Böhmfeld
Vielfältige Positionen

Die Künstlergruppe Art Experiment zeigt im Kotterhof ihre Ausstellung zum Thema "Strukturen"

26.08.2018 | Stand 23.09.2023, 3:54 Uhr
"Goldenes Zeitalter" und "Schlacht" stellt Helga Hiehs in Beziehung. −Foto: Hammerl

Böhmfeld (DK) Strukturen können sichtbar sein, aber auch im übertragenen Sinn wirken.

Alle möglichen Facetten finden sich in der Gemeinschaftsausstellung "Strukturen" der Ingolstädter Künstlergruppe Art Experiment im Kotterhof in Böhmfeld (Kreis Eichstätt).

Martialisch-grobe Strukturen hat Helga Hiehs für ihre in Gold und Schwarz gehaltenen Exponate zum Kriegsschauplatz Naher Osten gewählt. Die mannshohe Figur, die dem Besucher des Kotterhofs sofort ins Auge springt, ist stark reduziert, und zwar nicht nur künstlerisch. Ihr fehlt ein Arm, der Kopf scheint nur aus einem Viertel zu bestehen. Ein Kriegsopfer? Ja und nein, denn dieses Exponat heischt nicht um Mitleid, wirkt in seiner kantigen Unvollkommenheit immer noch kämpferisch. Dahinter an der Wand ragen Pfeile und Speere aus einem schwarzen Bitumen-Konglomerat, das am ehesten an verschlungene Leiber erinnert. "Schlacht" stellt die Künstlerin, die Archäologie studiert hat, dem "Goldenen Zeitalter" gegenüber - ein Traum nach jahrtausendaltem Ringen um die Vorherrschaft in der "Region des fruchtbaren Halbmonds"?

Ganz bodenständig hat Dieter Wührl aus alten Bierfassdauben, die er auf Stahl aufbrachte, "X-Rays" geschaffen, gibt den eigentlich unsichtbaren Röntgenstrahlen Struktur und wagt sich mit "Pulsar" sogar an schnell rotierende Neutronensterne - ein kurioser Titel für den Holzdeckel des ehrwürdigen alten Bierfasses, das so bieder im Material und zugleich futuristisch in der Verbindung mit Dauben und Stahl wirkt. Eine Etage höher setzt Gerhard Brandl seine Werke in mystisches Licht unter dem Motto "Ins Licht - im Spannungsfeld des Glaubens".

Hinter transluzent bedampftem Kunststoff läuft eine Videosequenz von Franz Duna, der Farbkleckse verlaufen, nein, in Brandls Skulptur "WoBoDu" hineinlaufen lässt. Die Figur selbst ist rund 25 Jahre alt und ursprünglich aus Holz entstanden. Damals noch "ohne tiefere Hintergedanken", doch heute ist der Künstler damit auf der Suche nach der "göttlichen Natur".

Schreiend bunt die andalusischen Stiere von Daniela Dangl, die sie grün-gelb vor braunem Hintergrund gebannt hat, ähnlich expressiv auch Eva Tschorschkes Werk, dessen Farb- und Formenspiel dem Betrachter Raum für eigene Assoziationen lässt. Chabé nummeriert ihre schwarzen Figuren, die in ihren fließenden Formen an Trickfilmgespenster oder Amöben erinnern, durch und inszeniert sie auf leuchtenden Acrylfarben.

Faszinierend in seiner feinironischen Aussage in schlichter Farbgebung das Werk "Die Waffen der Dichter". Michael von Benkels Vorlage, ein Kugelschreiber, montiert auf einen Korkenzieher, steht vor dem Bild auf einer durchlöcherten Rostskulptur und wirkt auf den ersten Blick wie eine todbringende Rakete vor dem Start.

Jede Menge ungewöhnlicher Strukturen aus der Natur verarbeitet Doris Sperr zu überraschenden Kompositionen. Pferdehaar verknüpft sie zu Gebilden, die einem Elektronenmikroskop entstammen könnten, formt "Verlassene Hüllen" aus Wolle, Papier und Hanf oder rollt gewachste Herbstblätter zusammen, so dass sie an getrocknete Rosenknospen erinnern. Welch harten Kontrast bietet da "Neon trifft Grau". Karin Voit kombiniert schrille Pink-, Grün- oder Gelbtöne in geschwungenen Linien mit vergleichsweise ruhigen, zumindest geradlinigen, beinahe geometrischen Tuschestrukturen. Franz Dunas Digitaldruck "Schnittmusterbogen" wirkt ungeheuer plastisch, die Linien streben in die dritte Dimension, was noch mehr für "Explosion" gilt, die die Grenzen der Zweidimensionalität zu sprengen droht.

Dance Performerin Simon Isabel Engler zeigt Bilder aus Videosequenzen von Ulrich Magnus Hammer, und Wolf Liszkowski fordert ausdrücklich dazu auf, seine Kirschholzfiguren der "Familienaufstellung" zu bewegen, was aufgrund von Magneten überraschend schwerfällt. Auch Anton Tyroller nimmt sich aktueller Themen an. Seine Kohle- und Bleistiftzeichnung "Kopftuch" enthält zahlreiche kleine Symbole verschiedener Religionen und verleiht damit seinem Wunsch Ausdruck, das Kopftuch nicht politisch zu betrachten. "Naturspuren" in Grau-Beige-Schwarz hat Gisela Hammer mit pfiffig dosierten roten Akzenten versehen. Die relativ großformatigen und großflächig gemalten Bilder wirken auf Entfernung am intensivsten und leben vom Kontrast vermeintlich toter Naturstrukturen und lebendiger neuer Triebe. Eine höchst facettenreiche Ausstellung, in der es viele Details zu entdecken und noch mehr zu assoziieren gibt.

Strukturen, Kotterhof in Böhmfeld, bis 9. September. Sa und So von 10 bis 18 Uhr. Kindermalnachmittag am 1. September von 14 bis 16 Uhr.

Andrea Hammerl