Ingolstadt
Verrückte Nikoläuse

Seit 1980 gibt es das Donauschwimmen im Winter – Dieses Mal springt eine DK-Volontärin mit ins Wasser

04.12.2011 | Stand 03.12.2020, 2:05 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Jedes Jahr treffen sich die Mitglieder der Ingolstädter Tauchvereine zum Nikolausschwimmen in der Donau. Unsere DK-Volontärin wollte herausfinden, was die Faszination dabei ausmacht und stürzte sich mit in die Fluten.

Für mich sind das lauter Verrückte, die im Dezember in die Donau steigen – nie im Leben käme ich auf die Idee, selbst bei so einem Wahnsinn mitzumachen. Dementsprechend schockiert bin ich, als ich zum ersten Mal höre, dass ich mitschwimmen und darüber eine Reportage schreiben soll.

Doch nachdem ich mit einigen Tauchern, unter anderem dem Organisator Charly Wöhrl, geredet habe, werde ich neugierig. Charly ist es auch, der mir meine Tauchausrüstung besorgt. In meiner Vorstellung steige ich in einem engen Tauchanzug ins Wasser, der dann ganz glitschig wird. Ich bin erstaunt, als ich im Tauchladen einen sogenannten „Trockenanzug“ ausleihe. Wie der Name schon sagt, bleibe ich darin vollständig trocken. „Da können Sie einen dicken Winterpulli drunter ziehen, dann bleiben Sie ganz warm,“ erklärt mir die Verkäuferin. Das klingt doch schon mal ganz gut.

Am Sonntagnachmittag wird es dann ernst. Die Taucher treffen sich am Hallenbad. Ich erscheine in voller Montur und stelle fest: Ich bin nicht der einzige Neuling! Der 17-jährige Max Wöhrl und der 35-jährige Christian Reichart sind auch das erste Mal dabei. Max wurde von seinem Vater überredet, der schon lange ein Nikolausschwimmer ist. Christian betreibt ein Lokal, bei dem sich der Stammtisch der Taucher trifft. Die Geschichten der anderen machten ihn neugierig und er beschloss, es selbst auszuprobieren. Jetzt schauen sie zweifelnd drein – ihr Blick spiegelt genau meine Gefühle wider.

Zu Fuß gehen wir zum alten Pegelhaus am Donauufer. Ich laufe neben Verena Biermeier (25), die zum zweiten Mal dabei ist. „Das erste Mal hab ich echt Angst gehabt. Aber es ist halb so wild,“ beruhigt sie mich. Sie ist eine der wenigen Frauen hier. Der Großteil der Wahnsinnigen sind Männer. Am alten Pegelhaus gibt es noch eine Runde Punsch, danach geht es ab ins Wasser. Besorgte Männer helfen mir, meine Flossen richtige anzuziehen. Damit watschle ich die Treppen zum Einstieg hinab, in der einen Hand eine Fackel. Meine Tauchmaske schnürt sich um meinen Hals und quetscht mein Gesicht heraus. Schließlich komme ich zur letzten Stufe. Noch mal tief Luft holen, dann bin ich im Wasser. Mein Anzug plustert sich auf und ich sehe aus wie ein Michelin-Männchen. Ein Taucher dreht an meinem Ventil, damit ein bisschen Luft entweicht. „Du musst leicht in die Hocke gehen und dich auf den Rücken drehen,“ werde ich von Charly angewiesen. Dann schwimmen wir los. Ich bin überrascht, dass mir kaum kalt ist. Der Anzug und das Adrenalin halten mich warm. Ganz im Gegensatz zu den fünf superharten Nikolausschwimmern – sie tragen Nassanzüge. Hierbei läuft Wasser in den Anzug hinein, das sich erwärmt und isolierend gegen das kalte Wasser wirkt. Aber bis es erst einmal warm ist, muss der Träger ordentlich leiden. Ich bin ziemlich froh, dass dieser Kelch an mir vorübergegangen ist.

Anfangs strample ich wie verrückt und frage mich, wie ich das durchhalten soll. Aber mit der Zeit entwickle ich die richtige Technik und es fängt an, Spaß zu machen. Wir schwimmen unter eine Brücke hindurch. Oben stehen Menschen und winken. „Absurd ist das Ganze ja schon,“ denke ich und muss lachen. Über 20 Menschen mit roten Nikolausmützen oder Rentiergeweihen auf dem Kopf und Fackeln in der Hand in der Donau. Angeführt werden wir von einem aufgeblasenen Nikolaus, den eine Wasserratte mit sich zieht.

Beim Ausstieg bekomme ich noch mal ein wenig Angst. Hier sind große Steinbrocken. Ich muss aufpassen, dass ich mich nicht daran verletze. Doch auch hier unterstützen mich alle: Sie ziehen mir die Flossen aus und helfen mir raus. Ich betrete das Ufer und kann es immer noch nicht fassen. Ich bin im Dezember in tiefster Dunkelheit in der Donau geschwommen. Jetzt gehöre ich offiziell zu den Verrückten.