München
Volksbegehren ohne Rückenwind

10.12.2013 | Stand 02.12.2020, 23:19 Uhr

München (DK) Die Initiative klang Erfolg versprechend: Vor einem halben Jahr starteten die Freien Wähler ein Volksbegehren für die Wahlfreiheit zwischen acht- und neunstufigem Gymnasium. Nun zeigt sich immer mehr: Keiner will mitmachen. Es fehlt an Unterschriften – und die anderen Parteien spotten.

Vor dem Plenarsaal ist Bescherung, aber der Ministerpräsident sieht nicht gerade begeistert aus. Einen Adventskranz mit acht kleinen und einer großen Kerze wollen die Freien Wähler Horst Seehofer (CSU) schenken. FW-Chef Hubert Aiwanger reicht ihm ein Feuerzeug. „Entweder Sie zünden die G 9-Kerze an, oder wir tun’s – wie bei den Studiengebühren.“ Kurzes Geplänkel. Seehofer will die Kerze aber nicht anzünden. „Erleuchtet euch selbst“, sagt er – und geht zum Plenarsaal.

Es ist wohl der Versuch, die Debatte unterhaltsamer zu machen. „Für eine kindgerechte Bildungspolitik – G 9 zulassen!“ – so haben die Freien Wähler ihre Aktuelle Stunde im Landtag genannt. Achtstufiges oder neunstufiges Gymnasium? Vor einem halben Jahr haben sie ein Volksbegehren angeleiert, um bei dem Streitthema Wahlfreiheit zu schaffen. Aber die Sache dümpelt vor sich hin. 25 000 Unterschriften brauchen die Freien Wähler, damit ein Volksbegehren zustande kommt. Bisher sind 20 000 zusammengekommen. Eine dürftige Ausbeute nach sechs Monaten. FW-Generalsekretär Michael Piazolo gibt sich optimistisch. Bis Ende Januar wolle er die Unterschriften zusammenhaben.

Eigentlich schien die Luft aus dem Thema raus. Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) hatte sich mit den Lehrern, Eltern und Schülern auf einen Kompromiss verständigt: das Flexibilisierungsjahr. Schüler können nun ihre achtjährige Gymnasialzeit um ein Jahr verlängern, in dem sie dann ihre Schwachstellen aufarbeiten können. Aber in der vergangenen Woche meldete sich auf einmal der Philologenverband zu Wort – die Vertretung der Gymnasiallehrer. Sie wollen eine Rückkehr zu G 9 und arbeiten an einem Konzept dafür. „Das ist für uns Rückenwind“, sagt Michael Piazolo.

Die Freien Wähler erhoffen sich einen ähnlichen Erfolg wie beim Volksbegehren gegen Studiengebühren. Um einem Volksentscheid aus dem Weg zu gehen, schaffte die CSU die Gebühren lieber selbst ab. Damals kämpften auch SPD und Grüne mit. Aber jetzt haben die Freien Wähler ein Problem: Sie stehen alleine da.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Thomas Gehring, wirft ihnen eine „Wischiwaschiposition“ vor. SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher spricht von undurchdachter „Schaufensterpolitik“. Auch der Philologenverband und der Bayerische Lehrerverband halten nicht viel vom Konzept der Freien Wähler. Man könne kein Konzept durchdrücken, das die Lehrer ablehnen, sagt Rinderspacher.

Bei der CSU spottet mancher schon. „Bis die die letzten Unterschriften zusammenhaben, sind die Ersten schon wieder gestorben“, sagt einer. Seehofer gibt sich standhaft. „Es wird kein G 9 geben“, sagt er. Aber er sagt auch, es müsse darum gehen, Schülern mehr Lernzeit zu geben, wenn sie diese brauchen. Für Vorschläge vom Philologenverband sei er offen. Deren Konzept werde die Staatsregierung in aller Ruhe abwarten. Übersetzt könnte das heißen: Weitere Kompromisse sind nicht ausgeschlossen – aber es darf am Ende auf keinen Fall G 9 draufstehen.

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