Ingolstadt
"Viele sind aufs Auto angewiesen"

CSU-Fraktionschefin Patricia Klein über Verkehrspolitik, die Junge Liste und ihr Kulturverständnis

22.08.2019 | Stand 02.12.2020, 13:13 Uhr
"Der Anteil von Fahrrad und ÖPNV soll auf Dauer erhöht werden": Patricia Klein will dennoch den Pkw nicht "auf Gedeih und Verderb zurückdrängen". −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Patricia Klein, die Chefin der CSU-Rathausfraktion, kommt zum DK-Interview im grünen Blazer, was aber politisch gar nichts zu bedeuten habe, wie sie versichert.

Wichtig ist es ihr aber, dass im Hintergrund des Gesprächs die Vorboten der Landesgartenschau 2020 in Form eines großen Plakats zu erkennen sind. Denn Parks für die Freizeit und Naherholung seien ebenso notwendig wie der intensive Wohnungsbau, betont die Rechtspflegerin, die seit 2014 dem Stadtrat angehört.

Frau Klein, als Sie vor drei Jahren den Vorsitz in der CSU-Fraktion übernahmen, haben Sie an die Stadtratskollegen appelliert, nicht "auf Facebook andere in die Pfanne zu hauen". Hat dieser Appell etwas bewirkt?

Patricia Klein: Der Appell hat nicht viel geholfen. Ich kann auf Facebook nicht erkennen, dass der Ton dort besser geworden wäre, das Gefühl hab' ich nicht. Man muss fairerweise dazusagen, dass sich an den Facebook-Diskussionen etliche beteiligen, die nicht im Stadtrat, aber im Dunstkreis bestimmter Parteien und Gruppierungen unterwegs sind und da ihre Meinungen mitunter mit mangelndem Anstand vertreten. Kleine Sticheleien und Streitereien um die Sache müssen drin sein. Dass im politischen Diskurs die eine oder andere Spitze gesetzt wird, muss man aushalten können. Aber es gibt auch Stilblüten, die man auf keinen Fall unter Anstand und Respekt subsumieren könnte.

Sie sind jetzt 36 Jahre alt, also deutlich jünger als Ihre Vorgänger an der Fraktionsspitze. Trotzdem kandidiert bei dieser Kommunalwahl eine eigene Junge Liste. Das müsste Ihnen doch schwer zu denken geben. Fühlt sich diese Generation von Ihnen in der CSU-Fraktion nicht vertreten?

Klein: Unsere Fraktion hat Mitglieder, die im Vergleich zu anderen Fraktionen sehr jung sind. Die Position der Vorsitzenden mit jemand zu besetzen, die jünger ist als 40 - auch der OB-Kandidat 2014 war damals noch unter 40 -, das ist ein Indiz dafür, dass die CSU auf junge Leute setzt und sie fördert. Aber die Liste einer Volkspartei mit 50 Plätzen muss das ganze gesellschaftliche Spektrum abbilden: Ältere und Jüngere, Frauen und Männer, verschiedene Berufsgruppen, verschiedene Wohnorte. Die jungen Leute wollten halt 50 Plätze mit jungen Leuten besetzen. Ich zolle ihnen Respekt, dass sie das auch geschafft haben, das muss man sportlich sehen. Auch auf der CSU-Liste gibt's Leute, die jünger sind als 40, und zwar einige. Deshalb ist sie nicht die Liste der älteren CSUler, sondern weiterhin die Liste einer Volkspartei.

In Ihren drei Jahren als Fraktionschefin hat sich - überspitzt formuliert - die Welt verändert. An den Freitagen geht die Jugend für die Rettung des Klimas auf die Straße, der Diesel-Skandal hat Audi voll getroffen und in eine Krise gestürzt, was für die Stadt nicht ohne Folgen bleibt. Was bedeutet das alles für die größte Fraktion im Stadtrat?

Klein: Vor allem, dass wir uns mit schwierigen Fragen beschäftigen müssen und auch wollen. Ich bewundere die jungen Leute von ,Fridays for future' dafür, dass sie es geschafft haben, eine Gesellschaft so wachzurütteln, dass viele, viele mittlerweile im Alltag viel mehr auf den Klimaschutz und auf ihre Lebensweise achten. Das war davor anders. Aber unsere Aufgabe als größte Stadtratsfraktion ist es, dass wir die Fragen stellen, die die Leute bewegen. Die Bürger in Ingolstadt treibt schon die Sorge um, wie es hier in zehn Jahren aussieht: Hab' ich meinen Arbeitsplatz noch? Kann ich meinen wirtschaftlichen Status halten? Deshalb spricht der Oberbürgermeister - und auch wir - immer davon, dass Nachhaltigkeit den Dreiklang bringen muss. Die Wahrung der Ökologie auf der einen Seite darf nicht dazu führen, dass Arbeitnehmer ihre Arbeitsplätze verlieren und dass sich die Stadt neu verschulden muss. Da gibt's keinen einfachen Weg. Aber wir haben die Kompetenz und die Manpower. Wir haben in vielen Jahrzehnten gezeigt, dass wir die Stadt regieren können.

Der Verkehr in Ingolstadt spielt sich nach wie vor überwiegend im Privat-Pkw ab. Der Audi-Bahnhalt kommt jetzt mit reichlich Verspätung, die Fahrgastzahlen der INVG halten mit dem Bevölkerungswachstum in keiner Weise Schritt. Ist das eine Verkehrspolitik im Zeichen des Klimawandels?

Klein: Sie sprechen die Thematik des Modal Split an, also den Anteil, den die einzelnen Verkehrsmittel am Verkehr insgesamt haben. Da ist tatsächlich bei uns der Anteil des motorisierten Individualverkehrs sehr hoch. Wir haben aber auch die Komponenten im sogenannten Umweltverbund, die Fahrradfahrer und den ÖPNV. Unsere Topografie in Ingolstadt ist prädestiniert fürs Fahrradfahren. Durch das Aufkommen der E-Mobilität im Fahrradbereich haben wir da große Chancen, die Fahrradvorrangrouten werden stetig ausgebaut, da sind wir auch als CSU dahinter. Der Bereich ÖPNV ist in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert worden, auch da steigen die Fahrgastzahlen. Wir sind in einem Aufwärtstrend, den wir auch so weiterfahren wollen. Wir haben mit der FW zusammen Mitte dieses Jahres einen Fahrplan vorgestellt, wie man den ÖPNV optimieren kann. Der Anteil von Fahrrad und ÖPNV am Gesamtverkehr soll auf Dauer erhöht werden. Aber es gibt auch viele Menschen, die aufgrund ihrer Lebenswirklichkeit aufs Auto angewiesen sind, weil sie vielleicht Angehörige zu versorgen oder beruflich keine andere Möglichkeit haben. Man darf dem Individualverkehr nicht die rote Karte zeigen und ihn auf Gedeih und Verderb zurückdrängen. Da setze ich auf die Automobilindustrie, dass in den nächsten Jahren Wege gefunden werden, wie man auch hier klimafreundlich unterwegs sein kann.

Im Stadtrat leiden zwei große Kulturprojekte unter schweren Geburtswehen, das neue Kunstmuseum und die Kammerspiele. In Ihrer Fraktion hört Eva-Maria Atzerodt, die Kultursprecherin, im nächsten Jahr auf. OB Lösel und Bürgermeister Wittmann sind eher technisch-wirtschaftlich geprägt. Gibt es in der CSU überhaupt noch eine Lobby für die Kultur?

Klein: Was Eva-Maria Atzerodt für die Kultur leistet, ist natürlich ohne Vergleich, dafür sind wir sehr dankbar. Aber ich glaube, dass der Eindruck da immer täuscht, weil ja jeder Mensch ein gewisses kulturelles Leben pflegt. Bei uns sind viele dabei, die gehen oft ins Theater, haben Abonnements, andere besuchen die Konzerte in Ingolstadt. Wir haben viele, die sich engagieren in diesem Bereich. Für mich muss der Anspruch an die Kultur immer sein, dass sie einen möglichst großen Kreis von Menschen anspricht. Das führt letztendlich dazu, dass ich aus meinem eigenen Verständnis heraus die Dinge unterstützen möchte, die integrieren und nicht ausschließen. Die Kulturförderung ist ein wichtiger Teil der Stadtpolitik. Wir erleben überall, wo wir hingehen, Kultur. Es geht nicht nur um die, die gern ins Museum oder ins Theater gehen, sondern auch um die, die sich in der Brauchtumspflege engagieren, in Trachtenvereinen sind oder in einer Blaskapelle spielen. Das dürfen wir nicht vergessen. Kultur ist für die breite Masse da und betrifft nicht nur eine kleine Nische.

Die CSU hat als größte Partei in Ingolstadt seit Jahrzehnten die Möglichkeit, die wichtigsten Führungspositionen selbst zu besetzen. Alfred Grob dürfte auf längere Sicht Landtagsabgeordneter bleiben, Christian Lösel ist als Amtsinhaber wieder Favorit bei der OB-Wahl. Hartnäckige Spekulationen gibt es aber, dass Sie und Bürgermeister Albert Wittmann 2020 die Plätze tauschen könnten. Wie weit sind diese Überlegungen in der CSU-Führung schon gediehen?

Klein: Gar nicht. Es gibt dazu keine Gespräche. Wir machen unseren Wahlkampf, warten in aller Ruhe die Wahl ab. Personal wird dann diskutiert, wenn wir das Wahlergebnis kennen.

Würde Sie die Position einer Bürgermeisterin auch reizen?

Klein: Die Frage stellt sich für mich im Augenblick nicht. Ich bin jetzt Fraktionsvorsitzende und habe die Aufgabe, diese Fraktion gut bis zur Wahl zu führen. Danach muss der Fraktionsvorsitzende sowieso neu gewählt werden. Deshalb lohnt es sich jetzt nicht, darüber zu diskutieren.

Das Gespräch führte

Reimund Herbst.