Vermindert schuldfähig

14.09.2006 | Stand 03.12.2020, 7:32 Uhr

Nürnberg (HK) Wegen gefährlicher Körperverletzung ist am gestrigen Donnerstag der Allersberger Gerhard W. vom Landgericht Nürnberg-Fürth zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden.

"Ich bin kein potenzieller Mörder", sagte der 70-jährige Angeklagte. Er hatte gestanden, zwei volle Bierflaschen des ungeliebten erwachsenen Sohnes seiner Ex-Lebensgefährtin mit Quecksilber versetzt zu haben. Das Gericht sah darin im Gegensatz zum Staatsanwalt allerdings keinen Mordversuch.

Mit der Höhe des Strafmaßes zollte die Kammer um den Vorsitzenden Richter Peter Wörner indes beiden Seiten Tribut. Denn während am Ende seines Plädoyers Verteidiger Roger Bitsch eine zweijährige Haftstrafe für angemessen erachtete, forderte Staatsanwalt Peter Adelhardt fünf Jahre.

Bei der Verbüßung seiner Strafe wird Gerhard W. allerdings die 14-monatige Untersuchungshaft angerechnet, ebenso wie der Aufenthalt in einer Entziehungsanstalt, die ihm das Gericht aufgrund der hochgradigen Alkoholabhängigkeit bindend auferlegte. Die Richter sahen jene als entscheidenden Faktor für die Tat an. Bei guter Führung besteht jedoch die Möglichkeit, dass der Allersberger bereits nach 28 Monaten wieder auf freien Fuß kommt – allerdings nur bei abgeschlossener Entziehungstherapie. Denn das Schwurgericht befürchtet, dass Gerhard W. ähnliche Taten wie jene, für die er nun verurteilt wurde, auch künftig begehen könnte, wenn er es nicht schafft, dem Alkohol abzuschwören.

Der permanente Missbrauch habe beim Angeklagten bereits eine "gravierende Persönlichkeitsveränderung" bewirkt, so die Richter aufgrund eines Gutachtens. Der Gutachter konnte auch eine "erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit" zur Tatzeit nicht ausschließen. Einer der maßgeblichen Argumente, weswegen sich das Gericht schließlich nicht vom Tötungsvorsatz überzeugen ließ. Vielmehr glaubte man dem nun Verurteilten, dass dieser nur "körperliches Unwohlsein" bei seinem Opfer verursachen wollte. In der Tat ist sowohl beim Schlucken von Quecksilber als auch bei dessen Berührung mit den Mundschleimhäuten nichts Schlimmeres zu erwarten, wie ein Arzt bestätigte. Tödlich seien nur die Quecksilberdämpfe, die allerdings bereits bei Zimmertemperatur freigesetzt werden. Im vorliegenden Fall sei aber die Versetzung des Bieres eines Opfers mit Quecksilber nur ein "untauglicher Versuch" gewesen. Aber hat der Angeklagte das gewusst?

Gerhard W. habe über die Wirkung von verschlucktem Quecksilber nichts gewusst – so Staatsanwalt Adelhardt nach Auswertung der Aussagen vor Gericht. Auch die Erfahrungen des Angeklagten, der als Kind auf ein Fieberthermometer biss und daraufhin ausspuckte, deutete er negativ. Denn Gerhard W. habe ja genau deswegen nicht wissen können, welche Folgen Quecksilber nach dem Verschlucken habe. So habe der Rentner "den Tod seines Opfers billigend in Kauf genommen", so der Staatsanwalt, der zudem das Motiv der Rache gegeben sah. Schließlich sei dem Geschädigten das Grundstück samt Elternhaus des Verurteilten zugefallen.

"Keine zwingenden Indizien" für eine Verurteilung hingegen fand Rechtsanwalt Bitsch . Außerdem lägen die ehedem durchaus gewalttätigen Auseinandersetzungen von Täter und Opfer schon länger zurück. Bitsch machte zudem auf den dilettantischen Vollzug der Tat aufmerksam, was eben nicht auf vorsätzlichen Mord hinweise. Außerdem habe Gerhard W. an den Bierflaschen deutliche Fingerabdrücke hinterlassen, was die Behauptung der Anklage, er habe die Tat vertuschen wollen, ad absurdum führe.

Sichtlich gerührt entschuldige sich schließlich nach den Plädoyers der Angeklagte selbst bei der geschädigten Familie: "Ich bin kein potenzieller Mörder – ich bitte um Verzeihung."