Verzicht aufs Auto könnte sich lohnen

Hilpoltstein ändert seine Stellplatzsatzung aus dem Jahr 2013 - Dietzel fürchtet vollgeparkte Straßen

12.12.2021 | Stand 23.09.2023, 22:14 Uhr
Zu wenige Parkplätze für zu viele Autos sollen auf der Dorotheenhöhe verhindert werden. −Foto: Münch

Hilpoltstein - Man konnte manchmal schon den Überblick verlieren bei den vielen Änderungsvorschlägen zur Stellplatzsatzung aus dem Jahr 2013. Ein Beispiel: Wie groß darf eine Einliegerwohnung sein, bevor man dafür einen zweiten Pkw-Stellplatz braucht?

55, 65 oder 75 Quadratmeter? Hat eine kleine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus 65 Quadratmeter? Und wer wohnt dann dort? Ein junges Paar mit zwei Autos, ein Single, womöglich noch Radfahrer? Sollen für den geförderten Wohnungsbau auf der Dorotheenhöhe andere Stellplatz-Maßstäbe gelten, weil die Leute dort vielleicht weniger Autos haben? Und wie viele Stellplätze brauchen Fahrräder? Sollte man nicht gleich ein Mobilitätskonzept mitdenken?

All diese Fragen wollten im Stadtrat ausdiskutiert werden, wobei man sich am Ende fast immer einmütig entschied. Eine Einliegerwohnung darf jetzt bis zu 55 Quadratmeter groß sein, bevor man einen zweiten Stellplatz nachweisen muss. Für Mehrfamilienhäuser gilt künftig: bis 55 Quadratmeter ist ein Stellplatz nötig, bis 70 sind es 1,5 und über 70 Quadratmeter muss man zwei Stellplätze nachweisen.

Ulla Dietzel (CSU) hatte gleich zu Beginn der Quadratmeter-Debatte auch für kleinere Wohnungen ab 65 Quadratmetern zwei Stellplätze gefordert. "Sonst wird alles mit parkenden Autos vollgestellt. Die Lindenallee ist jetzt keine Grünfläche mehr, sondern nur noch ein Parkplatz. " Es sei aber nicht die Aufgabe der Stadt, öffentlichen Parkraum zur Verfügung zu stellen, den alle Bürger mitbezahlen müssten. Edeltraud Stadler (CSU) sorgte sich um die Sozialkontakte. Wenn Parkplätze schon jetzt rar wären und nicht genügend private Stellplätze gefördert würden, wo sollten dann Gäste parken? "Dann bekommen wir keinen Besuch mehr", war ihre Befürchtung.

Felix Erbe (Grüne) setzte sich dafür ein, dass es bei Einkaufsmärkten, Versammlungsstätten und am besten auch Gaststätten Stellplätze für Räder geben muss. Und im Wohnungsbau sollten sie überdacht sein, weil sonst niemand sein teures Rad im Freien stehen lasse. Denn anders als beim Bäcker stehe ein Rad wesentlich länger vor der Haustür.

Beim geförderten Wohnungsbau wollte die Mehrheit von 18 zu 5 keinen Unterschied zur Satzung für Mehrfamilienhäuser machen. Auch hier entscheidet die Wohnungsgröße. Einig war man sich, das von Felix Erbe eingebrachte Mobilitätskonzept mitzudenken. Demnach könnten entweder Ablösegelder für Stellflächen oder Stellplätze selbst entfallen, wenn sich der Eigentümer dafür entschließe, auf ein Auto zu verzichten, aufs Rad oder Carsharing umzusteigen.

"Die Idee finde ich super", sagt Markus Odorfer (FW) und sprach sich für den Verzicht auf eine Ablöse aus. Bürgermeister Markus Mahl (SPD) würde dagegen lieber auf einen Stellplatz verzichten, den der Haus- oder Wohnungseigentümer eben nachliefern müsse, falls er sich später doch noch für ein Auto entscheide. Mahl hielt dies für leichter umsetzbar. Man könne dem Bauherren ja diese Alternative eröffnen, wenn dieser auf die Stadt zukomme, schlug Mahl vor. "Gedanken sollten wir uns jedenfalls machen. "

Gedanken hatte man sich bereits vor rund zwei Jahren über das kleine Baugebiet in der Jörg-von-Leonrod-Straße gemacht. Auf der rund 3500 Quadratmeter großen Brachfläche in unmittelbarer Nachbarschaft zu Markus Mahl könnte ein Mehrgenerationenhaus oder "einkommensorientierter Wohnungsbau" entstehen. Dazu ist ein Bauleitplanverfahren nötig, das jetzt noch einmal in Richtung mehr Ökologie überarbeitet wurde.

Jörg Bierwagen vom Ingenieurbüro Christofori erklärte die wichtigsten Änderungen. So soll jetzt die Hälfte der nutzbaren Dachfläche für Photovoltaik (PV) verwendet werden. Bislang waren es nur 20 Prozent. "Die Maßgabe ist zulässig und vertretbar", sagte Bierwagen. Außerdem ist für ein Flachdach eine Begrünung zwingend notwendig. Das biete viele Vorteile und beeinträchtige auch die PV-Anlagen nicht, zumindest nicht negativ. Im Gegenteil. "Die Effizienz erhöht sich durch eine Dachbegrünung", erklärte Bierwagen. Denn durch ein kühleres Mikroklima auf dem Dach erhöhe sich der Wirkungsgrad der PV-Anlage, der bei Hitze nachlässt. Ein weiterer Vorteil von Pflanzen auf dem Dach: Sie speichern Regenwasser, das sonst in den Kanal fließen würde.

Ausgeschlossen sind jetzt auch sämtliche Arten von undurchlässigen Zäunen, Gabionen oder Einfassungen, die für Kleintiere eine Hürde sein könnten. Übrig bleibt die uralte Öko-Variante: eine Hecke.

HK

Robert Kofer