Karlskron
Vier gegen einen

Gemeinderat Karlskron: FW, SPD, Grüne und CLK fordern mehr Informationen von Bürgermeister Stefan Kumpf

17.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:56 Uhr
Mangelnde Information werfen etliche Gemeinderäte Bürgermeister Stefan Kumpf vor. −Foto: DK-Archiv

Karlskron (DK) Zu wenig Informationen für den Gemeinderat, keine Möglichkeit für Anfragen, Beschlüsse, die nicht umgesetzt werden, eigenmächtiges Vorgehen: Die Vorwürfe etlicher Gemeinderatsmitglieder an Bürgermeister Stefan Kumpf (CSU) sind massiv.

In der jüngsten Sitzung kulminierte die Auseinandersetzung in einem Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung, der von Vertretern aller Fraktionen (Freie Wähler, SPD, CLK und Grüne) außer der CSU unterzeichnet worden war: Vier-Augen-Prinzip, Unterlagen und Beschlussvorlagen zu den Sitzungen, ein zehnjähriger Finanzplan und Korrektur der Wertgrenze für freihändige Vergaben durch den Bürgermeister. Auslöser für die Debatte im Gemeinderat gab es offenbar zwei: eine Stellenbesetzung im Bauamt und die Grundsteinlegung für die neue Sporthalle, zu der der Gemeinderat nicht eingeladen war.

Bei der besagten Personalie wollte der Gemeinderat 2015 die Einstellung eines Mitarbeiters im Bauamt auf ein Jahr befristen. Stattdessen schrieb Kumpf die Stelle unbefristet aus (mit sechs Monaten Probezeit), was in der überörtlichen Prüfung durch das Landratsamt beanstandet wurde. Kumpf räumte in der Sitzung am Montagabend ein, einen Fehler gemacht zu haben. Aber: Befristet wäre angesichts der boomenden Bauwirtschaft in der Region die Stelle wohl unbesetzt geblieben, so der Rathauschef.

Ganz anders die Reaktionen im Plenum: "Da war das Maß dann voll", sagte Christa Froschmeir (CLK) nach der Sitzung auf Nachfrage unserer Zeitung, während Kurt Bachhuber (FW) zumindest ein gewisses Verständnis aufbringt. Als Konsequenz fordern die Gemeinderäte ein Vier-Augen-Prinzip bei derartigen Einstellungen, worüber es denn auch keine Diskussionen gab: Künftig soll der Zweite Bürgermeister gegenzeichnen.

Dagegen ging es bei dem Vorwurf mangelnder Informationen in der Sitzung zur Sache. "Zumindest der Beschlusstext ist ein berechtigter Anspruch", formulierte es Werner Widuckel (SPD): "Das könnte auch Zeit sparen." "Der Rat muss sich vorbereiten, die Unterlagen müssen rechzeitig kommen", forderte Silvia Dirsch (Grüne). Auch die Zweite Bürgermeisterin Hedwig Brüderle (FW) will zumindest die Beschlussvorlagen der Verwaltung haben. "Das ist ein ständiges Thema, das haben wir schon oft gebracht", resümierte Christa Froschmeir.

"Ich habe ein gutes Verhältnis zu Kumpf", sagte Bachhuber, der die Sache nicht dramatisieren will. Immerhin sei man nachher noch zum Landgasthof Haas gegangen. Und in einer kleinen Gemeinde wie Karlskron wisse man ohnehin über vieles Bescheid. "Aber ein bisschen mehr Informationen wären durchaus förderlich", sagte Bachhuber auf Anfrage.

"Da hat sich einiges aufgestaut", berichtet Martin Wendl (Grüne) auf Nachfrage unserer Zeitung. "Wir haben zu wenig Informationen zur Tagesordnung, der Gemeinderat erfährt nichts. Das ist eine Bringschuld der Verwaltung." Zwar gebe es ein Beschlussverfolgungsprogramm, aber das müsse halt auch mit Daten gefüttert werden. Er habe zu Kumpf ein gutes Verhältnis, so Wendl. Aber immer wieder mündliche Nachfragen und Informationen, das bringe auf Dauer nichts. Der Kreisrat kritisierte auch, dass kaum Bauausschusssitzungen stattfinden.

"Wir stellen ständig Anfragen, aber es passiert nichts", klagt Froschmeir nach der Sitzung gegenüber unserer Zeitung. Daher auch die Fülle von Nachfragen im mittlerweile abgesetzten Tagesordnungspunkt "Anfragen". Außerdem erfahre der Gemeinderat manches erst über Facebook oder in Bürgerversammlungen. Als Beispiele nannte sie die Grundsteinlegung für die neue Halle, den Hotspot in Pobenhausen, Pläne für den Neubau eines Kindergartens oder die kaputte Friedhofsmauer. Andererseits würden Beschlüsse des Gemeinderats und Anregungen nicht oder erst sehr spät umgesetzt, nicht einmal kleinere Angelegenheiten. Als Beispiele nannte sie einen Hotspot für Karlskron, verschmutzte Ortsschilder oder größere Abfallbehälter für den Friedhof. Bei Kumpfs Vorgänger Friedrich Kothmayr seien die Räte besser informiert gewesen - nicht zuletzt aufgrund des 14-tägigen Rhythmus' der Sitzung (wegen der Audi-Schichtarbeiter). Jetzt wird alle drei Wochen getagt.

"Ich kann nicht sagen, der Bürgermeister trifft falsche Entscheidungen oder tut nichts", sagte Thomas Krammer (SPD) auf Anfrage: "Ich weiß es schlicht und einfach nicht." Das sei das Gegenteil von Transparenz, die man am Anfang der Legislaturperiode vereinbart habe. Zwar würden viele Beschlüsse gefasst. "Aber wie geht's weiter? Wir wissen nicht, wo wir aktuell stehen." Wie Krammer sagte, habe er schon vor drei Jahren vorgeschlagen, die Tagesordnung mit Unterlagen anzureichern.

Den Tagesordnungspunkt "Anfragen" brauche er persönlich nicht. "Aber sonst erfährt man ja gar nichts mehr." Außerdem habe sich in der Sitzung am Montag gezeigt, dass die Fraktionen von SPD, FW, CLK und Grünen über die Mehrheit im Gemeinderat verfügen.

Die vier Fraktionen hatten auch gefordert, die Grenze für Vergaben durch den Bürgermeister abzusenken, die bei 12 500 Euro liegt - üblich sind bei Gemeinden dieser Größe 15 000 bis 20 000 Euro. "Es ist nicht bewiesen, dass das nicht funktioniert hat", brachen Bernd Nentwig (CSU) und andere Gemeinderäte eine Lanze für Kumpf. "Erbsenzählerei ist ein Schmarren", sagte Hedwig Brüderle (FW). Der Kompromiss: Die Grenze bleibt, aber der Bürgermeister informiert.

"Ich habe noch nie Unterlagen für die Sitzung absichtlich nicht herausgegeben", erklärte Kumpf in der Sitzung. Früher habe es nur die Ladungen gegeben. Unterstützung erhielt er von Nentwig: "Wir haben so viele Infos wie noch nie bisher." Letztlich fand der Vorschlag der vier Fraktionen aber eine Mehrheit im Gemeinderat. Anders als in der kommunalen Mustersatzung müssen Unterlagen jetzt beigefügt werden, sofern sie nicht den nicht-öffentlichen Teil betreffen - also ein Muss.

Auf wenig Gegenliebe stieß dagegen der Vorschlag der vier Fraktionen, einen Investitionsplan für die nächsten zehn Jahre aufzustellen. Der Zeitraum erschien dann doch als zu lange. Werner Widuckel (SPD) plädierte für einen Zeitrahmen von sechs Jahren. Kumpf schlug eine Arbeitsgruppe und eine Klausur dazu vor, was Thomas Krammer (SPD) in der Sitzung zur Bemerkung veranlasste, dass man doch bitte zunächst die Themen aus den bisherigen Klausuren abarbeiten sollte.

Auch die Streichung des Punktes "Anfragen und Mitteilungen" von der Tagesordnung stieß auf wenig Gegenliebe. Daher auch ein weiterer Antrag der CLK in der Sitzung, diesen Punkt wieder auf die Ladung zu setzen - freilich vergebens. "Der Gemeinderat ist fast mundtot", so die Reaktion von Wendl darauf. In einer Demokratie, so Froschmeir, müsse es möglich sein, auch kleinere Anliegen zur Sprache zu bringen. Dies diene auch dazu, die Kollegen zu informieren. "Die geforderte konsequente Beschlussfassung und Umsetzung" wäre für die CLK-Gemeinderätin eine Möglichkeit, die Zahl der Anfragen zu verringern.

"Alte Gemeinderäte müssten eigentlich wissen, wie es früher war", so Rathauschef Kumpf dagegen gegenüber unserer Zeitung. Damals, als er noch nicht im Gemeinderat war, sei vieles nichtöffentlich besprochen worden. Das Ratsinformationssystem, das jetzt gekauft wird, sei schon länger geplant gewesen, konnte aber aus mehreren Gründen nicht umgesetzt werden.

Den offiziellen Tagesordnungspunkt "Anfragen" wird es auch künftig nicht geben. Das ist möglich, da die Tagesordnung vom Bürgermeister festgesetzt wird und nicht vom Gemeinderat. Kumpf will anders verfahren: Die Räte sollen ihre Fragen vor der Sitzung stellen. "Wenn's wichtig ist, wird es ein eigener Punkt auf der Tagesordnung. Wenn nicht, wird es von der Verwaltung erledigt." Wie er betont, sei dies mit der Rechtsaufsicht abgeklärt und werde von etlichen Gemeinden so praktiziert. Kumpf erhofft sich dadurch eine "Verbesserung der Qualität der Antworten". Bislang seien unter den "Anfragen" viele Kleinigkeiten behandelt worden, zum Teil bis zu 20 Stück. Die Gemeinderäte sollten doch einfach ins Rathaus gehen und ihre Anliegen vorbringen.

Von einer Rückkehr zu einem 14-tägigen Rhythmus hält der Rathauschef aber nichts. "Dann wäre die Verwaltung nur mit den Sitzungen beschäftigt." Sein Ziel wäre ein vierwöchiger Turnus gewesen, aber dann mit einem beschließenden Bauausschuss. Das wurde aber 2014 vom Gemeinderat abgelehnt.

Kommentar

Das ist mehr als deutlich: Vier von fünf Fraktionen fühlen sich unzureichend informiert. Sie wollen vom Bürgermeister mehr wissen, bevor sie entscheiden, und die Summe der freihändigen Vergabe durch den Rathauschef absenken. Von Vorbehalten kann man nicht mehr sprechen. Es herrscht - zumindest bei einigen Räten - ein tiefes Misstrauen, und das seit 2014. Wobei es offenbar viel mehr ein Gefühl des Nicht-Informiertseins ist, auch bei denen, die mit Kumpf können. Dagegen helfen keine Klausur und kein Coach. Da hilft nur Information der Verwaltung, und zwar aktiv - wie es in vielen Gemeinden üblich ist. Im Gegenzug sollten die Räte sich auf das Wesentliche konzentrieren, damit die Verwaltung ihre Aufgaben erledigen kann - und davon gibt es mehr als genug. Letzte Bemerkung: In zwei Jahren ist Kommunalwahl - und der Kampf hat schon begonnen.

| Bernhard Pehl