Verhängnisvolle Lügen

07.01.2009 | Stand 03.12.2020, 5:18 Uhr

Der Regisseur und sein Hauptdarsteller: Für Marcus H. Rosenmüller (links) und Markus Krojer ist "Die Perlmutterfarbe" bereits die zweite gemeinsame Produktion nach "Wer früher stirbt . . .". - Fotos: Herbert

Ingolstadt (DK) Einen "Kinderroman für fast alle Leute" hat Anna Maria Jokl mit der "Perlmutterfarbe" verfasst. Ihre Geschichte, die sie in den 30er Jahren unter dem Eindruck des aufkeimenden Nationalsozialismus schrieb, spielt zwar in einer dörflichen Schule, spiegelt aber die große Politik im Kleinen, indem sie von einer verhängnisvollen Lüge und ihren Folgen erzählt, von Ausgrenzung und Mitläufertum.

Eine Geschichte, die Marcus H. Rosenmüller beim Lesen sofort gefangen nahm, erinnerte sie ihn doch an seine eigene Kindheit. Etwa zwölf war er, als er im Auftrag der Schule Geld für irgendein Projekt sammeln sollte. Mit Liste und Büchse war er losgezogen. Doch dann hatte die Lehrerin lange Zeit nicht nach den Spenden gefragt. Und plötzlich hatte der kleine Marcus alles ausgegeben. "Es war zu viel Geld, als dass ich es mit dem Taschengeld ersetzen konnte. Also log ich: Der Zettel ist weg. Mein Tier hat den Zettel zerstört. Lauter so blöde Sachen. Für mich war das ganz schlimm. Ich konnte nicht mehr schlafen und habe mir so sehr gewünscht, dass ich alles rückgängig machen könnte", erinnert er sich heute. Zum Schluss hat er sich weinend der Mama offenbart: "Sie streckte mir das Geld vor – ich musste es später abarbeiten. Aber es war eine riesen Erleichterung."

Menschen und Monster

Gemeinsam mit seinem Produzenten Robert Marciniak und seinem Hauptdarsteller Markus Krojer war der Regisseur ins Ingolstädter Cinestar gekommen, um seinen neuen Film vorzustellen und Fragen zu beantworten. Etwa die, was ihn an dem Stoff faszinierte. "Ich erzähle gern aus Kinderaugen Geschichten, die politisch sind oder eben ein größeres Thema haben. Kinder sind noch unschuldig. Sie können bestimmte Sachen anders aussprechen." Auch wenn der Regisseur die Zeit nur als Folie benutzt, so ist "Die Perlmutterfarbe" für Rosenmüller doch eine Parabel über die Machtergreifung der Nazis. Ganz bewusst inszeniert er die Verbrennung des Buches "Wir sind Menschen" in der kleinen Küche, zeigt als Film im Film einen Horrorstreifen, der expressionistisch "Frankenstein" zitiert. "Ich glaube, dass jeder Mensch ein Monster in sich trägt. Wir müssen begreifen, dass wir alle verführbar sind. Das war für mich das große Thema des Films."

Mit Markus Krojer war der Hauptdarsteller schnell gefunden. "Ich glaube, es gibt derzeit keinen besseren Jungdarsteller", schwärmt Rosenmüller. Schließlich betörte er schon ein Millionenpublikum mit seinem Kinodebüt als Sebastian in "Wer früher stirbt, ist länger tot". Der 14-Jährige, der das Gymnasium in Mainburg besucht, war von Anna Maria Jokls Buch angetan. Und sagte sofort zu, als "der Rosi" anrief. Für das Drehen gab es zwei Monate schulfrei. Dafür waren Lehrer am Set, die in den Drehpausen mit den Kindern paukten. Alles Versäumte musste nachgeholt werden. Spaß gab es trotzdem jede Menge. Markus Krojers absolutes Highlight war der Sprung zwölf Meter in die Tiefe, den er – trotz Stuntdouble – selbst machen wollte. "Wann darf man das schon", fragt er bei der Vorstellung des Filmes in Ingolstadt – und erntete dafür großen Applaus.

Sämtliche Schulszenen wurden im ehemaligen Kloster Raitenhaslach in Burghausen gedreht, für die Außenaufnahmen hatte man das oberfränkische Weidenberg und das sächsische Plauen gewählt.

Teurer Schnee

Bei der ersten Lektüre des Buches hatte Rosenmüller sofort ein Bild im Kopf: Ein Topschuss von oben auf eine Wiese. Alles ist weiß verschneit – bis auf einen kleinen dunklen Fleck, der läuft und läuft und schließlich in sich zusammenbricht. Es ist Alexander – auf der Flucht vor seinem eigenen schlechten Gewissen. "Dieses Bild war sehr konkret. Deshalb musste es ein Winterfilm werden." Das einzige Problem: Es wollte nicht schneien. Also arbeitete man mit Löschschaum, der Schneemann wurde aus dem Riesengebirge angeliefert, für die Schneeballschlacht kam eine Schneemaschine zum Einsatz und die ganzen Hintergründe mussten digital bearbeitet werden. "Das macht einen Film gleich um 100 000 Euro teurer", verrät Produzent Robert Marciniak. Trotzdem ließ er sich überzeugen. Das Ergebnis gibt ihm Recht: "Unser Schneefeld schimmert perlmutterfarben. Das war für mich das Bild des Films."