssport weitermachen zu können. „Irgendwann steht man vor dieser Entscheidung. Um mit der Weltspitze mitzuhalten, musst du dich Vollzeit mit deiner Disziplin beschäftigen“, begründet sie. Auch während der vier Monate Ausfall verlässt sie die Motivation nicht. Schritt für Schritt kehrt die Sportsoldatin in den Trainingsalltag des Münchener Olympiastützpunkts zurück.

Krafttraining. Wenig Gewichte, viele Wiederholungen. Das ist wichtig, um im Wettkampf die Waffe ruhig zu halten und stabil zu stehen. Laufen und Radfahren für die Ausdauer. Training mit Luftgewehr und Kleinkaliber für die Technik. Und Papierkram. „Das gehört leider dazu“, meint Rachl und lacht. Als Sportsoldatin muss sie ihren Tagesablauf für den Arbeitgeber dokumentieren. „Auch Waffenpflege gehört zu meinem Job. Besuche beim Hersteller inklusive.“

Langsam aber sicher kehrt die alte Kraft zurück. Höchste Zeit, wieder Vollgas zu geben, beschließt die 28-Jährige. Bei der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2014 hat sie das Gewehr wieder auf Anschlag. „Leider noch nicht ohne Schmerzen. Die WM-Quali ist einen Tag zu früh losgegangen“, scherzt Rachl. Gereicht hat es nicht. „Das Glück war nicht auf meiner Seite. Trotz meines Zustandes habe ich aber ziemlich gut getroffen.“ Und eigentlich ist sie ganz froh, dass sie nicht ins spanische Granada fährt. Bei der Deutschen Meisterschaft Ende August geht es zwar schon besser. Trotzdem: „Ich hatte das Gefühl, ich pfeife aus dem letzten Loch“, erinnert sich Rachl und schmunzelt. Danach hat macht sie erst einmal Urlaub, um sich dann ausgiebig dem Aufbautraining und der Reha zu widmen. „Die Ärzte sagen, in einem halben Jahr dürfte die Sache endlich abgeschlossen sein.“

Schmerzfrei zu schießen klappt schon jetzt. „Seit Ende September mische ich wieder voll mit.“ Ihre Energie steckt sie in die laufende Bundesligasaison. Da geht noch was, denn zu ihrer alten Form habe sie noch nicht ganz zurückgefunden. „Ich bin ein sehr feinfühliger Mensch. Wenn das Feeling beim Schießen nicht passt, forsche ich nach.“ Besonders nach der längeren Abstinenz fordere diese Aufgabe im Moment ihre volle Aufmerksamkeit. Rachl ist zuversichtlich. Die Pläne für das neue Schützenjahr hat sie längst geschmiedet. Auf der Agenda stehen gleich Ende Januar der Meyton Cup in Innsbruck und der IWK in München. „Ein paar Weltcups wären schön“, sagt die Schützin. Sie will auch auf kleinere europäische Wettkämpfe und zur Europameisterschaft im Kleinkaliber im slowenischen Maribor im Juli. Und zu den Olympischen Spiele des Militärs im südkoreanischen Mungyeong im September. „Ich glaube, das war alles.“ Silvia Rachl ist voller Tatendrang.