Ingolstadt?
Verschollen!

700 verschwundene Briefwahlunterlagen in Ingolstadt für ungültig erklärt worden - und einige in Manching

11.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:37 Uhr
Endspurt: Bis heute um 15 Uhr können Briefwahlunterlagen im Rathaus abgeholt werden. −Foto: Eberl

Ingolstadt/Manching (DK) Die Geschichte um die verschwundenen Briefwahlunterlagen wird immer mysteriöser. Wie der städtische Rechtsreferent Dirk Müller gestern sagte, habe die Stadt bislang rund 700 entsprechende Anträge für ungültig erklärt und neu ausgestellt. Betroffen sei eine Lieferung. Die Stadt macht nach wie vor die Post für die Panne verantwortlich. Die wiederum hat nach ihrer eigenen Recherche bislang "keinerlei Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten".

Allerdings: Briefwähler in Ingolstadt sind offensichtlich nicht allein betroffen. Wie gestern bekannt wurde, haben auch in Manching einzelne Bürger ihre angeforderten Briefwahlunterlagen nicht erhalten. Wahlleiter Anderas Staudacher spricht hier allerdings von "Fällen im einstelligen Bereich". Allen Bürgern konnte mittlerweile geholfen werden: Nachdem sie eine eidesstattliche Erklärung über den Verlust abgegeben hatten, erhielten sie neue Wahlscheine.

In Ingolstadt war das Wahlamt auch gestern damit beschäftigt, eidesstattliche Erklärungen, die den Nichterhalt der Wahlunterlagen dokumentieren, entgegenzunehmen und den Wahlberechtigten - von insgesamt 90650 für die Landtagswahl haben bis gestern 23400 Briefwahlunterlagen angefordert - ihre gültigen Unterlagen auszuhändigen. Bis zum heutigen Freitag, 15 Uhr, können Briefwahlunterlagen abgeholt werden. Wer bereits angeforderte Unterlagen nicht erhalten hat, kann sich noch bis Samstag, 12 Uhr, mittels eidesstattlicher Versicherung neue holen. Für alle gilt: Bis Sonntag, 18 Uhr, müssen sie im Wahlamt eingegangen sein (geleert wird nur der Briefkasten am Neuen Rathaus).

Man könne den Zeitraum für das Verschwinden eingrenzen, sagten Rechtsreferent Dirk Müller und Stadtsprecher Michael Klarner gestern dem DK. Betroffen sei eine Postlieferung. Etwa 700 Wahlunterlagen seien für ungültig erklärt worden, bei weiteren 600, die im selben Postausgang waren, habe die Stadt die Bestätigung, dass die Bürger die Unterlagen erhalten haben.

Die Stadt macht für die Misere die Post verantwortlich. Zumal es, wie Müller sagt, im besagten Zeitraum hier "einen großen logistischen Umbruch" gegeben habe. Laut Postsprecher Klaus-Dieter Nawrath hat das Verschwinden der Wahlunterlagen aber nichts mit besagter Umstrukturierung zu tun. Die Post forsche seit Bekanntwerden des Vorfalles an der Ursache. Die Briefe gehen ans Briefzentrum Freising, werden dort sortiert und dann auf die einzelnen Empfänger verteilt, erklärt Nawrath das Prozedere. "Wir haben keinen Anhaltspunkt, dass bei uns etwas schief gelaufen ist." Wenn Wahlunterlagen nicht ankämen, müsse das nicht zwingend an der Post liegen. Allerdings könne er einen Fehler "auch nicht ausschließen".

Doch wie ist eigentlich die rechtliche Lage? Was, wenn sich Wahlberechtigte, deren Unterlagen nicht angekommen sind, nicht melden und ihre Stimme damit verloren geht? Kann man die Wahl in einem solchen Fall anfechten? Der städtische Rechtsreferent meint, dies würde nicht greifen. Weil das Verhältnis der gültigen Stimmen zu den möglicherweise verlorenen "verschwindend klein" sei und "keinen entscheidenden Einfluss auf das Wahlergebnis" habe. Der stellvertretende Landeswahlleiter des Freistaates Bayern, Werner Kreuzholz, verweist nach unsere Anfrage aufs Landeswahlgesetz: "Artikel 53 LWG räumt jedem Stimmberechtigten die Möglichkeit ein, binnen eines Monats nach Bekanntmachung des Wahlergebnisses die Wahl zu beanstanden. Dabei hat er konkrete Tatsachen vorzubringen, aus denen sich nach seiner Auffassung ergibt, dass das Wahlverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist und dass sie zu einer Änderung des Wahlergebnisses führen können. Die Prüfung obliegt dem Landtag (Art. 51 LWG). Hierbei ist entscheidend, ob ein möglicherweise festgestellter Wahlfehler Einfluss auf das Wahlergebnis, insbesondere auf die Verteilung der Mandate, hatte."

Fakt ist: Egal, wer dafür verantwortlich ist, dem Vertrauen der Wähler ins städtische Wahlamt ist die Misere um die Briefwahlunterlagen alles andere als förderlich. "Die haben überhaupt keinen Überblick mehr, wer Wahlunterlagen hat und wer nicht", mutmaßt Karin Kopp. Die Ingolstädterin vermutet den Fehler nicht zuletzt im Computersystem der Stadt. Ihr Mann hatte die Briefwahlunterlagen per QR-Code angefordert. Ein paar Tage später hatte der Mann die Wahlunterlagen bekommen, seine Frau allerdings nicht. Mehrere Anfragen des Paares bei der Stadt und - wie sich im Nachhinein herausstellte - offenbar einige telefonische Fehlinformationen hatten in diesem Fall zu einem riesigen Kuddelmuddel geführt, das darin gipfelte, dass der Mann, der seine Wahlunterlagen ja schon hatte, sie beinahe noch einmal zugeschickt bekommen hätte, wie er erzählt. "Der Computer hat nicht erkannt, was schon versendet ist", schließt der Ingolstädter daraus.

Tatsächlich habe das über einen externen Dienstleister deutschlandweit betriebene System, mit dem über QR-Code Briefwahlunterlagen angefordert werden können, in diesem Fall nur den Antrag des Ehemannes, nicht den der Ehefrau erkannt, erklärte Stadtsprecher Klarner nach umfangreicher Recherche. Warum, könne er nicht sagen. Über 5000 Briefwahlunterlagen seien mittels QR-Code angefordert worden. Das System habe sonst eigentlich immer funktioniert.

 

Ruth Stückle