München
Verfassungsklage ist noch nicht vom Tisch

Der lang erwartete Brief Merkels an Seehofer birgt keine Überraschungen Die CSU droht wieder

26.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:54 Uhr

München (DK) Drei Monate hat es gedauert, bis der Brief der Staatsregierung an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) endlich in München angekommen ist. Unzählige Male hat Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) in dieser Zeit erklärt, dass er nicht jeden Tag sehnsüchtig zum Briefkasten der Staatskanzlei renne.

Nun liegt die Antwort endlich vor, und Seehofer betont nun ebenso demonstrativ wie zuvor seine Nicht-Briefkasten-Läufe, dass er bisher keine Zeit gefunden habe, das Schreiben zu lesen.

Immerhin einer in der Staatsregierung gibt inzwischen aber offen zu, dass der den Merkel-Text bereits kennt: Staatskanzleichef Marcel Huber (CSU). Was den Inhalt betrifft, gibt aber auch er sich schmallippig. "Kein Kommentar." Die Bundesregierung poche auf das Briefgeheimnis.

Bekannt wurde der Inhalt aber dennoch, und im Brief steht genau das, was zu erwarten war: Berlin weist die von der Bayerischen Staatsregierung in ihrem Schreiben vom 26. Januar erhobenen Vorwürfe zurück. Weder habe der Bund Recht missachtet, noch habe die Regierung es unterlassen, Schritte zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen zu unternehmen, schreibt Kanzlerin Merkel.

Vermutlich würde sich Marcel Huber daher gerne darüber auslassen, weshalb der Brief eine Enttäuschung sei und warum Merkel falsch liege. Aber Briefgeheimnis ist nun einmal Briefgeheimnis. Und so sagt er, was man in so einer Situation als Politiker eben sagt. Da fallen Sätze wie: "Das ist etwas, was man sorgsam behandeln muss." Der Brief werde nun sauber studiert, abgewogen, ohne Eile, und dann werde im Kabinett eine Reaktion abgestimmt. Es folgt zumindest noch eine kleine Spitze in Richtung Berlin: "Wir werden uns nicht drei Monate Zeit lassen wie die Bundesregierung, um zu antworten."

So weit, so erwartbar. Dass Huber dann von alleine und ohne Nachfrage aus dem Journalistenkreis auf das Thema Verfassungsklage zu sprechen kommt, zeigt aber, dass der Brief zwar den Erwartungen, nicht aber den Wünschen der CSU entspricht. "Wir behalten uns weiterhin die Einreichung der Klage vor", betont er.

Dieser Eskalationsschritt sei nicht vom Brief aus dem Kanzleramt abhängig, sondern von der Realität an Grenzen. Die angedrohte Klage des Freistaates gegen den Bund vor dem Bundesverfassungsgericht begründe sich mit der Verletzung von Länderinteressen durch Nicht-Handeln des Bundes, erklärt Huber. Heißt im Klartext: Falls wieder mehr Flüchtlinge kommen und die Bundesregierung die Grenzen trotzdem offen lässt, dann trifft man sich in Karlsruhe. Von juristischen Spitzfindigkeiten wie der sechsmonatigen Einreichungsfrist für die Klage, die - je nachdem, welchen Juristen man fragt - mit dem Versand der Klagedrohung oder dem Erhalt der Antwort begonnen hat, will sich die CSU dann nicht aufhalten lassen.

Von einer Klage-Verpflichtung aufgrund eines Verfassungsbruchs des Bundes ist übrigens inzwischen keine Rede mehr. Vielleicht gibt es doch eine kleine Annäherung zwischen CDU und CSU.