Nürnberg
Verlorene Träume

Das Sozialdrama "Das blaue, blaue Meer" von Nis-Momme Stockmann im Gostner Hoftheater

30.01.2012 | Stand 03.12.2020, 1:53 Uhr

Für Darko (Sascha Grüb) gibt es kein Entkommen aus dem Plattenbau: Szene aus „Das blaue, blaue Meer“ - Foto: Hoftheater

Nürnberg (DK) Für sie gibt es Sterne nur im Märche, und das blaue, blaue Meer als Projektionsfläche ihrer sich wohl nie erfüllenden Hoffnungen und Sehnsüchte werden sie wohl nie zu Gesicht bekommen – die zwei in der Verlorenheit der tristen Plattenbausiedlung untergehenden, zugrunde gehenden Menschen. „Das blaue, blaue Meer“ nennt denn auch der derzeit landauf, landab gespielte, als „Nachwuchsdramatiker des Jahres 2010“ gekürte Nis-Momme Stockmann (Jahrgang 1981) sein trostloses Sozialdrama, das jetzt im Gostner Hoftheater Nürnberg, inszeniert von Ulf Goerke, auf die Bühne gestellt wurde.

Aus diesem von Suff und Sucht gezeichneten Sozialmilieu gibt es kein Entkommen für Motte, die Gelegenheits- und Beschaffungsprostituierte (Jennifer Sabel), und Darko, dessen Rolle die Regie auf zwei Schauspieler (Sacha Grüb und Thomas Witte) verteilt hat. Mit braunen Paketklebebändern ist die Bühne (Matthias Wulst) in überbordender Symbolik verschnürt und verklebt, eine Todeszelle im Wabenbau, aus dem nur der Sprung vom obersten Stockwerk erlöst.

Nur in ihren endlosen Monologen und Beschreibungen, zuweilen in verfremdender Sprachregie wie aufgesagt vorgetragen, geben sie die Hoffnung nicht auf, entdecken in den seltenen nüchternen Augenblicken sogar Gefühle, ja so etwas, was sie erstaunt als „Verliebtheit“ erkennen.

Und weil das Meer, das sie nie gesehen haben, für sie ein unerreichbares Ziel bleibt, wird ihnen der Zoo zur Utopie: Anrührend imitiert Motte die nächtlichen Geräusche, das Kreischen der Affen und die schrillen Schreie der exotischen Vögel. Im Playback wird der Soundtrack des Urwalds zur begleitenden Bühnenmusik (Felix Leuschner), rückt die Ferne so nah, dass sie mit den Ohren zu greifen ist. „Nur raus hier“ legen die Schauspieler in riesengroßen Lettern am Schluss als Motto auf den Bühnenboden aus – und spielen dann mit den Buchstaben Fußball, weil selbst der Exitus nur eine Vision ist. Viel Beifall für einen fantasievoll inszenierten, dabei ernüchternden Sozialrealismus mitten in Deutschland.

Weitere Vorstellungen: 1. bis 4., 8. bis 11., 15. bis 18. Februar. Karten unter Telefon (09 11) 26 15 10.