Berlin
"Vielerorts liegen Nerven blank"

Interview mit Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes

18.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:24 Uhr

Berlin (DK) Die Bauern in Deutschland haben diesmal wenig Glück bei der Getreideernte: Ihren Feldern fehlte Sonne, die Erträge fallen geringer aus. Aber auch durch Schädlingsbefall und Pilzerkrankungen haben die Bauern teils Ernteverluste hinnehmen müssen, so Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes.

Herr Rukwied, die Landwirte haben sich im Ernteendspurt sonnige, trockene Wochen gewünscht. Heute soll die Bilanz präsentiert werden. Können Sie uns schon verraten, wie die Ernte in diesem Jahr ausgefallen ist?

Joachim Rukwied: Die Getreideernte ist wegen der wechselhaften Witterung deutschlandweit leider immer noch nicht abgeschlossen. Durch die ständigen Unterbrechungen beim Mähdrusch wegen der Niederschläge ist die Stimmung jetzt auch bei den Ackerbauern alles andere als gut. Vielerorts liegen die Nerven blank, da deutlich weniger Getreide und Raps geerntet wurden als im Vorjahr. Hinzu kommen vielerorts schlechtere Qualitäten und insgesamt niedrigere Erzeugerpreise.

Im Frühjahr gab es vielerorts Unwetter, insbesondere im Südwesten. Wie hat sich das für die Landwirte dort ausgewirkt?

Rukwied: Besonders im Südwesten, aber auch im gesamten Bundesgebiet haben wir zahlreiche Starkregen mit regionalen Überschwemmungen sowie Hagel erlebt. Bundesweit sind über 200 000 Hektar betroffen. Dies ist mehr als das Dreifache sonstiger Jahre. Beispielsweise war die Vorderpfalz stark betroffen. Allein im Gemüsebau waren dort von Ende Mai bis Anfang Juni über 800 Hektar für einen längeren Zeitraum überschwemmt. Die Bauern haben einen Totalverlust vom Salat bis zum Blumenkohl.

Was waren neben der Witterung die größten Probleme?

Rukwied: Neben den geschilderten Problemen mit zu kleinen Körnern und zu geringem Ertrag wegen des sonnenarmen Sommers besteht vielerorts die Gefahr von Schädlingsbefall wie durch die Kirschessigfliege im Obst- und Weinbau. Zudem fördert die feuchtwarme Witterung Pilzinfektionen wie Gelbrost beim Getreide oder Kraut- und Knollenfäule bei Kartoffeln und Tomaten. In diesem Jahr wird uns sehr deutlich vor Augen geführt, wie wichtig der Pflanzenschutz für die Sicherung der Erntemengen und Erntequalitäten sowohl im ökologischen wie konventionellen Landbau ist. Da sind vor allem Politik und Zulassungsbehörden gefordert, eine ausreichende Palette an Wirkstoffen für Pflanzenschutzmittel zuzulassen. In den letzten Jahren ist es zu einem Zulassungsstau gekommen. Mehrere Wirkstoffe sind auch erforderlich, um durch Wirkstoffwechsel der Entstehung von Resistenzen vorbeugen zu können.

Vergangenes Jahr stimmte die Erntemenge, aber die Weltmarktpreise nicht. Haben sie wieder angezogen oder wie steht Deutschland im Vergleich dar?

Rukwied: Der Preis für Getreide liegt deutlich unter dem des Vorjahres. Durch die geringeren Erntemengen werden die Erlöse der Ackerbauerbetriebe stark sinken. Die Agrarkrise hat nicht nur die Milchbauern und Schweinehalter erfasst, sondern auch die Ackerbauern.

Das Gespräch führte

Tobias Schmidt.