München
"Verschiebung der Märkte"

Konzern ProSiebenSat1 will lokale Werbespots senden – jetzt diskutierte der Landtag erstmals darüber

05.06.2013 | Stand 03.12.2020, 0:04 Uhr

München (DK) Angriff auf den regionalen Werbemarkt: Der Fernsehkonzern ProSiebenSat1 will künftig in den Werbepausen seine Kabelübertragung trennen, um in den verschiedenen deutschen Regionen zusätzliche lokale Werbung zu senden. Kritiker sehen dadurch die Medienvielfalt bedroht.

Die Abgeordneten des bayerischen Landtags haben jetzt erstmals in der Plenarsitzung in München über das Thema gesprochen – und einen Antrag der SPD-Fraktion gegen das Eindringen nationaler Konzerne in den regionalen Anzeigenmarkt mit 80 zu 66 Stimmen abgelehnt.

Bisher gibt es keine gesetzliche Regelung im Landesmediengesetz, weil regionale Werbung bei nationalen Sendern gerade erst technisch möglich geworden ist. Das Problem: Die zusätzliche Konkurrenz bedroht die Anzeigenerlöse der regionalen Radio- und TV-Sender sowie die Printmedien. „Wir wollen nicht, dass die großen Konzerne den Kleinen das Wasser abgraben“, sagte der SPD-Abgeordnete Christoph Rabenstein, der auch im Ausschuss für Hochschule, Forschung und Kultur sitzt und als Medienrat bei der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) arbeitet. Viele regionale Rundfunksender oder Zeitungen hätten ohnehin schon zu kämpfen. Würden nun regionale Möbelhäuser oder Supermarktketten bei den großen Fernsehsendern werben, führe die neue Konkurrenz zu einer Verschiebung der Märkte, „und das wollen wir nicht“. Laut einer Untersuchung der BLM müssten alleine die bundesweiten Zeitungsverlage mit Einbußen von bis zu 115 Millionen Euro rechnen.

Die SPD-Fraktion stellte deshalb einen Antrag, in dem sie den Landtag unter anderem aufforderte, generell die regionale Verbreitung von Werbung in reichweitenstarken nationalen Programmen zu verbieten. Diesen lehnten die CSU und die FDP-Fraktion am Dienstag jedoch ab. Eberhard Sinner (CSU) bezeichnete das Ansinnen der SPD als einen „Schaufensterantrag“ und erklärte: „Sie fallen den Kollegen im Medienrat in den Rücken.“

Dem widersprach Ulrike Gote (Die Grünen), die selbst Medienrätin ist. Die Sache sei einfach zu wichtig: „Die zusätzlichen Werbeeinnahmen der Konzerne werden an anderer Stelle fehlen“, sagte sie. „Wir wollen keine regionale Presse, die von Subventionen des Staats abhängig ist.“ Nur diejenigen, die Inhalte generierten, sollten auch die Möglichkeit haben, sich auf demselben Markt mit Werbung zu refinanzieren. Anders als Sinner wolle sie nicht warten, bis das Berliner Verwaltungsgericht über eine Klage des Konzerns ProSiebenSat1 entscheidet. Dabei geht es um die Frage, ob die Kommission für Zulassung und Aufsicht über die Sache entscheiden muss. Der Fernsehkonzern klagte gegen die Entscheidung der Kommission, dass dies die Landesmedienanstalten beschließen sollen. Dennoch wandte sich der Fernsehkonzern dann doch an die Landesmedienanstalten.

„Seit wann greifen wir Gerichtsentscheidungen vor“, fragte Julia Sandt (FDP) und schlug vor, später „in Ruhe über gesetzliche Regelungen nachzudenken“. Dabei solle man die Marktchancen der kleinen und der großen Unternehmen berücksichtigen. Der Medienminister und Staatskanzleichef Thomas Kreuzer (CSU) begründete seine Ablehnung des SPD-Antrags anders: „In der Zielsetzung sind wir uns einig“, sagte er der Opposition. Der Antrag sei jedoch vor der Entscheidung der BLM „nicht hilfreich“. Im Medienrat seien die CSU-Abgeordneten durchaus gegen das Eindringen der großen nationalen Konzerne in den regionalen Werbemarkt. Das bestätigte auch Rabenstein gegenüber unserer Zeitung.

Allerdings stimmt den Medienrat etwas anderes nachdenklich. Rabenstein sieht die Gefahr, dass der Entscheidungsprozess in eine Richtung gelenkt werden könnte. Der Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) arbeitet nämlich mittlerweile als Berater von ProSiebenSat1 und der Vorsitzende der BLM ist sein ehemaliger Staatskanzleichef Siegfried Schneider.

Ob die neue Art der Werbung für nationale Fernsehkonzerne zulässig ist, entscheiden die 47 Medienräte der BLM laut Pressesprecher Wolfgang Flieger frühestens in der nächsten nicht öffentlichen Sitzung am 11. Juli. Da ProSiebenSat1 zunächst plant, regionale Werbung im Vertriebsgebiet Sachsen, Thüringen und Bayern auszustrahlen, tauschen sich diese Medienanstalten derzeit untereinander aus. Für Sachsen und Thüringen gilt laut Flieger: „Die beiden tendieren deutlich dazu, das Werbesplitting abzulehnen.“ Kommentar Seite 2