Ingolstadt
"Verkaufen liegt mir im Blut"

Erwin Hetke hat mit Produkten aus Korea ein kleines Kosmetik-Imperium in Ingolstadt aufgebaut

28.02.2019 | Stand 23.09.2023, 6:00 Uhr
Gemeinsam mit einer Mitarbeiterin kontrolliert Erwin Hetke die eingegangenen Waren im Lager. −Foto: Roch

Ingolstadt (DK) Der Ingolstädter Erwin Hetke hat als Erster in Europa die Vertriebslizenz für die Produkte von Missha, einer der bekanntesten Kosmetikmarken Koreas, erhalten. Seitdem verkauft Cremes, Seren, Masken und eine Vielzahl anderer Produkte. Mit Erfolg: Sein Unternehmen ist exponentiell gewachsen und arbeitet mit allen Größen der Kosmetikindustrie zusammen. Doch Hetke hat längst neue Visionen.

Die Geschichte von Erwin Hetkes unternehmerischem Erfolg beginnt mit einem kleinen Schuhkarton. Diesen hat er unter einem Tisch in seiner Zwei-Zimmer-Wohnung in Ingolstadt stehen, die er gemeinsam mit seiner Frau Xenia bewohnt. In diesem Karton liegen bunte Flakons voller duftender Flüssigkeiten. "Ich habe damals zu meiner Frau gesagt: ,Lass uns vor Weihnachten ein paar Parfüms kaufen und sehen, ob wir sie im Weihnachtsgeschäft mit Gewinn weiterverkaufen können.'" Hetke, der zu dieser Zeit hauptberuflich bei einem Ingenieurdienstleister in der Region tätig ist, setzt auf Parfüm, weil es genau seinen Verkaufskriterien entspricht: "Das Produkt muss klein sein und wenig wiegen, damit man nur eine geringe Lagerfläche braucht. Gleichzeitig sollte es aber ein möglichst teures Produkt sein, sodass man damit einen guten Gewinn erzielen kann." Mit einem schelmischen Grinsen fügt der heute 44-Jährige hinzu: "Am besten wären Diamanten."

Das Parfüm verkauft sich gut, aber bald schon hat Hetke ein neues Produkt im Auge. Seine Frau hat ihm von einer Gesichtscreme berichtet, welche die Haut pflegen und gleichzeitig Unreinheiten kaschieren soll. Es ist ein sogenannter Beauty Balm, abgekürzt BB Cream – ein Produkt, das zu diesem Zeitpunkt, im Jahr 2010, noch relativ unbekannt ist. Es wird jedoch sich innerhalb kürzester Zeit zu einem der beliebtesten Kosmetika für den heimischen Gebrauch entwickeln.

Xenia Hetke, die diese Creme gerne testen möchte, hat nur ein Problem: Das Produkt stammt aus Korea und ist alles andere als leicht erhältlich. Der Ingolstädter wittert eine Gelegenheit und bittet seine Frau, gleich ein Dutzend dieser Cremes zu bestellen. Zwei soll sie behalten, den Rest will er über seinen Ebay-Shop veräußern, auf dem er bisher die Parfüms angeboten hat. Der Riecher ist richtig. Innerhalb weniger Tage sind alle BB Creams verkauft. Hetke steigert die Zahlen, bestellt immer mehr der Produkte über Wiederverkäufer aus Korea.

Das Geschäft brummt, und schnell merkt das auch die Konkurrenz. Diese wird im Jahr 2011 so groß, dass Hetke einen neuen Plan braucht. Er will sich von der bestehenden Struktur lösen, die Produkte über einen Wiederverkäufer zu erstehen. Und fliegt stattdessen selbst nach Korea. "Ich habe einen Wirtschaftssprecher der Korean Trade Organisation (Anm. der Redaktion: eine Organisation, vergleichbar mit der deutschen Industrie-und Handelskammer) kontaktiert. Dieser hat mir Kontakt zu den Firmen verschafft und sogar einen Dolmetscher für den Besuch zur Seite gestellt", erzählt Hetke. Auch bei der in Korea sehr bekannten Kosmetikfirma Missha wird der Ingolstädter vorstellig. "Wichtig bei Verhandlungen mit den Koreanern ist es, ein wenig visionär zu sein, man muss groß denken und eine Perspektive aufzeigen", verrät der Unternehmer seine Devise. Bei Missha findet er den passenden Gegenpart, der sich auf die Visionen einlässt. Hetke kehrt nach Deutschland zurück, mit der Vertriebslizenz für Missha in Deutschland in der Tasche – als erster Europäer überhaupt.

Die einzige Bedingung? Er muss innerhalb der nächsten beiden Jahre ein Geschäft in Deutschland eröffnen, in dem er nur Missha-Produkte verkauft. So entsteht der erste Laden in der Harderstraße, anfangs mit mäßigem Erfolg: "Ich habe meinen ersten Tag mit einem Gesamtumsatz von zehn Euro beendet", erinnert er sich und lacht laut auf. Doch während die Geschäfte vor Ort nur schleppend anlaufen, läuft es an anderer Stelle umso besser: Der Online-Verkauf boomt. Dank geschickter Social-Media-Strategie und eifrigen Bloggern, die die koreanischen Produkte bewerben, werden die ganz Großen auf Hetke und sein Geschäft aufmerksam: Kosmetikriesen wie Douglas, Drogerieketten wie dm und Online-Versandhändler wie Zalando kommen auf ihn zu. "Nach einem dreiviertel Jahr mit zahlreichen Treffen haben wir schließlich unsere erste Lieferung an Douglas geschickt. Mittlerweile sind wir dort online und in 114 Filialen vertreten", fasst Hetke zusammen.

Bei so vielen Großkunden an der Angel platzen die angemieteten und über die Stadt verstreuten Lager bald aus allen Nähten. Ein neues, großes Lager muss her. Und findet sich schließlich im Ingolstädter Nordosten, einen Steinwurf vom Ingolstadt Village entfernt. Dort platziert Hetke sein sogenanntes Korean-Beauty-Haus, das Verkaufsraum, Lager und Büro in einem beherbergt. Den Shop in der Harderstraße stößt er wieder ab. Aber kaum ist der letzte Nagel in der Wand seines neuen Projekts, wird der Ingolstädter erneut umtriebig. Nun plant er eine Erweiterung des Baus, außerdem will er auch in anderen Großstädten Korean-Beauty-Häuser eröffnen. "Vielleicht kommt irgendwann auch der Zeitpunkt, an dem wir unsere eigene Kosmetik herausbringen", fügt er nach etwas Nachdenken hinzu. Denn Träume hat er nach wie vor viele.
 

Jessica Roch