München
Viel Wind um die Kunst

Wolfgang Aichner und Thomas Huber sind zurück aus Island – mit vollen Akkus für ihre Waschmaschinen-Performance

27.09.2013 | Stand 02.12.2020, 23:37 Uhr

Spuren in der Gletscherlandschaft: Wolfgang Aichner und Thomas Huber trugen auf ihrem „powerwalk“ in Island kleine mobile Kraftwerke am Körper. Mit dem Strom, der in den Akkus gespeichert wurde, soll nun die Expeditionswäsche gewaschen werden. - Fotos: Michael Pröttel

München (DK) Vor zwei Jahren zogen Wolfgang Aichner und Thomas Huber ein Boot über die Alpen, um es bei der Biennale in Venedig zu Wasser zu lassen. Jetzt waren die beiden Münchner erneut auf künstlerischer Expedition – mit mobilen Windrädern auf dem isländischen Gletscher Vatnajökull.

Die Wäsche wird noch ein paar Wochen vor sich hin muffeln. Denn wo die beiden Waschmaschinen die Expeditionswäsche von Wolfgang Aichner und Thomas Huber nach ihrem Gletscher-Trip waschen sollen, ist noch nicht raus. Erst vor ein paar Tagen sind die beiden Aktionskünstler aus Island zurückgekommen. Wieder ist nicht alles so gelaufen wie geplant. Wieder hatten sie mit dem stürmischen isländischen Wetter zu kämpfen. Und wieder wurde „das bergsteigerische Ziel“, also die Gletscher-Überquerung, nicht geschafft. Aber der künstlerische Masterplan ist aufgegangen: Die Akkus sind voll – mit authentischem, vom isländischen Wind erzeugten Strom. Und die Ausbeute an faszinierenden Bildern ist riesig.

Denn: „Thomas und ich kommen beide aus der Malerei. Deshalb sind wir in erster Linie an der Entwicklung von Bildern interessiert. Das steht bei uns auch vor einer inhaltlichen Aussage – etwa dem politischen oder philosophischen Gehalt“, erklärt Wolfgang Aichner. „Uns hat fasziniert, wie zwei Menschen in einem futuristischen Kostüm mit mobiler Energieanlage in so einer unwirtlichen Gegend auf der weißen Gletscherfläche herumlaufen. Eine Eisfläche ist ja für uns ein bisschen wie eine frisch grundierte Leinwand. Hier kann man sich bildnerisch sehr präzise ausdrücken.“

Die Idee zu der Performance im ewigen Eis entstand im Vorfeld ihrer Schau „passage 2011“ in der National Gallery of Iceland in Reykjavik: eine Kunstexpedition, bei der sie ein fünf Meter langes, 150 Kilo schweres, rotes Boot von Hand über die Alpen nach Venedig zogen, um es dort im Rahmen der Biennale zu Wasser zu lassen. Aichner und Huber wollten die Ausstellungseröffnung mit einer Kunstaktion koppeln. Im Laufe der Überlegungen holte sie die Vergangenheit ein.

Denn vor 25 Jahren waren die beiden schon mal am selben Gletscher unterwegs – mit 180 Kilometern Breite der größte Gletscher Europas. „Damals mussten wir ein ziemliches Martyrium durchstehen“, erinnert sich Aichner. „Ein langanhaltender Eissturm hat uns auf den Gletscher festgenagelt. Damals erlebten wir die zerstörerische Seite des Windes – mit wahnwitzigen Windstärken von bis zu 200 Stundenkilometern.“ Mehrmals stürzten sie ab und wurden halb erfroren und verhungert irgendwann von einem isländischen Rettungsteam geborgen. „Wir wollten das Thema Wind noch mal aufgreifen – und ihm die positiven Seiten abgewinnen.“

So entwickelten die beiden Münchner „powerwalk 2013“, eine Expedition über den Gletscher – von Jökulheimar bis zur Quelle der Tungnaá und schließlich bis zur Grimsfjall Skali – mit mobilen Windrädern. Mit dieser, in speziellen Akkus gespeicherten „Künstlerenergie“ sollen in einem letzten Schritt zu Hause zwei Waschmaschinen betrieben werden. „Damit wird die Expeditionswäsche gewaschen“, erklärt Aichner. Wo diese Performance stattfinden soll, ist noch unklar. Es gibt mehrere Optionen, und die Zeit drängt. Denn die Spannung auf den Akkus hält nicht ewig. „Wir müssen das bis November hinkriegen“, sagt Aichner. „So lange bleibt die Wäsche in den Wäschesäcken.“ Er lacht. Obwohl er noch ziemlich geschafft ist. „Es war sehr schön, aber auch sehr anstrengend.“

Und er meint damit nicht nur die eigentliche Expedition in Island, bei der jeder 30 Kilogramm auf dem Rücken trug, bei der der Wind wieder mal gegen sie arbeitete und es an „dramatischen Situationen“ keinen Mangel gab, sondern auch die Vorbereitungszeit. „Wir hatten den großen Anspruch, die Windanlagen selbst zu entwickeln“, erzählt Aichner. Dabei ging es nicht nur um die Elektrik („Strom ist nämlich nicht gleich Strom“), sondern auch „um einen skulpturalen Anspruch“. Dazu kam die komplizierte Logistik. Denn mit den Ausstellungsexponaten für die Schau in Reykjavik musste auch schon ein Teil der Expeditionsstücke (Zelt, Schlafsäcke, Klettergurte, Eisschrauben etc.) mit dem Schiff vorausgeschickt werden. Nicht zu vergessen der bürokratische Hürdenlauf. Darf man solche Akkus im Flugzeug transportieren? Nein. Eigentlich. „Wir haben die Leute beim Sicherheitscheck am Flughafen einfach platt geschwatzt und konnten die Akkus tatsächlich im Handgepäck mitnehmen“, sagt Aichner.

Seit wenigen Tagen ist er wieder in München und findet sich nur langsam wieder ein in den Alltag. Auch wenn Aichner darauf beharrt, keine Aussagen machen zu wollen – die beiden Künstler produzieren auf ihrem „powerwalk“ Bilder von hoher metaphorischer Qualität, in denen es natürlich auch um den Wettlauf der Industrieländer um natürliche Ressourcen geht, um die Macht von Konzernen – und um den Energiehunger der Gesellschaft.