Vermittlungsinstanz

Von Johannes Greiner

24.01.2020 | Stand 02.12.2020, 12:07 Uhr

Man kann Angela Merkel vorwerfen, dass sie "im Herbst ihrer Kanzlerschaft", wie es immer heißt, die Innenpolitik samt großer Koalition links liegen lässt.

Auf dem internationalen Parkett aber ist die Kanzlerin wichtiger denn je. Keine Spur von Amtsmüdigkeit. Das weiß auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der sich beim Besuch der Kanzlerin in Istanbul am Freitag jede provokante Bemerkung verkniff. Stattdessen lobte er Deutschland als "Freund und Partner".

Erdogan ist aber auch in einer schwierigen Position. Er hat die Türkei zwar vom Westen abgenabelt und erfolgreich als Regionalmacht etabliert: Das türkische Militär ist in Nordsyrien einmarschiert, die Türkei leistet Militärhilfe in Libyen. Dabei zeigen sich allerdings auch die Grenzen der neuen Freundschaft mit Moskau. Denn Russland steht in beiden Konfliktherden auf der anderen Seite. Gleichzeitig leidet die türkische Wirtschaft. Und wie wirkungsvoll Erdogans Drohung mit den syrischen Flüchtlingen überhaupt noch ist, lässt sich schwer überblicken. Auf sich allein gestellt wäre die Regionalmacht Türkei überfordert. Wenn er nicht irgendwann zwischen allen Stühlen sitzen will, braucht Erdogan die EU und speziell Deutschland.

Eine Situation wie geschaffen für die wandelnde Vermittlungsinstanz Angela Merkel. Sie wird den autoritären Politikstil Erdogans nicht ändern können. Aber eine Kooperation bei den drängendsten Konfliktthemen rund um das Mittelmeer wäre ja auch schon ein Fortschritt.