Pfaffenhofen
"Vertrauen, Vertrauen, Vertrauen"

Hans Huber, der alte und neue Geschäftsführer der Ilmtalklinik, im Interview

18.09.2013 | Stand 02.12.2020, 23:39 Uhr

Eine schwere Aufgabe hat Hans Huber übernommen. Er will die Pfaffenhofener Ilmtalklinik aus der Krise führen. So ernst die Lage auch ist – das Lachen ist dem 63-Jährigen deswegen nicht vergangen. - Fotos: Gegger

Pfaffenhofen (DK) Seit gut zwei Wochen ist Hans Huber nun in Amt und Würden. Der 63-Jährige, der bis 2010 die Ilmtalklinik leitete, kehrte aus dem Ruhestand ans Pfaffenhofener Krankenhaus zurück und übernahm in stürmischen Zeiten wieder das Ruder. Mit unseren Redakteuren Robert Schmidl und Rudi Gegger sprach Huber über sein Aufgabenfeld, Arbeitsschwerpunkte und die Zukunftsaussichten des Krankenhauses.

Herr Huber, aus der Rente direkt ins Krisengebiet Ilmtalklinik – wie fühlen Sie sich nach Ihrer ersten Woche an Ihrem alten/neuen Arbeitsplatz? Sind Geschäftsführer und Krankenhaus wohlauf oder – was Letzteres betrifft – zumindest auf dem Weg der Besserung?

Hans Huber: Ich selbst fühle mich sehr wohlauf. Komischerweise haben meine grauen Zellen nicht alles gelöscht, sondern sofort von Stand-by auf Hochtouren geschaltet. Mir fehlen momentan vielleicht noch 20 Prozent an Wissen, aber das werde ich binnen kürzester Zeit aufsaugen wie ein Schwamm. Andererseits habe ich zwar gewusst, was auf mich zukommt, aber nicht, dass es so schlimm ist, dass so viele Baustellen da sind. Schlimm – das meine ich jetzt nicht im Sinne von Katastrophen, sondern schlimm ist die fehlende Kommunikation, dass einfach nicht mehr miteinander geredet wurde. Es ist das Vertrauen auch innerhalb des Hauses massiv gestört, die Leute trauen sich nichts mehr zu und selbst gute Mitarbeiter wagten sogar bei kleinsten Dingen nichts mehr zu entscheiden. Es ist also, um bei Ihrer Formulierung zu bleiben, schon noch ein sehr weiter Weg bis zur Besserung.

Hat die Geschäftsführung hier ein Klima von Angst und Schrecken verbreitet?

Huber: Nein, das eher nicht. Aber während der vergangenen sechs Monate saß die Geschäftsführung offenbar im Elfenbeinturm, hat sich mit sich selbst beschäftigt und einfach keine Entscheidungen mehr getroffen. Das Krankenhaus ist aber sicher nicht erst in den letzten drei oder sechs Monaten in die Krise geraten, sondern dieser Prozess hat sich schon länger entwickelt.

Kurz vor dem Jahreswechsel wurde der Geschäftsführervertrag noch zu verbesserten Konditionen verlängert. Hat niemand im Kreistag oder im Aufsichtsrat gemerkt, dass es hier schon gar nicht mehr gut lief?

Huber: Vielleicht war das geschickt getarnt oder man wollte eventuell auch teilweise nichts hören oder sehen. Ich weiß es nicht.

Sie haben mitverfolgt, wie die Ilmtalklinik immer tiefer in die Krise schlitterte. Erst schlug das Personal wegen dauernder Überlastung Alarm, dann kamen gravierende finanzielle Probleme ans Licht, Geschäftsführer Marco Woedl warf mehr oder minder freiwillig hin. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung, zeichnete sich das schon bei Ihrem Rückzug ab?

Huber: Ich glaube, dass ich 2010 ein weitgehend funktionierendes Haus hinterlassen habe. Natürlich gab es auch früher Probleme in so einem schwierigen Gebilde wie einer Klinik. Aber da gab es klare Hierarchien, da hat man mehr miteinander geredet und Konflikte mit dem richtigen und klaren Wort zur richtigen Zeit gelöst. Ein Klinik-Geschäftsführer muss sich auch mal in den medizinischen Bereich einmischen. Ich habe 26 Jahre Erfahrung und glaube, dass ich auch bei gewissen medizinischen Dingen mitreden kann. Und ich habe den Eindruck, dass auch auf diesem Sektor in den vergangenen Jahren schon ein paar falsche Weichenstellungen vorgenommen wurden.

Dem Vernehmen nach herrschte zwischen der Geschäftsführung und manchen Ärzten an der Klinik schon seit Langem totale Funkstille, stimmt das?

Huber: Es gab mit bestimmten Ärzten gute Kontakte, und andere Ärzte hat man versucht kleinzuhalten.

Ist es vielleicht auch auf die Sparzwänge, denen sich Geschäftsführer Woedl ausgesetzt sah, zurückzuführen, dass sich die Krise an der Klinik so schnell verschärfte?

Huber: Vielleicht hat man ihm einen zu engen Rahmen gesetzt. Man hätte vor einem oder zwei Jahren die zuständigen Kreisgremien und den Aufsichtsrat darüber informieren müssen, dass die Lage auf dem Gesundheitssektor sich deutlich verschlechtert hat, dass man sich bei weiterem Personalabbau kaputt spart und dass sich das auch auf die Qualität auswirkt. Dann hätten die Kreisgremien vielleicht gesagt, dass man mit einem Defizit in gewisser Höhe einfach rechnen muss und dass ihnen das unser Krankenhaus auch wert ist. Aber es ist halt ein Unterschied, ob sich da ein 63-jähriger Klinikchef hinstellt und einen entsprechenden Kreistagsbeschluss fordert, oder ein 40-jähriger Geschäftsführer, der um seinen Vertrag bangt. Woedl hat sicher Fehler gemacht, in der Kommunikation, in der sozialen Kompetenz, in der Personalführung, im Miteinander. Das werfe ich ihm vor, aber die anderen Dinge sind in der Politik passiert, das muss man ganz klar sagen. Ob sich der Geschäftsführer laut genug gemeldet hat und ob er dann gehört wurde, das kann ich im Nachhinein nicht beurteilen.

Hat denn eigentlich der Klinik-Aufsichtsrat funktioniert, der zuletzt massiv in die Kritik geraten ist?

Huber: Der Aufsichtsrat ist grundsätzlich ein Organ, das die Geschäftsführung kontrolliert. Das konnte er in diesem Fall meiner Ansicht nach nicht ausreichend, weil er entweder nicht genügend Informationen bekommen oder diese Infos nicht gehört hat, je nachdem wie man das interpretieren will. Das Thema ist eigentlich, dass die Geschäftsführung ihre Aufgaben nicht in der Form erfüllt hat, wie sie es hätte tun müssen. Weil es in der Klinik am nötigen Vertrauen mangelte, glaube ich, dass die Geschäftsführung viele ihrer Aufgaben und Entscheidungen in den Aufsichtsrat verlagert hat. Der Aufsichtsrat war damit gezwungen, das operative Geschäft der Klinik zu übernehmen – und dafür ist er nicht da und damit ist er auch überfordert. Das ist sofort abzustellen. Jeder muss wieder Verantwortung auf seinem Gebiet übernehmen und ich werde bestimmt nicht den Kauf von vier Winterreifen vom Kreistag absegnen lassen.

Wenn der Aufsichtsrat schon in Teilen das operative Geschäft übernommen hat, dann wussten die Mitglieder des Gremiums doch auch zwangsläufig von den Problemen an der Klinik. Hat der Aufsichtsrat also zu spät reagiert?

Huber: In Teilen ja. Aber da nachzutarocken bringt uns jetzt nicht weiter.

Nach DK-Informationen will sich nach dem Geschäftsführer nun mit Professor Christian Firschke, Herzspezialist und Chef der Inneren Medizin, auch einer der Spitzenärzte des Hauses von der Ilmtalklinik verabschieden.

Huber: Professor Firschke ist noch bis 31. Dezember bei der Klinik beschäftigt und wird uns innerhalb dieses Zeitraums, voraussichtlich am 31. Oktober, verlassen, weil er noch Urlaub und Überstunden hat. Er wird bis Jahresende bezahlt, sonst gibt’s nichts. Mit dem Aufbau des Herzkatheterlabors hat er sehr gute Arbeit geleistet. Mit Dr. Martin Lampen haben wir aber einen sehr, sehr guten Mann, der nahtlos übergangsweise in die Chefrolle schlüpfen kann, zudem werden wir mit Dr. Stefan Hüttl aus Schrobenhausen eine Zusammenarbeit suchen, der uns vielleicht bei den Notdiensten helfen kann. Ob in dieser Abteilung Nachbesetzungen und eine neue Aufstellung notwendig sind, wird binnen der nächsten drei bis sechs Monate entschieden. Wir werden den Chefarztposten für die Innere ausschreiben.

Die Schwerpunkte Herz- und Bauchchirurgie bleiben also?

Huber: Wir werden uns sehr schnell über die medizinische Weiterentwicklung dieser Klinik unterhalten müssen. Auf Chirurgie und Innere werden etwa zwei Drittel unserer Patienten entfallen, sag ich jetzt mal. Bei anderen Dingen, die man noch anbieten kann, muss man mal sehen. Ich bin dafür, dass man Alterschirurgie und geriatrische Dinge ins Auge fasst. Palliativ ist eine Sache, die im ambulanten Bereich in Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten weiterentwickelt werden sollte, das sollte man unbedingt forcieren. Gerade für die Versorgung von Schwerst- und Krebskranken bräuchte man dringend was. Das wird man alles sehen, wir werden das auf den Prüfstand stellen.

Haben Sie schon mit Ihrem ehemaligen Nachfolger und jetzigem Vorgänger Marco Woedl gesprochen oder steht noch ein Gespräch an? Und wenn ja,geht es dabei auch um die im Raum stehende Forderung von 450 000 Euro für die Vertragsauflösung?

Huber: Ich habe noch nicht mit ihm gesprochen und auch noch keinen Auftrag, hier zu verhandeln. Aber an dem Thema Abfindung werde ich sicher nicht vorbeikommen. Ich persönlich sehe nicht ein, dass eine solche Summe bezahlt werden soll. Das ist nicht in Ordnung und das ist auch für unser Haus und die Bevölkerung nicht darstellbar.

In den vergangenen Wochen ist der Eindruck entstanden, dass es in der Klinik an allen Ecken und Enden brennt. Wo löscht denn Hans Huber zuerst?

Huber: Stichpunktartig sage ich da mal: Stabilisieren, Vertrauen, Vertrauen, Vertrauen! Wir müssen sehr schnell die niedergelassenen Ärzte mit ins Boot holen und diese fragen, was sie sich von einer vernünftigen ortsnahen Versorgung hier in der Klinik erwarten. Dann sind auch Dinge anzupacken, die uns wieder mehr mit den Niedergelassenen verbinden, zum Beispiel das Thema Notarztpraxen.

Der Kreistag hat der Klinik eine Finanzspritze verpasst. Muss der Kreis damit rechnen, dass die Klinik nun Jahr für Jahr Millionenzuwendungen braucht oder sehen Sie die Chance, wieder schwarze Zahlen zu schreiben?

Huber: Diese Delle und die Probleme, die wir derzeit haben, werden den Landkreis viel Geld kosten. Je nachdem, wie schnell sich die Negativentwicklung umdrehen lässt und wie sich die Belegungszahlen entwickeln, reden wir von vier bis sieben Millionen Euro. Es ist klar, dass das kein Einmaleffekt ist, sondern wir das auch noch in den nächsten Jahren spüren werden. Wegen der negativen Veränderungen im Gesundheitssystem ist ein Haus dieser Größenordnung meiner Einschätzung nach ohne Personalabbau und den damit verbundenen Qualitätsverlust nicht mehr kostendeckend zu führen. Das bedeutet, dass der Kreis auch künftig finanzielle Unterstützung leisten muss. In welcher Höhe konkret, das kann ich noch nicht sagen.

Kurz zur Kinderstation: Fünf Betten, 30 Betten, gar keine Betten, Notfallversorgung – was darf’s denn nun sein?

Huber: Wir brauchen am Haus eine kinderärztliche Notfallversorgung.

Sechs, sieben Monate als Nothelfer an der Spitze der Klinik. Bleibt es dabei oder ist es vorstellbar, dass Sie die Klinik längere Zeit führen?

Huber: Ich bin 2010 gegangen, weil ich mir diesen Mist, der auf gesundheitspolitischer Ebene passiert, nicht länger antun wollte. Das gesundheitspolitische Umfeld hat sich eher noch verschlechtert, aber ich bin wieder eingestiegen, weil ich glaube, dass ich helfen kann. Ich habe die negativen Entwicklungen an der Klinik mitverfolgt – und da ist es mir gar nicht gut gegangen. Es stehen jetzt Dinge an, die das Haus in seinen Grundfesten erschüttern könnten, wenn man nicht die richtigen Weichenstellungen macht. Ich fühle mich dazu in der Lage – aber nicht binnen sechs Monaten. Es wäre zwar mein Wunsch, dann wieder gehen zu können, das wird aber nicht möglich sein, denn ich möchte die Klinik so hinterlassen, dass es wieder passt. Wir werden den Geschäftsführerposten jetzt ausschreiben und uns dabei professionell begleiten lassen. Vielleicht schaffen wir es, schon in vier Monaten einen guten Mann zu finden, den ich noch eine Zeit lang begleiten könnte. Ein anderer Weg wäre, dass ich mich nach der Zeit als Geschäftsführer für den Aufsichtsrat anbiete. Das wäre vor dem Hintergrund, dass der ein oder andere vielleicht glaubt, nach einem halben Jahr hätte sich das mit dem Huber, der jetzt recht anschiebt, erledigt, wahrscheinlich kein schlechter Gedanke.