Hilpoltstein
Vier Befürworter und zwei Skeptiker

Kulturschaffende und Unternehmer aus dem Landkreis nutzen Facebook; bei Twitter sind sie nicht aktiv Landrat Eckstein lehnt beides ab

19.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:46 Uhr

Hilpoltstein (gso) Politikbeobachter nennen Donald J. Trump, der heute als US-Präsident vereidigt wird, den 140-Zeichen-Präsidenten. Der Grund: Er kommuniziert am liebsten über den Kurzmitteilungsdienst Twitter. Wir haben uns bei Prominenten aus dem Landkreis umgehört, wie sie zu den sozialen Medien stehen.

Alles begann im Jahr 2003. Der Harvard-Student Mark Zuckerberg stellte die Webseite facemash.com ins Internet, auf der man aus zwei Fotos von Studentinnen das attraktivere auswählen konnte. Da die jungen Frauen der Verbreitung der Fotos nicht zugestimmt hatten, musste Zuckerberg die Seite nach kurzer Zeit wieder aus dem Netz löschen. Die enormen Besucherzahlen hatten ihn jedoch auf eine andere Idee gebracht. Im Jahr 2004 ging Facebook online. Zunächst konnten sich nur Harvard-Studenten anmelden, dann Studenten der elitären Ivy-League-Universitäten. Kurz darauf war Facebook weltweit verfügbar.

Nach Unternehmensangaben hat Facebook zurzeit 1,79 Milliarden monatlich aktive Nutzer auf der ganzen Welt. Nicht ganz so erfolgreich ist der 2006 gegründete Kurzmitteilungsdienst Twitter, dem immer wieder nachgesagt wird, nicht profitabel zu sein. Immerhin nutzen weltweit 320 Millionen Menschen Twitter. Vor allem die Kurzmitteilungen (Tweets) eines Nutzers sorgen seit dem Beginn des US-Wahlkampfs immer wieder für Schlagzeilen. Donald J. Trump nutzt die klassischen Medien nur sporadisch, um seine Botschaften zu verbreiten. Lieber geht der Narzisst kritischen Fragen aus dem Weg und spricht seine 20,4 Millionen Follower, also Nutzer, die seinen Kanal abonniert haben, direkt an.

Zwar stehen die sozialen Medien nicht erst seit dem US-Wahlkampf wegen der Verbreitung von Hassbotschaften und Falschmeldungen in der Kritik, trotzdem stellt sich die Frage: Müssen wir uns darauf einstellen, dass Trumps Beispiel Schule macht und künftig alle Personen des öffentlichen Lebens ihre Botschaften ungefiltert in den sozialen Medien verbreiten? Wir haben eine Bestandsaufnahme bei Prominenten aus dem Landkreis Roth gemacht.

Der Rother Bürgermeister Ralph Edelhäußer (CSU, Foto oben, links) ist seit 2010 bei Facebook angemeldet, hat etwa 5000 Freunde und nutzt das soziale Netzwerk regelmäßig. "Ich bin häufig bei Facebook und weise dort auf Veranstaltungen oder auf Sachen, die wir gemacht haben, hin", erklärt er. Das soziale Netzwerk sei eine gute Plattform, um sich bekannt zu machen und zu sagen, was man als Politiker bewirkt habe. Allerdings sei er dort immer wieder mit unsachlicher Kritik konfrontiert. Da zudem nicht alle Wähler in den sozialen Medien vertreten seien, setze er auch weiterhin auf die klassische Pressearbeit. "Weder die Kommune noch ich selbst werden auf Medienarbeit verzichten", betont Edelhäußer.

Das radikale Gegenbeispiel ist Herbert Eckstein (SPD, Foto unten, links), der Landrat des Landkreises Roth. Er nutzt die sozialen Medien überhaupt nicht. "Ich will mir die Zeit nicht stehlen lassen", sagt Eckstein. Er sei so nah an der Bevölkerung dran, dass er wichtige Informationen auch so bekomme. Die vielen Hasskommentare, die im Internet verbreitet werden, schrecken ihn zusätzlich ab: "Ich brauche nicht jede abstruse Meinung", bekräftigt er.

Eckstein bezweifelt zudem, dass man den Problemen in den sozialen Medien mit Gesetzen beikomme. "Ich setze auf Selbstreinigung", berichtet er. Trotzdem sei nicht alles negativ an den neuen Medien. "Markus Söder hat es mit ihnen weit gebracht; bei ihm scheint es erfolgreich zu sein", meint er. Für ihn überwiegen aber eher die Nachteile, also der Zeitverlust, der mangelnde Datenschutz und die verbalen Entgleisungen mancher Nutzer. Eine Sache ist ihm aber wichtig: "Wir müssen an den Schulen die Voraussetzungen für einen verantwortungsvollen Umgang mit den sozialen Medien schaffen", betont Eckstein.

Monika Ammerer-Düll (Foto unten, links), Leiterin der Rother Kulturfabrik, ist den sozialen Medien gegenüber aufgeschlossen. "Über Facebook können wir die Veranstaltungen der Kulturfabrik schnell einem großen Interessentenkreis zugänglich machen und mit dem Helferteam kommunizieren", zählt sie die Vorteile auf. Andererseits würden in den sozialen Medien auch viele Gerüchte verbreitet. Zudem sei kein kritischer Diskurs mit Wutbürgern möglich. "Manchmal lasse ich mich auf Diskussionen ein, obwohl ich weiß, dass es nichts bringt", erklärt Ammerer-Düll. Man könne die Uhr jedoch nicht mehr zurückdrehen, sondern man müsse sich der Schattenseiten bewusst sein und lernen, damit umzugehen.

Nicht nur Politiker und Kulturschaffende, sondern auch Unternehmer haben Facebook, Twitter und Co. für sich entdeckt. Friedrich Hackner (Foto unten, rechts), Inhaber des Hilpoltsteiner Schuhgeschäfts "Hackner Fußkompetenz", glaubt sogar, man komme heute als Unternehmer um eine Social-Media-Präsenz nicht mehr herum. "Wir stellen unsere Produkte auch im Internet vor und die Resonanz ist sehr gut", betont er. Man erreiche so Kunden aus dem ganzen deutschsprachigen Raum. Andererseits kämen mittlerweile auch Leute von weit her in den Laden, um Schuhe anzuprobieren. "Das Einkaufsverhalten hat sich verändert", stellt Hackner fest.

Trotzdem sieht er die neuen Medien nicht durch die rosarote Brille. "Man gibt sehr viele Daten im Netz preis", erklärt er. So mache man sich angreifbar für Hackerangriffe. Die Betreiber seien in der Pflicht, etwas gegen den Datendiebstahl zu unternehmen. "Im Kern ist das Internet eine gute Sache, aber es kann sich auch drehen", sagt Hackner. In den nächsten fünf bis zehn Jahren werde sich das entscheiden. "Ich finde es auch schade, dass es kein europäisches Pendant zu Google, Facebook und Co. gibt", meint er.

Daniela von Schlenk (Foto oben, rechts), Pressesprecherin des Familienunternehmens Carl Schlenk AG, nutzt privat alle sozialen Medien. Beruflich spiele Social Media keine so große Rolle, weil das Unternehmen im Business-to-Business-Bereich tätig sei, also für andere Unternehmen produziere. Beim Rekrutieren von talentierten neuen Mitarbeitern setze man die sozialen Medien aber durchaus ein. "Man kann aber auch schlechte Erfahrungen machen, wenn man sich nicht um die sozialen Medien kümmert", betont von Schlenk.

Bei der Krisenkommunikation müsse man unbedingt frühzeitig aktiv werden. "Wir hatten mal eine Verpuffung auf dem Firmengelände", erzählt von Schlenk. Damals seien sofort wildeste Spekulationen kursiert. Nur durch frühes Informieren der Öffentlichkeit könne man das verhindern. Ihren Kindern rate sie bei Social-Media-Aktivitäten zu totaler Vorsicht. "Alles, was man mal reinstellt, kann immer wieder auftauchen", sagt sie. Deshalb sei es nicht ratsam, sein Leben zur Schau zu stellen.

Auch der Publizist Gerd Berghofer (Foto unten, rechts) ist ein Facebook-Skeptiker. Er sei zwar dort angemeldet, finde das soziale Netzwerk aber "völlig uninteressant". Ihm sei wichtig, dass er seine Privatsphäre habe. Kein Verständnis habe er dafür, "dass Leute ihr Abendessen posten". Die Qualität der Debattenkultur bei Facebook sei katastrophal. "Ich habe miterlebt, wie schnell dort falsche Informationen verbreitet wurden", sagt Berghofer. Zwar seien die neuen Medien auch positiv nutzbar, andererseits aber sehr gefährlich.

Alles in allem sind die Befragten aus der Region gegenüber den sozialen Medien also um einiges kritischer als Donald Trump.