Ingolstadt
Viel Glück dabei!

Eine Expertenrunde im Armeemuseum macht sich Gedanken über die Konservierung alter Feldzeichen – wie die im Fahnensaal

07.10.2012 | Stand 03.12.2020, 0:59 Uhr

Spezialisten mit weiter Anreise Jürg Burlet aus Zürich und Judith Zimmer aus Berlin mit Museumschef Ansgar Reiß (v.l.) - Foto: Brandl

Ingolstadt (DK) So eine typisch raue Herbstböe, die werden sie nicht mehr erleben in ihrem greisen Fahnendasein: Der letzte Redner im Fahnensaal des Neuen Schlosses hatte seinen Vortrag gerade beendet, da frischte der Wind auf und wagte mit dem Laub ein Tänzchen durch die Altstadt. Wie geschaffen dafür, die Fähnchen in denselben zu hängen.

Doch besagte 160 originalen Feldzeichen der alten bayerischen Armee hingen, längst in Weisheit ergraut, wie eh und je in Reih und Glied an den Wänden des altehrwürdigen Saals. Hier wurde drei Stunden rege und ernsthaft über ihre Bedeutung und vor allem ihre Zukunft gesprochen: Sie drohen komplett zu zerfallen (DK berichtete). „Die Erhaltung der Fahnen zwingt uns zum Handeln“, sagte Ansgar Reiß, der Leiter des Museums. Deshalb hatte er am Samstag eine Expertenrunde eingeladen, die vor durchaus gut besetzten Zuhörerreihen zum Thema „Bayerns Banner bewahren“ referierte und Lösungen aufzeigte.

Dass die Fahnen abgehängt, konservatorisch behandelt, gereinigt und bestmöglich gelagert werden müssen, steht bereits fest. Eine große Herausforderung für die Fachleute, wie es scheint. Diplomrestauratorin Judith Zimmer vom Deutschen Historischen Museum in Berlin räumte ein: „Ich wünsche Ihnen viel Glück.“

Sie gewährte in ihrem Vortrag Einblicke in die Arbeit einer Restauratorin, „ein weites Feld“, wie sie sagte, dass von der klassischen Restaurierung, über optische Lagerung bis hin zur präventiven Konservierung reiche. Außerdem machte sie die Zuhörer mit der Materialzusammensetzung einer Fahne vertraut (Einblatt- und Doppelblattfahnen mit bis zu vier Stofflagen aus Baumwolle und Seide) und ging ein auf diverse Ursachen für Schäden, darunter allen voran Klimaschwankungen (sie führen zu Faltenbildung im Fahnenblatt), Licht, Staub (verändert den PH-Wert) oder Pilzbefall.

Zuvor informierte der extra aus Zürich angereiste Jürg Burlet ausführlich über die Erfahrungen der Eidgenossen zum Thema. Burlet, der im Schweizerischen Nationalmuseum tätig ist, berichtete über dramatische Zustände, als die Fahnen – darunter alleine 900 militärische – aus den Zeughäusern in das 1898 entstandene Landesmuseum in Zürich gebracht wurden: „Es hing immer weniger Tuch an den Stangen, briefmarkengroße Stücke rieselten von der Decke, der Totalverlust drohte.“ Bereits zuvor erstellte man Fahnenbücher, zeichnete die Fahnen also ab und fertigte später Replikate an. Auch wurde versucht, Fahnen durch Netzkonservierung zu stabilisieren.

In den letzten 50 Jahren habe man restauriert, so Burlet. „Rund ein Dutzend der Fahnen ist noch ausgestellt.“ Der Rest werde heute in einem Depot in speziellen Schubladen säurefrei und unter konstanter Luftfeuchte und Temperatur gelagert. Andere, noch an Stangen hängende Fahnen, befinden sich in einem Rollregallager. Sie werden für traditionelle Feiern in Sälen sogar an Verbände verliehen.

In einem waren sich alle sechs Redner – zu ihnen gehörten neben Gastgeber Reiß noch Dieter Storz, der die bayerische Armee im Kaiserreich beleuchtete, Daniel Hohrath, der die Bedeutung der Fahnen für Militär und Gesellschaft herausstellte, sowie Jürgen Kraus, der die Fahnensammlung des Armeemuseums vorstellte – einig: „Fahnen gehören zu den wichtigsten historischen Zeugen.“