Ingolstadt
Visionen für Ingolstadt 2045: "Glokalisierung" und blaue Ökologie

Tristan Horx im Festsaal - Breit angelegte Diskussion über die Entwicklung zur nachhaltigen Stadt

25.04.2022 | Stand 23.09.2023, 0:53 Uhr
Utopie und Realität trafen bei der Diskussion über ein nachhaltiges Ingolstadt 2045 im Festsaal aufeinander. Bürgermeisterin Petra Kleine eröffnete den Abend. −Foto: Schalles/Stadt Ingolstadt

Ingolstadt - Wie soll, wie könnte, wie müsste Ingolstadt im Jahre 2045 aussehen?

Diese spannende Frage diskutierten am Freitag zahlreiche Bürger mit Fachleuten verschiedener Disziplinen und mit dem Zukunftsforscher Tristan Horx aus Wien. Dem Treffen im Festsaal war ein breiter Bürgerdialog zur Nachhaltigkeit vorangegangen: Online-Befragungen, BZA-Diskussionen, Werkstadttreffen und aktuell eine zweite Bürgerbeteiligung bis Ende Mai. Das vorläufige Ergebnis: Klimaschutz, Energie, Wohnen oder nachhaltige Mobilität zählen für die Ingolstädterinnen und Ingolstädter zu den wichtigsten Themen.

Es gehe um "lokale Zukunftsbilder für Ingolstadt", so Bürgermeisterin Petra Kleine bei ihrer Begrüßung im Festsaal. Die Frage laute: "Wie wollen wir leben? ", sagte sie. Kleine erinnerte daran, dass Nachhaltigkeitsdiskussionen in Ingolstadt bereits seit Ende der 90er-Jahre geführt würden und warb für eine möglichst breite Beteiligung der Bürger (www. ingolstadt-macht-mit. de).

Mit Spannung erwartet worden war das Referat von Tristan Horx, der Sohn des bekannten Zukunftsforschers Matthias Horx. Er ist Zukunftsforscher, Publizist, Dozent und gefragter Referent zu Themen wie Digitalisierung, Globalisierung, Mobilität oder Nachhaltigkeit.

Tristan Horx ist Optimist. Seiner Auffassung nach wird sich durch den Ukraine-Krieg die Energiewende beschleunigen. Beim Konsum habe die Bewegung Fridays for Future gewonnen: Qualität statt Quantität sei das Wachstumsparadigma. "Wir werden in Zukunft noch mobiler werden", sagt Horx voraus. Die Technologie sei vorhanden, es gehe nur darum, für jede Strecke das richtige Verkehrsmittel zu wählen. Interessant ist sein Ansatz beim Megatrend Globalisierung: Hier sieht er die Spitze erreicht, der Trend gehe in Richtung Re-Regionalisierung, während die globalen Strukturen weiter bestehen, ohne im Widerspruch zueinander zu stehen. Horx drückt dies mit dem Kunstwort "Glokalisierung" aus.

Blaue statt grüne Ökologie: Effektivität statt Effizienz

Auch die Zukunft Ingolstadts sieht Horx davon geprägt. Eine weitere Zukunftsthese für die Schanz war die Vereinbarkeit von Urbanität und Mobilität. Schließlich betrachtet er Ökologie und Ökonomie nicht als Widersprüche, sondern als synergetisch. Wobei Horx die überlieferte "grüne Ökologie" durch eine "blaue Ökologie" ersetzen möchte: Kein Verzicht, keine Knappheit, keine Verbote, sondern eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft und eine Befreiung von allem Überfluss und ein intelligenter Umgang mit Ressourcen: Effektivität statt Effizienz.

Eine Lesung des Stadttheaters setzte einen Einstieg in eine Gesprächsrunde unter Leitung von Prof. René Schmidpeter. Seine Kollegin Prof. Stefanie Wrobel mahnte, die Transformation Richtung Nachhaltigkeit möglichst schnell zu realisieren. "Wir haben nicht mehr viel Zeit", sagte sie. Verständnis, Wissen und Technologien seien im Grunde schon vorhanden. "Jetzt geht es darum, alle mit ins Boot zu holen", forderte sie. An der THI, wo derzeit ein bayerisches Foresight-Institut zur technikorientierten Zukunftsentwicklung eingerichtet wird, gehe der Trend immer mehr in Richtung Vernetzung. Jetzt gehe es darum, in Ingolstadt Unternehmen, Hochschulen und Bürger zusammen zu bringen.

Aaron Gabriel vom Ingolstädter Jugendparlament brachte ein Beispiel aus der Praxis. Er vertrete rund 9000 Jugendliche, von denen fast keiner einen Führerschein hat. "Wir haben einen anderen Bedarf und sind auf den ÖPNV angewiesen", erklärte er. Daher sei eine sinnvolle Kombination öffentlicher Verkehrsmittel äußerst wichtig.

Simone Linke forscht an der TU München über Stadtplanung. Die Flächenkonkurrenz verschiedener Nutzer, der Mangel an Wohnungen oder eine künftige Klimaresilienz sind einige ihrer Forschungsfelder. Sie forderte, möglichst rasch viele Bäume zu pflanzen: "Die brauchen 40, 50 Jahre, bis sie klimaaktiv sind. Grüne Städte sind gut für alle. "

Tristan Horx warb für eine künftige "echte Kreislaufwirtschaft". Um die dafür nötigen neuen Technologien zu entwickeln, brauche man jedoch noch Zeit - und die könnte gewinnen, indem man jetzt einen sozialen Konsens mit einem gewissen Verzicht kombiniert.

Audi und Ingolstadt: Der richtige Standort

"Die Gesellschaft ist auf Mobilität angewiesen", sagte Josef Schön, bei Audi mit der Unternehmensstrategie zur Nachhaltigkeit befasst. Jetzt gehe es um die Systemik. Ein Beispiel, das wohl jeder kennt, sind Verkehrsampeln. Rund 65000 gibt es davon in Deutschland. "Da ist noch viel ineffizienz drin. " Audi werde in Zukunft nicht mehr nur ein Hardware-Produzent sein, so Schön, sondern beispielsweise auch Sharing-Modelle anbieten. Ingolstadt sei für solche Entwicklungen der richtige Standort: "Nicht zu groß und nicht zu klein. Da kann man Sachen ausprobieren.

DK

Bernhard Pehl