Barcelona
Vernetzt durch die Stadt der Zukunft

24.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:30 Uhr

Achtung, Aufnahme: Das chinesische Staatsfernsehen holte Audi-Chef Rupert Stadler nach der Vorstellung der Pilotprojekte in Barcelona vor die Kamera. - Foto: Fehr

Barcelona (DK) Den Audi-Vorstandsvorsitzenden und den Generalsekretär des Internationalen Verbandes für öffentliches Verkehrswesen auf ein Podium zu setzen verspricht eine kontroverse Diskussion. So geschehen vor einigen Tagen bei der Mobilitäts- und Zukunftsmesse Smart-Expo in Barcelona. Alain Flausch ist überzeugt davon, dass der öffentliche Verkehr das Rückgrat sein muss für vielfältige Mobilitätskonzepte: Carsharing, Rad fahren, zu Fuß gehen. „Das sind alles umweltschonende Fortbewegungsarten. Zusammen mit dem ÖPV können sie das Auto ersetzen“, so Flausch.

Audi-Chef Rupert Stadler setzt auf Technologie und vernetzten Individualverkehr. „Intelligentere Verkehrsführung, Ampeln, die mit den Autos kommunizieren und so für weniger Staus sorgen – Autofahrer müssen schneller und effektiver durch den Verkehr gelotst werden.“ Und auf Nachfrage und als zielführende Lösung auch auf Elektromobilität und auf flächendeckend „grüne, CO2-neutrale Mobilität“ und miteinander vernetzte Fahrzeuge. Flausch kontert: „Ein Stau mit grünen Autos ist immer noch ein Stau.“ Und schwärmt dann von Kopenhagen: „Fahrradverkehr: 40 Prozent. Autoverkehr: 25 Prozent.“ Außerdem sagt er schmunzelnd mit Verweis auf die ungesunde Lebensweise vieler US-Amerikaner: „Gehen ist gesund.“

Eines verbindet die beiden Männer auf dem Podium dennoch. Die Zahlen und Prognosen über die drängende Frage nach der Zukunft der Städte, in denen laut UN-Studie 2050 rund 75 Prozent der Menschen leben werden. Heute ist es bereits die Hälfte. Es geht um Luftverschmutzung, Staus und um Platznot auf der einen Seite und mehr Raum, Zeit und Lebensqualität auf der anderen Seite.

Audi engagiert sich seit fünf Jahren mit der groß angelegten Urban Future Initiative in der Frage über die Mobilität der Zukunft. Dreimal wurde bislang der mit 100 000 Euro dotierte Urban Future Award unter internationalen Architekten, Städteplanern, Datenexperten und 2014 unter disziplinären Teams aus Soziologen, Neurowissenschaftlern und Designern ausgelobt. Entstanden ist seit 2010 ein internationales Netzwerk, ein permanenter Thinktank, eine Ideenschmiede, ein Impulsgeber. Auch in das Unternehmen hinein. Der Autobauer weiß nur allzu gut, wenn Autos in Zukunft attraktiv bleiben sollen, „müssen wir unser klassisches Geschäftsmodell erweitern“, sagt Stadler. „Die Smart City, die intelligent vernetzte Stadt, braucht intelligente Mobilität. Wir dürfen nicht mehr länger als Teil des Problems wahrgenommen werden. Wir müssen ein Teil der Lösung werden.“

Man wolle von den Städten lernen, sagte Rupert Stadler in den ersten Jahren der Urban Future Initiative. Dann folgten der Wunsch und die dezidierte Forderung nach einem „Schulterschluss zwischen Politik, Kommunen, Projektentwicklern und der Industrie“. Und jetzt die Kooperationen. Der nächste Schritt. Die sogenannte „Urbane Agenda“. Wo sich Auto und Stadt vernetzen, entstehe für die Bürger ein Zugewinn an Raum, Zeit und Effizienz, ist Stadler überzeugt. „Gleichzeitig lassen sich innovative urbane Technologien, wie pilotiertes Parken oder Fahren, nicht losgelöst vom städtischen Kontext planen.“

Eine dieser Partnerschaften ist Somerville im Großraum Boston mit dem Union Square und dem Stadtteil Assembly Row, außerdem der Geschäftsbezirk Santa Fe in Mexiko-City. Aber auch in Deutschland gibt es Kooperationen. In Ingolstadt und Berlin sind Assistenzsysteme und Ampelsysteme im Einsatz. Und ab 2018 soll Deutschlands erste städtische Teststrecke für pilotiertes Fahren vom Autobahnanschluss Ingolstadt-Süd zum Innovationscampus von Audi auf dem früheren Bayernoil-Gelände entstehen.

Manchmal hapert es bei den Kooperationen zur digitalen Urbanität aber noch an den Grundlagen, identisch mit denen in der analogen Welt: Es gibt Verständigungsschwierigkeiten. „Wir haben bei vielen Treffen festgestellt, dass die Begrifflichkeiten der neuen Technologien und Entwicklungen für eine unkompliziertere und verständliche Kommunikation geklärt werden müssen“, sagt Lisa Füting von der Urban Future Initiative. Ein Arbeitskreis mit Wissenschaftlern aus Zürich und Hamburg sowie Experten aus Ingolstadt, München oder Düsseldorf und Mitarbeitern von Audi erarbeiten nun eine Art Handbuch, haben sich gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Normung eine Spezifikation zum Ziel gesetzt. Die Grundlage für den von Audi initiierten Standardisierungsprozess.

Bis dahin wird nun also die gemeinsame Sprache gesucht. Für die Zukunft der Städte, die vielerorts schon längst begonnen hat.