Hilpoltstein
Verständliche Informationen statt Politikerlatein

Regens Wagner, Auhof und Lebenshilfe bringen Bundestagskandidaten und Menschen mit Behinderung zusammen

06.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:32 Uhr

Werben fürs Wählen und die Veranstaltung in der Residenz: Andrea Hofbeck, Meike Scholler, Katharina Billmeyer, Franziska van Geldern, Julia Stiehler und Ulla Dietzel (von links). - Foto: Messingschlager

Hilpoltstein (HK) "Wählt einfach!" heißt der Aufruf des Hilpoltsteiner Teilhabekreises. Und das im doppelten Sinne: Ohne viel Umschweife zum Wählen gehen, aber auch, dass das ganze Wahlprozedere so einfach wie möglich sein soll - damit es jeder versteht und dann auch seine Kreuzchen macht.

Dazu haben die Bewohner und Mitarbeiter von Regens Wagner Zell, aus dem Auhof und von der Lebenshilfe eine Veranstaltung in der Hilpoltsteiner Residenz auf die Beine gestellt. Am Sonntag, 10. September, treffen sich dort von 14 bis 17 Uhr Menschen mit und ohne Behinderung mit Parteien und ihren Direktkandidaten, um über die Wahl zu diskutieren - und zwar nicht im Politikerlatein, sondern in leicht verständlicher Sprache.

Initiator ist der Teilhabekreis, den es seit gut zehn Jahren gibt. Ursprünglich ein Arbeitskreis von Regens Wagner Zell und den Rummelsbergern (Auhof), in den sich nun auch "die Lebenshilfe eingeklinkt hat", so deren Vorsitzende Andrea Hofbeck. Vornehmlich geht es darum, dass Bewohner der Einrichtungen und Außenwohngruppen am öffentlichen Leben teilhaben können. Unterstützt wird der Arbeitskreis auch von der Kommunalpolitik, zum einen sitzt Andrea Hofbeck selbst im Stadtrat, zum anderen ist auch Hilpoltsteins stellvertretende Bürgermeisterin Ulla Dietzel mit an Bord. "Mir ist das Thema Inklusion einfach wichtig", sagt sie.

Da in den Sitzungen des Teilhabekreises immer nach möglichen Aktionen im Zusammenhang mit Inklusion gesucht wird, sei die Wahl in den Fokus gerückt, so Dietzel. Wobei es politische Veranstaltungen zur Wahl in den Einrichtungen schon seit längerem gibt, "aber dieses Mal wollten wir es nicht im geschützten Raum machen, sondern im öffentlichen". Es solle ein Treffpunkt sein, um sich auszutauschen. Diskussionen sollten stattfinden zwischen Menschen mit Behinderung und Politikern, mit Menschen ohne Behinderung und untereinander. Da es eine Veranstaltung ist, die von Menschen mit Behinderung ausgeht und bei der andere teilhaben können, spricht Dietzel von "umgekehrter Inklusion".

Der Aufruf "Wählt einfach!" richtet sich allerdings an alle. Ausgangspunkt war hier laut Dietzel der Brexit. Viele seien nicht zur Wahl gegangen, weil sie gedacht hätten, es passiert nichts. "Das Wahlrecht ist ein Privileg, das größte Gut der Demokratie, das sollten wir schätzen." Diesen Gedanken wolle man wieder in den Fokus rücken. "Wir wollen der Wahlmüdigkeit den Wind aus den Segeln nehme", sagt Franziska van Geldern vom lokalen Teilhabekreis bei Regens Wagner Zell. "Einfach machen!"

Aber dazu soll es auch einfach und verständlich sein. Weshalb es bei der Veranstaltung viele Materialien zur Wahl in leicht verständlicher Sprache geben wird. Auch an den Ständen der sechs Parteien - CSU, SPD, FDP, FW, Linke und Grüne - wird es entsprechende Broschüren geben. Die Stände werden entlang der Platanen im Residenzhof aufgebaut sein. "Unsere Straße der Demokratie", sagt Ulla Dietzel.

Neben Gesprächen, Austausch und Diskussionen, die an diesem Sonntag zwanglos entstehen sollen, gibt es auch drei vorher festgelegte Runden. Dazu haben Auhof, Regens Wagner und Lebenshilfe jeweils eine Frage/Thema, die zuvor in den Bewohnerbeiräten erarbeitet wurde, formuliert und sie bereits im Vorfeld den Parteien geschickt. Bei der Veranstaltung hat dann jede Partei je eine Minute Zeit, die Fragen zu beantworten, daran anschließend wird es eine 15-minütige Diskussions-, Austausch- und Dialogrunde geben. Die Beiträge werden natürlich alle von zwei - unabhängigen - Gebärdendolmetschern übersetzt. Zudem können die Zuhörer einschreiten, wenn sie etwas nicht verstanden haben, und die vorher ausgeteilte rote Karte zeigen. Wer mit den Antworten zufrieden ist, kann dies auch kundtun und eine grüne Karte hochhalten.

Es sind im Übrigen rund 50 Auhofbewohner, die am 24. wählen dürfen und noch einige mehr - da es keine gesicherten Zahlen gibt - von Regens Wagner. In beiden Einrichtungen gibt es auch Arbeitskreise, in denen sich die Bewohner politisch engagieren. Abgestimmt wird zumeist per Briefwahl, wobei dazu richtige Wahlkabinen aufgestellt werden.

Fast ein halbes Jahr hat die Vorbereitung der Veranstaltung gedauert, für die man sich nun große Resonanz wünscht. Da gleichzeitig der Tag des offenen Denkmals, eine E-Mobil-Ausstellung in der Residenz und der Hilpoltsteiner Michaelimarkt stattfinden werden, ist dies durchaus möglich. Eintritt wird natürlich keiner verlangt. Da trotzdem Kosten entstehen - beispielsweise für die Dolmetscher - werden kräftig Kuchen für ein großes Büfett gebacken: in den Einrichtungen und bei den Parteien. Dazu gibt es alkoholfreie Cocktails. Sollte etwas übrig bleiben, werde das einem guten Zweck zukommen, versichert Ulla Dietzel, die sich nun nur noch wünscht, "dass ganz viele kommen, vom Hochbetagten bis zum Erstwähler. Dann wird es ein Erfolg." Und es wird die Veranstaltung höchstwahrscheinlich dann zu jeder Wahl geben.