Pfaffenhofen
Vollbad im bayrischen Lebensgefühl

In rund 50 Orten im Landkreis Pfaffenhofen werden nach zwei Corona-Jahren wieder Maibäume aufgestellt

01.05.2022 | Stand 25.10.2023, 10:20 Uhr
Endlich wieder: Punkt 15 Uhr wurde am Samstag in Wolnzach der Maibaum hochgezogen. −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen - Bayrisches Lebensgefühl in vollen Zügen haben am Wochenende tausende Landkreisbewohner genossen: An annähernd 50 Stellen im ganzen Landkreis wurden Maibäume aufgestellt.

In vielen Orten - auch in Pfaffenhofen - ragten in den vergangenen zwei Jahren die leeren Halterungen traurig aus dem Boden, weil die alten Stangen umgelegt werden mussten und Corona das Aufstellen eines Ersatzbaums verhinderte.

Die Zutaten dieses Lebensgefühls konnten exemplarisch auf dem Pfaffenhofener Hauptplatz erlebt werden. Punkt 16 Uhr intonierte die Stadtkapelle am Samstag den bayerischen Defiliermarsch, mit Bier und Brezn in der Hand warteten an die 800 Schaulustige darauf, dass um 17 Uhr der Maibaum von einem Autokran in die Senkrechte gezogen wird. Zwei Dutzend Feuerwehrler waren angerückt, um Hilfestellung zu leisten.

"Die Leute lechzen doch danach, endlich wieder rauszukommen", stellte der Zweite Bürgermeister Roland Dörfler (Grüne) mit Blick auf die vielen Menschen fest. Wohl wahr! "Es ist wie ein Wunder", strahlt Franziska Pfab, "dass man jetzt wieder zusammenkommen kann. " Die 64-Jährige sitzt mit Freunden auf einer Bank am Hauptplatz. "Der Mensch ist nicht fürs Alleinsein geschaffen! "

Der Pfaffenhofener Baum überragt mit gut 28 Metern die weiß-blaue Stange des Erzrivalen Wolnzach um zwei Meter. Dort war der Rathausplatz für die rund 300 Besucher wie für eine große Familienfeier mit Biertischen möbliert. Bürgermeister Jens Machold (CSU), in Tracht und mit einem Maßkrug in der Hand, schaut auf die Menge: "Der Kontakt untereinander ist in den vergangenen Jahren verloren gegangen. Jetzt kann man all die wieder treffen, die man lange nicht gesehen hat. " Und mit ihnen anstoßen. "Bier und Menschen", sagt Simon Westermair, "die gehören zusammen. Das ist Kultur. " Er steht mit Andreas Weber, dem Braumeister von Urban Chestnut, am Zapfhahn und freut sich, das Bier unter freiem Himmel in Krüge füllen zu können.

Geplant war, dass der Maibaum gegen 14 Uhr aufgestellt wird. Stattdessen tritt Machold ans Mikrofon. Der Autokran habe eine Panne, es dauere wohl noch eine halbe Stunde. Die wird natürlich der Feier, die bis 16 Uhr angesetzt war, großzügig zugeschlagen. Um 14.37 Uhr brandet Applaus auf: Das riesige Gefährt biegt um die Ecke. 14.58 Uhr: Der Baum hängt am Haken. Der Himmel hat's mitbekommen, denn urplötzlich hört der Nieselregen auf. Um 15 Uhr überschlagen sich die Ereignisse, ein Riesenspektakel: Die 26 Meter hohe Stange wird hochgezogen, Jubel brandet auf, die Marktkapelle, dirigiert von Eva Heinziger, bläst einen kräftigen Tusch, gleichzeitig beginnen alle Glocken der Stadtpfarrkirche zu läuten. Für einen Moment wird der verhangene Himmel zwar nicht weiß-blau, aber immerhin heller. Für die Besucher ein Vollbad im bayrischen Lebensgefühl, das sich in fünf Buchstaben zusammenfassen lässt: drei B und zwei G: Bier, Brezn, Blasmusik und gesellige Gemütlichkeit.

Und natürlich gehört das T dazu, die Tradition. "Nach alter Väter Sitte", heißt es über den Maibaum, "steh ich in des Dorfes Mitte, von Jung und Alt erstellt, damit das Dorf zusammenhält. " Diese Tradition hält die 1906 gegründete Förnbacher katholische Jugend hoch. Schon immer, sagt der Vorsitzende Jonas Raps, habe die KJ am 1. Mai, einen Baum aufgestellt, und zwar - Ehrensache - mit Irxenschmalz und einem Flaschenzug. Und zwar jedes Jahr. Warum? "Der alte sah nicht mehr schön aus", sagt Raps. Was vermutlich nur die halbe Wahrheit ist. Die ganze: Es ist eine Riesengaudi! Am Sonntagmorgen um sechs hat ein Trupp im Schindelhauser Forst eine Fichte umgelegt und den 28,5 Meter langen Stamm auf den Platz unterhalb der Kirche gefahren. Um eins stand der Stamm senkrecht, auf Helfer und Besucher warteten 600 Steak-Semmeln und reichlich Bier.

Ein gigantisches Exemplar von exakt 36,2 Metern Länge hatte der Burschenverein von Dürnzhausen schon am Samstagnachmittag aus dem Wald geholt und die Nacht über bewacht. Die Riesenstange war von Andreas Schmeller gestiftet worden, "weil er in diesem Jahr Vater geworden ist", erklärt der Vereinsvorsitzende Tobias Grünberger. Das Dorf mit seinen noch nicht einmal 300 Einwohner bewies, dass man keinen Autokran braucht, um einen Maibaum hochzuwuchten: Sechs Bulldogs mit Greifgabeln und Seilzügen zogen den Stamm hoch.

PK

Albert Herchenbach