Bayreuth
"Viel Wind, aber zu wenige Stromleitungen"

Unternehmenssprecherin erklärt, warum Österreich als Retter herhalten musste

05.01.2012 | Stand 03.12.2020, 1:58 Uhr

Bayreuth (DK) Der Netzbetreiber Tennet, dessen Leitungen von Norddeutschland bis Bayern reichen, musste erstmals auf Reserve-Kraftwerke in Österreich zurückgreifen. Die Unternehmenssprecherin Ulrike Hörchens sprach von einer „Vorsichtsmaßnahme“. Unsere Redakteurin Gabriele Ingenthron fragte nach.

Sie haben zum ersten Mal auf Kaltreserven in Österreich zurückgegriffen. Kommt es im Zuge der Abschaltung von acht Atomkraftwerken jetzt zu Stromengpässen in Deutschland?

Ulrike Hörchens: Wir haben im Grunde genommen keine Engpässe. Aufgrund unserer Prognosen haben wir für den 8. und 9. Dezember eine kritische Netzsituation befürchtet, also eine Überlastung der Netze. Um dem vorzubeugen, haben wir die Kaltreserve von rund 1000 Megawatt abgerufen.

Wenn an beiden Tagen zu viel Strom zur Verfügung stand, warum musste auf die Kaltreserve zurückgegriffen werden?

Hörchens: Wir hatten eine besondere Situation, eine Kombination aus hoher Windkraft-Leistung im Norden und einer hohen Verbrauchslast im Süden. An beiden Tagen hat ein Sturmtief für ein hohes Windkraftangebot von 19 000 Megawatt in Norddeutschland gesorgt. Wegen fehlender Leitungen konnte diese Energie aber nicht nach Süden transportiert werden.

Das Problem reduziert sich also auf eine Frage der Netzkapazität?

Hörchens: Wenn so viel Energie in den Netzen ist, heißt das auch, dass der Strompreis billiger wird. Und das heißt, dass angrenzende Länder aus Südosteuropa Strom in Deutschland kaufen, weil der billiger ist als der, den sie selber produzieren. Das heißt, der Export steigt stark an und so kann es kommen, dass man zusätzlich Kraftwerke in Süddeutschland braucht, damit die wieder mehr Energie produzieren. Erschwerend kam hinzu, dass das Kraftwerk Gundremmingen Block C unplanmäßig abgeschaltet war, deshalb haben wir die Kaltreserve in Österreich aktiviert. Erst ist nur eine geringe Menge Strom, dann die volle Kapazität genutzt worden. Wir lagen also richtig mit unserer Vorsichtsmaßnahme. Das heißt nicht, dass wir zu wenig Strom haben. Deutschland ist ein großer Stromexporteur.

Wann wird die kritische Netzsituation frühestens beendet sein?

Hörchens: Wir dringen auf einen schnellst möglichen Leitungsausbau. Die Genehmigungsverfahren sind in den Bundesländern verschieden, wir rechnen mit bis zu acht oder sogar zehn Jahren.