Viele Hürden für Biobauern

21.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:37 Uhr

Ökobauer, ein Beruf mit Zukunft: Ob der kleine Franz einmal in die Fußstapfen seiner Eltern tritt? Tatendrang besitzt er, und Katze "Mimi" sucht lieber mal das Weite. - Foto: Richter

In Bayern gibt es in der Landwirtschaft immer mehr Ökobetriebe. Während der Umstellung ist aber viel zu beachten, sie dauert meist rund zwei Jahre. Christina und Stefan Grad aus Beilngries-Oberndorf befinden sich gerade mitten im Umstieg.

Beilngries/Ingolstadt (DK) In Gedanken war es bereits vor einer ganzen Weile passiert. Christina und Stefan Grad hatten vor fünf Jahren einen neuen Stall für ihren Milchviehbetrieb im Beilngrieser Ortsteil Oberndorf gebaut. "Damals haben wir schon ökokonform geplant und alles größer ausgelegt, als es eigentlich vorgeschrieben war", erinnert sich der 36-jährige Landwirt. "So haben wir eigentlich den Grundstein für einen Biobetrieb gelegt." Seit 2016 befindet das Ehepaar sich mitten in der Umstellung. Gut eineinhalb Jahre dauert es, bis der Hof das erste Mal Ökomilch liefern darf. Eine lange Zeit, die es zu nutzen gilt, denn die Vorgaben sind vielfältig, wenn es Zuschüsse dafür geben soll. Einen Großteil der Auflagen können die beiden indes als erledigt abhaken, weil sie ohnehin schon einen modernen Betrieb auf der Höhe der Zeit besitzen.

Immer mehr Bauern in Bayern gehen diesen Schritt. Agrarminister Helmut Brunner hatte kürzlich bei der Biofach-Messe in Nürnberg darauf verwiesen, dass 2016 rund 1000 Höfe im Freistaat mit über 35 000 Hektar Fläche vom konventionellen auf den ökologischen Anbau gewechselt haben. Die Zahl der Biobetriebe sei damit um 14 Prozent auf jetzt 8400 gewachsen. Bayern habe seinen Vorsprung als bundesweit größtes Bioland weiter ausgebaut: Mehr als ein Drittel aller deutschen Biobetriebe wirtschaften im Freistaat, über die Hälfte der in ganz Deutschland produzierten Ökomilch kommt aus dem Freistaat.

Christina und Stefan Grad dürfen sich bald zu den Erzeugern nach Ökostandard zählen. Eines machen sie aber klar: "Wir wollen mit dem Wechsel nicht zum Ausdruck bringen, dass konventionelle Landwirtschaft schlecht ist. Wir haben ja bisher auch so gearbeitet." Die Familie Grad ist seit etlichen Generationen im Bauernberuf tätig, mindestens seit 1850, wie es auf einem Schild am Stall heißt. Der Hausname lautet "Sixn".

Christina (32) mag aber den Gedanken des Ökologischen: "Da soll alles im geschlossenen Kreislauf bleiben." Das Futter etwa, das sie ohne Hilfe von Mineraldünger und Spritzmitteln erzeugen, kommt direkt vom Feld, gedüngt wird mit der Gülle der Milchkühe. "Wir machen das aus einer persönlichen Überzeugung heraus", sagt Stefan. Er fährt seinen Bulldog mit Rapsöl.

Aber so einfach ist die Umstellung auf "Bio" nicht. Vor allem braucht sie Zeit. "Das fängt im Kopf an", sagt Christina Grad. Sie hatte den Hof zunächst gemeinsam mit dem Schwiegervater geführt, während ihr Mann bis 2014 anderswo in Vollzeit und daheim nur im Nebenerwerb als Landwirt arbeitete. Als sich nach den Töchtern Milena und Laura, heute zehn und sechs Jahre alt, Nesthäkchen Franz (jetzt 19 Monate alt) ankündigte, wollte der 36-Jährige lieber ganz auf seinem Hof tätig sein. "Aber der Milchpreis war so schlecht. Da haben wir überlegt, ob Bio nicht das Richtige wäre." Sie entschieden sich dafür.

Wer ökologischen Landbau betreiben und Zuschüsse nach dem bayerischen Kulturlandschaftsprogramm, kurz Kulap genannt, erhalten möchte, muss strenge Regeln einhalten. Sonst gibt es kein Geld. "Die Vorgaben sind in der EG-Ökoverordnung definiert", sagt die Fachberaterin Ursula König vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Ebersberg, zuständig für die Kulap-Förderung in ganz Oberbayern. Auf einen einfachen Nenner gebracht funktioniert der Umstieg hin zum Ökobetrieb so: Der Bauer unterschreibt einen Vertrag bei einer der 15 Ökokontrollstellen in Bayern. "Die meisten schließen sich noch einem Verband wie Bioland, Demeter oder Naturland an, über den sie vermarkten", erklärt Ursula König. "Die Verbände setzen auf die Regeln der Ökoverordnung auf und geben manchmal sogar noch viel strengere Auflagen vor."

Der Umstieg dauert im Schnitt mindestens zwei Jahre, mitunter geht es - wie bei den Grads - ein wenig schneller. Die Beraterin aus Ebersberg kümmert sich oft um die erste Einschätzung, ob eine Umstellung überhaupt möglich ist. Ihr erster Gang bei Viehhaltern führt sie meist direkt in den Stall. "Wenn jemand mitten im Dorf ökologische Milchviehhaltung betreiben will, sage ich gleich, dass es nicht geht, falls nicht genug Platz da ist." Dann erübrige sich jedes weitere Gespräch. Man müsse auch mit Herzblut dabei sein. "Sonst geht es meistens schief."

Die Anforderungen bei der Viehhaltung sind streng. Sie schreiben freie Bewegung für die Tiere, Mindestflächen, Weideland und vieles mehr vor. Im Sommer müssen Milch- und Mutterkühe jederzeit hinaus können, ein Viertel des Auslaufs darf nicht überdacht sein. Im Stall sind blanke Liegeflächen verboten, Stroh soll für Komfort sorgen. "Das Ganze wird einmal im Jahr kontrolliert, außerdem gibt es unangekündigte Stichproben", sagt Ursula König. Beim Grünanbau geht es nicht minder streng zu, von der Düngung über den Pflanzenschutz bis zum Saatgut ist vieles genau vorgeschrieben.

Familie Grad aus Beilngries-Oberndorf hat die meisten Vorgaben bereits erfüllt. Nur die Freifläche für die Kälber muss sie noch schaffen, der Plan liegt seit Herbst zur Genehmigung im Eichstätter Landratsamt. Der Stall wirkt luftig und sauber, die 72 Milchkühe erscheinen ausgeglichen und ruhig. "Bei uns haben sie alle einen Namen, nicht nur Nummern", sagt Stefan Grad, während Kuh "Koletta" nebenan kurz vor dem Kalben steht. "Das geht ganz natürlich, ohne unsere Hilfe", sagt Christina Grad. "Wenn die Tiere viel Auslauf haben, sind sie muskulöser und schaffen das allein."

Für seine Milch erhält das Ehepaar in der Umstellung noch den üblichen Preis von rund 30 Cent. Erst wenn das Vieh sechs Monate lang reines Oköfutter gefressen hat und sonst alles passt, darf der Betrieb Biomilch liefern. Stefan Grad muss das Grünzeug noch zukaufen, denn das von ihm bereits nach Ökostandard erzeugte Futter gilt erst in der dritten Saison als "rein". Das bedeutet Extrakosten in der Umstiegsphase. Für Ökomilch wird es dann 50 Cent geben - einen Preis, der nur möglich ist, weil die Konsumenten bereit sind, dafür zu bezahlen. "Da sieht man erst einmal, welche Macht der Verbraucher hat", sagt Christina Grad. Im Winter werden sie und ihr Mann den Umstieg geschafft haben. "Ein gutes Gefühl", finden sie.