Ingolstadt
Verputzte Stadtgeschichte

Führung durch das Georgianum - Aufsichtsräte der INKo Bau begutachten historische Wandgemälde

18.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:27 Uhr
  −Foto: Eberl (2) / Hauser (Archiv)

Ingolstadt (DK) Der Aufsichtsrat der städtischen INKo Bau GmbH hat am Montag das Georgianum besucht.

Denkmalschützer erklärten dabei die Bedeutung der Wandmalereien, die unter anderem in der ehemaligen Kapelle unter einer Putzschicht zum Vorschein gekommen sind und weit in der wechselvollen Geschichte des Gebäudes zurückreichen. Die Aufgabe für die Zukunft wird sein, sie zu erhalten, wenn das Gebäude nach der Sanierung unter anderem als Veranstaltungsort genutzt werden soll.

Es gehört einiges an Phantasie dazu, sich auszumalen, wie die einstige Kapelle ausgesehen hat, die Herzog Georg der Reiche vor mehr als 500 Jahren als Teil der Stipendienstiftung der ersten Landesuniversität errichten ließ. Zu viel ist seitdem passiert: Eine Decke wurde in den hohen, bunt ausgemalten Kirchenraum eingezogen und die Kapelle in zwei Geschosse unterteilt. Anfang des 19. Jahrhunderts - die Universitätsgechichte Ingolstadts war zu Ende - zog hier eine Brauerei ein, Lagerräume und eine Darre wurden eingerichtet. Ab den 1970er- Jahren bis 1999 bot hier Gummi-Kraus seine Waren an.

Bei der Exkusion der Inko Bau am Montag betonte Architekt und Denkmalpflegeexperte Hans-Heinrich Häffner, dass man trotz der massiven Umbauten nicht von einer "Zerstörung" des historischen Gebäudes oder der Malereien sprechen sollte. Die Umnutzung im Laufe der Jahrhunderte sei stattdessen "im Grunde ein natürlicher Prozess". Auch die geplante Nutzung des Gebäudekomplexes für ein Ethikinstitut der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, eine Gastronomie in der Fasshalle und einen Veranstaltungsraum gehöre in diese Reihe. "Allerdings wollen wir anders als unsere Vorgänger wissen, was noch vom ursprünglichen Bestand da ist und wir wollen ihn so gut wie möglich erhalten", erklärte er am Rande der Führung im Gespräch mit dem DONAUKURIER.

Und tatsächlich gibt es noch einiges aus früherer Zeit im Georgianum zu entdecken. So befand sich über der einstigen Kapelle eine Bibliothek, deren Holzdecke aus Balken und Brettern noch heute zu sehen ist. An etlichen Stellen legt abbröckelnder Putz historische Wandmalereien frei. Besonders interessant sind die Gemälde aus der einstigen Kapelle, die unter den Putz- und Zementschichten späterer Jahrhunderte zu Tage treten. Zumindest teilweise. An vielen Stellen sind sie zerstört, etwa da, wo offenbar zu Zeiten der Brauerei Getreide durch eine Öffnung in der Decke in den Keller geschüttet wurde. Die Körner rieselten die Wand entlang und rieben das Gemälde ab. "Wie ein Radiergummi", sagt Häffner.

An anderen Stellen haben die Restauratoren unter dem Zementputz Reste der Kapellenbemalung freigelegt. Ein Schuh ist zu erkennen, ein Bein in einer gestreiften Hose, ein Heiligenschein. "Die Kapelle war wohl figürlich mit bunten Heiligenszenen ausgemalt", vermutet Häffner. An den Fragmenten sei bereits erkennbar, von welch "herausragender Qualität" die Malereien seien. Dazu käme die "immense Bedeutung für die Ingolstädter Stadtgeschichte".

Um zu sehen, wie viel von den Malereien tatsächlich erhalten ist, muss der Putz abgetragen werden. Und das wird wohl ohnehin nötig werden, erklärten Häffner und Marc Jumpers vom Landesamt für Denkmalpflege beim Ortstermin. Denn durch die Nutzung als Veranstaltungsort wird sich das Raumklima ändern. "Es wird tendenziell trockener und etwas wärmer", sagt Häffner. "Das wird dazu führen, dass die Feuchtigkeit in den Wänden an die Oberfläche wandert. " Zwischen der historischen Wand und dem Zement würden dann Salzkristalle entstehen, die die Wandmalereien zerstören.

Erst wenn klar ist, wie viel von der Malerei noch erhalten ist, kann man sich der Frage zuwenden, wie damit umzugehen ist. Die Experten gehen davon aus, dass die Gemälde größtenteils zerstört sind. "Man muss sich von der Vorstellung verabschieden, dass wir hier eines Tages wieder eine voll ausgemalte Kapelle haben", machte Jumpers klar. Es könne auch sinnvoll sein, die freigelegten Bilder zu dokumentieren und dann zum Schutz wieder abzudecken. "Oder man zeigt exemplarisch einige Stellen", so Häffner. "Bevor das entscheiden werden kann, müssen wir aber zunächst wissen, was wir hier überhaupt haben. " Im Georgianum geht es jetzt ans vorsichtige Putz-Abklopfen.

 

DAS SAGT DER ARCHITEKT UND DENKMALEXPERTE

Herr Häffner, Sie haben mehrfach betont, dass das Georgianum   über die Grenzen Ingolstadts und Bayerns hinaus bedeutend ist. Worin liegt diese Bedeutung?
Hans-Heinrich Häffner: Wie viele Universitätsgebäude aus der Spätgotik gibt es denn noch? Wie viele Bibliotheksräume aus dieser Zeit sind in Deutschland noch erhalten? Da werden sie nicht viele finden.  Deswegen ist das Georgianum tatsächlich ein ganz besonderes Gebäude. Ich bin auch noch gespannt, was im Kollegiengebäude zum Vorschein kommt. Wie es ursprünglich genutzt wurde, wie es aufgeteilt war und welche Räume es da gab. Da wird noch viel rauskommen. Am Ende ist dann natürlich die Gesamtschau das Interessante. Das Ziel muss sein, dass es am Ende ein Buch über das Georgianum gibt, in dem die verschiedenen Phasen bildnerisch, zeichnerisch und in 3D-Rekonstruktionen dargestellt werden. 

Was sind jetzt die nächsten Schritte?
Häffner: Wir sind gerade dabei, eine Eingabeplanung zu machen, also eine Baugenehmigung zu erreichen. Das ist gerade das große Thema, damit wir mit der Baustelle beginnen können. Und das andere ist, dass wir in der Kapelle und der Bibliothek eine komplette Erfassung des Malereibestandes machen, damit wir wirklich mal wissen: Wie viel ist es denn? Vieles liegt ja noch im Verborgenen. Das ist unser Ziel in den nächsten Monaten. 

Und dann kann es an die Frage der Finanzierung und möglicher Förderungen gehen.
Häffner: Genau.  Wir sind gerade dabei, Kosten zu ermitteln und auch schon recht weit damit. Bei den „normalen“ Teilen wissen wir das schon, aber es gibt Bereiche, die sind noch offen. Wie eben die  Oberflächen in der ehemaligen Kapelle und der Bibliothek. Da wollen wir noch mehr wissen und verstehen. Dann können wir auch sagen, was es kosten wird

Johannes Hauser