Ingolstadt
Voll im Bilde

15.10.2010 | Stand 03.12.2020, 3:34 Uhr

Live vom Rathausplatz: Andreas Popp von der Piratenpartei (l.) debattierte am Freitag bei on3 Südwild mit Jonas Haid (r.) über Google Street View. Sandra Rieß und Andi Poll moderierten. - Foto: Herbert

Ingolstadt (DK) In der letzten Folge der Jugendsendung on3 Südwild live vom Rathausplatz ging es am Freitag um Google Street View. Der Zeitpunkt passte perfekt, denn Punkt 24 Uhr endete die Widerspruchsfrist. Die Ingolstädter Jonas Haid (Google-Kritiker) und Andreas Popp (Piratenpartei) stritten mit Leidenschaft.

Die Freunde der Fünfziger lauern schon mit ihren schimmernden Pomade-Frisuren am Bildrand, die Buddy-Holly-Brillen in Position, die Rock’n’Roll- Schuhe gewienert. Doch noch sind sie nicht dran. Die Schanzer Rockabilly-Szene geht erst nach Google auf Sendung.
 

Die Zahl der Zuschauer auf dem Rathausplatz hat sich nach einem kleinen Durchhänger bei den Südwild-Ausgaben am Mittwoch und Donnerstag sichtlich erhöht. Die Redaktion des BR-Jugendmagazins weiß, warum sie das Thema Street View auf diesen Freitag gelegt hat: Dann endet Punkt 24 Uhr die Einspruchsfrist für alle, die wollen, dass die Fotos ihres Hauses von Google unkenntlich gemacht werden. Unter diesem Vorzeichen ergibt sich die Anmoderation von Sandra Rieß und Andi Poll fast von selbst. Die Debatte vor dem Sendebus gerät zum unterhaltsamen Duell.

Es treten an: Andreas Popp, Vize-Bundesvorsitzender der Piratenpartei, ein Ingolstädter. Und Jonas Haid aus dem Probierlweg im Westviertel, dessen Familie es nach der Kreation eines Anti-Street-View-Plakats für den Gartenzaun zu beachtlicher Medienpräsenz gebracht hat. Erst kam der DK, dann die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", im Februar sendete die Abendschau des Bayerischen Rundfunks live aus dem Probierlweg, danach wanderte das Transparent ins Haus der Geschichte. Und am Freitag also durfte Jonas erneut im Fernsehen Google die Stirn bieten.

Die Autos mit den acht Kameras auf dem Dach seien eigenmächtig dahergekommen, um alles zu fotografieren, klagt der junge Mann. "Wir wussten nichts davon, keiner hat uns gefragt! Das ist einfach dreist!"

Popp hält dagegen: Die Debatte um Street View sei "eine Nebelkerze, die nur von wirklichen Gefahren im Internet ablenkt". Er argumentiert: "Nicht auszudenken, wenn die US-Regierung mal in Daten von Facebook reinschaut, denn die sind richtig privat!" Der 27-Jährige erkennt "Hysterie in der Diskussion" und beruft sich auf das "Recht, im öffentlichen Raum fotografieren zu dürfen".

Das tut ein gewisser Jens Best auch, obschon deutlich drastischer als Popp. Als das aufgezeichnete Videointerview eingespielt wird, beginnen mehrere Zuschauer zu grinsen. Oder zu grummeln. Je nach Einstellung. Sobald die Street-View-Bilder aus Deutschland online gehen – voraussichtlich im November – will Best mit 500 Netzfreunden Häuser ablichten und online stellen, die wegen des Widerspruchs ihrer Bewohner bei Google unkenntlich gemacht worden sind. Obwohl Moderator Andi Poll dem Berliner hart zusetzt ("Warum tust du etwas, das andere nicht wollen? Ist dir die Moral scheißegal"), gerät Best in volle Fahrt. "Man kann ja eine Burka übers Haus werfen." Und: "So lange ich keine Persönlichkeitsrechte verletze, darf ich im öffentlichen Raum fotografieren, was ich will!"

Schnitt. Jetzt sendet Südwild wieder live vom Rathausplatz. "Das ist nur ein PR-Gag", sagt Jonas Haid nach Bests Auftritt. Dann drängt sich seine Mutter Elfi ins Bild. Sie hat im Februar die Sendung vor ihrer Haustür urlaubsbedingt verpasst. Dafür klagt sie jetzt über Google und "den komischen Jens". Die forschen Fragen des Andreas Popp perlen an ihr ab. Nein, sie sei nicht bei Facebook und habe auch keine Payback-Karte.

Es folgt der Auftritt der Rockabilly-Freunde. In ihrer Lieblingszeit gab es noch kein Internet – und darüber sind viele der Nostalgiker sicher sehr froh.