Verspielte Möbel-Objekte

08.05.2009 | Stand 03.12.2020, 4:58 Uhr

Multiple Möbel: Mit einem Handgriff lässt sich der Charakter des Heidenreich-Stuhls verändern.

Pfaffenhofen (DK) Die Stühle und der Wohnzimmertisch sind Möbel mit Spezialeffekten. Schnell geht der Künstler Walter Heidenreich zu seinem Stuhl und hebt die Sitzplatte ab, dreht sie um und legt sie wieder auf. Aus dem gelb-weiß-roten Designstück ist plötzlich ein blau-rot-weiß-gelbes Möbel geworden. Sehr praktisch ist auch die Verwandlungsfähigkeit des Tischs: An den Seiten und oben lassen sich Platten abnehmen oder wegschieben, um lästige Gebrauchsgegenstände zu verwahren – etwa Fernbedienungen oder die Fernsehzeitschrift.

Wichtig ist Heidenreich aber besonders die Möglichkeit, die Möbelstücke farblich ihrer Umgebung anzupassen. "So gibt es nie mehr Probleme mit der Abstimmung des Tischdekors", sagt Heidenreich schmunzelnd. Seine Idee hat er jetzt zum Patent angemeldet. Nun will er versuchen, für die Möbel einen renommierten Hersteller zu finden.

Als Designer hat der 62-jährige Künstler schon einmal einen Treffer gelandet. Vor neun Jahren gestaltete er für die Ritzenhoff-Kollektion "Smoking Light" zwei kleine, ungewöhnlich geschmackvolle Aschenbecher sowie ein Champagner-Glas, das sich immerhin 70 000 Mal verkaufte.

Den Möbelstücken sieht man die stilistische Herkunft Heidenreichs an: Geometrische Formen, Quadrate, gleichschenklige Dreiecke, Rechtecke bestimmen mit leuchtenden Grundfarben die glänzenden Wohnzimmer-Utensilien. Sie strahlen eine fröhlich-strenge Stilreinheit aus, sind eher Sitzskulpturen als bloße Gebrauchsgegenstände. Man merkt sofort: So sensibel, so fantasievoll kann nur ein konkreter Künstler mit Formen und Farben umgehen. In der Tat: Heidenreich hat weit mehr Kunstwerke, meistens Pastell-Arbeiten, produziert als Designstücke oder Möbel. Das allerdings macht den Reiz des Tischs und der Stühle aus: Sie sind auch Objektkunst.

Kunst produziert hat Heidenreich, der vor etwa 30 Jahren das Anzeigenblatt "Bayerisches Taferl" gründete und heute noch dessen Geschäftsführer ist, eigentlich, so lange er sich erinnern kann. In den 70er Jahren, als er noch als Werbegrafiker arbeitete, malte er vorwiegend Landschaften. In den 80er Jahren änderte er seinen Stil dann fundamental. Als er sich 1986 ausführlich für eine Ausstellung mit dem Thema Kreuz auseinandersetzte, wurde er zum konkreten Künstler. "Das Thema hat mich einfach nicht mehr losgelassen", erzählt er heute. "Obwohl es viel aufwendiger und zeitraubender ist, ein konkretes Kunstwerk zu gestalten als ein Landschaftsbild." Aber für ihn ist die Beschäftigung mit der reinen Form und der reinen Farbe auch etwas sehr Spielerisches. "Es muss nicht immer alles so ernst sein", sagt er. Tatsächlich zeichnet Heidenreichs Bilder eine muntere Originalität aus. Das sind Werke, die nicht nur Formstrenge ausstrahlen, sondern auch sinnliche, fast unterhaltsame Freundlichkeit. Heidenreichs Werke wurde inzwischen mit Erfolg in zahlreichen Ausstellungen präsentiert, oft verkauft, etwa an die Sparkasse Pfaffenhofen, die mit einer Bilderserie eine gesamte Etage schmückt.

Besonders stolz ist Heidenreich aber, dass einige seiner Bilder, die Serie "Mikadostäbchen", auch ins renommierte Ingolstädter Museum für Konkrete Kunst aufgenommen wurden.