Ingolstadt
Vertreibung aus dem Siedlerparadies

11.08.2010 | Stand 03.12.2020, 3:47 Uhr

Die Donau ist nicht weit (oben im Bild) – aber welche Gefahr droht bei einer Überschwemmung den Siedlern im Roten Gries tatsächlich? Das Wochenendhausgebiet westlich von Ingolstadt gilt als größte Ansammlung von Schwarzbauten. Die Grundstückseigentümer bestreiten das allerdings. - Foto: Schalles

Ingolstadt (DK) Am vergangenen Wochenende hätte es ernst werden können. Hans Zeitler, Vorsitzender des Vereins Feldschütt/Roter Gries, war auf alles gefasst. Aber die Donau blieb zahm, und der Hochwasseralarm blieb aus. "Die Haftungsfrage wird nur hochgespielt", glaubt der Vereinssprecher.

Weil von Stadtjurist Helmut Chase immer wieder die Gefahr einer möglichen Haftung bei Überschwemmungen an die Wand gemalt werde, sei auch der Stadtrat verunsichert. "Die Gefahr ist woanders genauso da", weist Zeitler auf genehmigte Wohnhäuser an der Westlichen Ringstraße, das Marineheim, den Baggersee und bewohnte Gebäude auf dem Weinzierlgelände hin.

Auch sein Vorstandskollege Heinrich Börner versteht nicht, warum immer nur die Siedler im Wochenendhausgebiet Feldschütt/Roter Gries genannt werden, wenn es um mögliche juristische Risiken der Stadt bei einer Donauflut geht. Zumal eine Gefahr wie beim großen Pfingsthochwasser 1999 inzwischen gar nicht mehr bestehe. "Die steuern das heute wunderbar überregional", hat Börner festgestellt, "das funktioniert bestens."

Und wenn tatsächlich Ingolstadt von einem neuen Hochwasser betroffen wäre, so appelliert er an die Stadt: Warum sollte dann nicht wie in anderen Städten auch ein Alarmplan ausreichen? Im Notfall müsse die Feuerwehr eben die Leute im Roten Gries informieren und warnen. "Dann sperrt die Stadt das Gebiet draußen ab, und keiner hat dort mehr was verloren. Damit ist die Haftungsfrage geklärt."

Die städtische Position steht dazu bisher in einem klaren Gegensatz. Seit einem halben Jahr läuft ein Verfahren, das zum Ziel hat, den 30 Jahre alten Bebauungsplan für das Wochenendhausgebiet aufzuheben. Begründung in aller Kürze: Der vom Gericht als nichtig erklärte Plan erwecke den falschen Eindruck, als könne im Roten Gries trotz des fehlenden Hochwasserschutzes legal gebaut werden. "Die Stadt Ingolstadt kann sich der Haftung für Leib und Leben nicht entziehen", beschwor Rechtsreferent Chase noch im Mai den Stadtrat, bevor die Politiker nach langem Zögern der Aufhebung zustimmten. Das Verfahren ist allerdings noch lange nicht abgeschlossen. Zurzeit läuft die Einwendungsfrist für die Betroffenen. Sie endet am 27. August. Wer die Unterlagen bei der Stadt einsehen will, kann dies auf deren Internetseite oder direkt im Stadtplanungsamt zu den üblichen Bürozeiten tun (Technisches Rathaus, Zimmer 111).

Für Hans Zeitler und die rund 135 im Verein organisierten Grundstückseigentümer steht außer Frage, dass sie sich aus ihrem Wochenendparadies nicht vertreiben lassen wollen. Vielmehr verlangen sie, wie Zeitler in eigener Sache schreibt, eine "verbindliche Zusage durch die Stadt", dass ihr Gebiet "auf Dauer erhalten und eine Absiedelung auch in Zukunft nicht gefordert wird".

Auch die Aufhebung des Bebauungsplanes wollen sie unter allen Umständen verhindern. "Dann ist das Grundstück praktisch nichts mehr wert", fürchtet Heinrich Börner, "dann ist das Ackerland." Der 27. September verspricht viel Spannung: An diesem Montag lädt die Stadt zur öffentlichen Anhörung.