Aichach
Verurteilt trotz Vorfahrt

42-Jähriger ist alkoholisiert, als er mit seinem Audi in Pöttmes einen Rollerfahrer zu Sturz bringt

10.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:48 Uhr

Aichach (SZ) Wer ist schuld an einem Unfall? Dass es auch derjenige sein kann, der eigentlich Vorfahrt hatte, bewies eine Gerichtsverhandlung in Aichach. Der junge Soldat hatte nicht lange Freude an seinem Aprilia-Roller: Zwei Tage, nachdem er ihn gekauft hatte, passierte es.

Ein 42-Jähriger fuhr ihm auf einer Kreuzung in Pöttmes hinein. Zwar hatte dieser Vorfahrt, doch weil er mit 1,4 Promille stark alkoholisiert war und sich so verhielt, dass er den Eindruck erweckte, er würde dem Rollerfahrer die Vorfahrt einräumen, stand er nun vor Gericht. Den 42-Jährigen hatte im Mai ein Strafbefehl über 2800 Euro und 14 Monate Fahrverbot erreicht. Dagegen legte er Einspruch ein. Der Bauarbeiter war der Meinung, nichts falsch gemacht zu haben: "Ich bin ganz normal gefahren, obwohl ich unter Alkoholeinfluss stand." Wieso er 1,4 Promille im Blut hatte, das konnte er sich ohnehin nicht erklären: "Meine Leber ist krank", versuchte er es, doch Walter Hell beschied ihm, selbst wenn seine Leber Alkohol langsamer abbaue, könne sie nur das verarbeiten, was ihr vorher zugeführt worden sei: "Sie waren stark betrunken, und das am helllichten Tag."

Der 42-Jährige behauptete, er habe zwischen 14 und 18 Uhr lediglich beim Grillen drei Halbe Bier genossen, doch das glaubte ihm das Gericht nicht. Der Zeitsoldat berichtete, er habe an diesem Sonntag heuer im April den Ostermarkt in Pöttmes besucht und hinter dem Rathaus geparkt. Gegen 18 Uhr wollte er nach Hause fahren, doch er kam nur bis zum Erdweg. An der Kreuzung mit der Marktstraße blieb er stehen. Dort gilt rechts vor links, und er bemerkte den Angeklagten, der einen Audi fuhr und sich von rechts auf der Marktstraße näherte. "Er blieb mitten auf der Kreuzung stehen und setzte dann so weit zurück, dass ich dachte, er möchte einparken", erklärte der Rollerfahrer. Also gab er Gas - in dem Moment fuhr der Bauarbeiter plötzlich wieder vorwärts. Der Audi prallte an den Roller, der Soldat stürzte und verletzte sich an der Schulter. Am Aprilia-Roller wurde die Lenksäule verbogen, die Reparatur kostete 500 Euro. Der Frontschaden am Audi liegt bei 3500 Euro. Der Verteidiger, Rechtsanwalt Thomas Bednarz, fragte, ob denn sein Mandant Blickkontakt zu dem Rollerfahrer aufgenommen habe, wie es allgemein üblich sei, wenn man jemandem die Vorfahrt einräume? Daran konnte sich der Soldat nicht mehr erinnern, doch er war sich sicher: "Er hat mich gesehen." Für die Staatsanwaltschaft forderte Janine Häring neben einem noch ein Jahr dauernden Entzug der Fahrerlaubnis 70 Tagessätze zu je 35 Euro Strafe, angepasst an das monatliche Nettoeinkommen des Bauarbeiters von 1270 Euro. Auch 150 Euro Unterhalt, die er seinen zwei Kindern in Polen überweist, werden bei der Berechnung der Tagessatzhöhe berücksichtigt. Verteidiger Bednarz meinte, so ein Unfall könne jedem passieren und habe nichts damit zu tun, ob man alkoholisiert fahre. Er plädierte auf 1200 Euro Geldstrafe und zehn Monate Führerscheinentzug. Richter Walter Hell verurteilte den 42-Jährigen schließlich wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs sowie fahrlässiger Körperverletzung gemäß Antrag der Staatsanwaltschaft zu 2450 Euro Geldstrafe. Vor Ablauf von zwölf Monaten bekommt er keinen neuen Führerschein. "Vorfahrt heißt nicht, dass man alles niedermähen kann, was sich auf der Kreuzung befindet." Der Bauarbeiter habe durch sein alkoholbedingtes Verhalten zudem für eine "unklare Verkehrslage" gesorgt. Der Soldat sei nicht schuld an dem Unfall: "Da kann der Rollerfahrer aufmerksam sein, wie er will, wenn ihm ein betrunkener Autofahrer entgegen kommt, hat er keine Chance."