Viel Lärm um nichts

Kommentar

28.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:13 Uhr

Selbst als unaufgeregter Betrachter der gegenwärtigen Zustände kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Welt verrücktspielt. In Syrien will keine Ruhe einkehren. Nordkorea tanzt, sich der Unterstützung Pekings bewusst, den Nationen dieser Erde munter auf der Nase herum.

Und Russland stärkt kaum bemerkt und doch stetig seinen Einfluss, indem es sich mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan arrangiert, kräftig in Syrien mitmischt und dem Westen mehr denn je die kalte Schulter zeigt. In Zeiten wie diesen kann man froh sein, wenn die freie Welt von besonnenen und erfahrenen Staatenlenkern regiert wird. Tatsächlich aber schwebt über all diesen Krisen das Damoklesschwert Donald Trump.

100 Tage ist es her, dass der Republikaner auf den Stufen des prachtvollen US-Kapitols in Washington seinen Amtseid geleistet hat - wie so viele bedeutende Persönlichkeiten vor ihm. Die leisen Hoffnungen, die er mit seiner gemäßigten und durchaus staatsmännischen Ansprache am Wahlabend geweckt hatte, zerschlug er in diesem Moment krachend. Seine erste Rede als US-Präsident erinnerte eher an den spalterischen Wahlkämpfer. Trump wiederholte seine Forderungen lautstark und machte sich noch am selben Tag daran, erste Dekrete zu unterzeichnen.

Es war der Auftakt zu einer Reise, wie sie noch kein politischer Beobachter erlebt hat. Trumps Tempo war und ist atemberaubend - genau wie die Regelmäßigkeit, mit welcher der unerfahrene Draufgänger auf die Nase gefallen ist. Gleich nach der ersten Pressekonferenz konnte man seinem Sprecher Sean Spicer nachweisen, dass er mehrfach gelogen hatte. Die versprochene Mauer an der Grenze zu Mexiko ist für die kommenden Monate vom Tisch - mangels Geld, und weil Mexiko zahlungsunwillig ist. Seine fremdenfeindlichen Einreisestopps wurden von US-Richtern ausgebremst. Die Abschaffung von Obamacare ist gar an der eigenen Partei gescheitert. Und noch immer steht seine Administration im Verdacht, zwielichtige Kontakte zu Russland zu unterhalten, was mit Michael Flynn bereits ein hochrangiges Opfer gefordert hat.

Abgesehen davon, dass er den ultrakonservativen Richter Neil Gorsuch am Supreme Court durchgeboxt hat, kann Trump also wenig Greifbares vorweisen. Es waren aufregende Monate und doch viel Lärm um nichts. Trumps Umfragewerte sind katastrophal - sicher auch, weil er nicht einfach nur am Widerstand des Systems scheitert, sondern Wahlversprechen aus freien Stücken bricht. So wollte er sich etwa aus Konflikten raushalten, versprach der Nation das Ende der Einsätze in Nahost. Stattdessen bombardiert er syrische Stützpunkte und wirft in Afghanistan Riesenbomben ab. An den möglichen Ausgang der Fehde mit Nordkorea mag man gar nicht denken.

Es wäre aber unfair, schon jetzt den Stab über der US-Regierung zu brechen. Vielleicht wird das Amt den noch immer lauten und oft unüberlegt agierenden Republikaner irgendwann formen. Seine zu Beginn argwöhnisch beobachteten Minister jedenfalls machen zum Teil eine deutlich bessere Figur als erwartet. Was bleibt also unter dem Strich, wenn man Trumps erste 100 Tage im Weißen Haus bewerten soll? Im Grunde das, was befürchtet werden musste. Die Staatengemeinschaft ist verunsichert und taumelt unter Führung einer mit sich selbst überforderten Supermacht umher. Die Welt ist eben doch viel komplizierter als die großen Vereinfacher in ihren Reden meinen. Donald Trump scheint das manchmal schon zu bemerken. Und es bleibt die Hoffnung, dass auch die treuesten Trump-Fans und Populismus-Anhänger eine Ahnung davon bekommen.