Verfall einer Familie

17.04.2007 | Stand 03.12.2020, 6:51 Uhr

München (DK) Vornehm geht die Welt zugrunde – und das vor allem in Lübeck: Die Kleider der Damen sind aus Seide (Kostüme: Sanna Dembowski). Die Sitzgelegenheiten sind aus teuerstem Leder (Bühnenbild: Beat Fäh und George Podt) und im Hintergrund strömen dezente Weisen von Bach und Händel.

Als Goldrahmen glänzt in der Münchner Schauburg das Bühnenportal, das sich als güldener Bilderrahmen im XXL-Format auf der Spielfläche wiederfindet, durch den die Lübecker Senatoren zur Tat schreiten: Das Erbe einer angesehenen Kaufmannsfamilie muss bewahrt werden. Doch durch Schicksalsschläge gehen die Geschäfte immer schlechter, bis die Insolvenz alles zunichte macht. Hinter der Fassade der Gutbürgerlichkeit des Lübecker Kaufmannsglanzes bröckelt der Putz.

"Verfall einer Familie" nannte Thomas Mann seinen autobiogra f isch angehauchten Roman "Buddenbrooks" denn auch im Untertitel. 1901 erschienen, katapultierte dieses Mammutwerk seinen Autor in die erste Reihe der deutschsprachigen Schriftsteller. Aussicht auf den Nobelpreis für Literatur eingeschlossen (der 1929 folgte).

Die "Buddenbrooks"

John von Düffel (Jahrgang 1966) nahm sich dieses Werkes der Weltliteratur an, um es vom Roman zu einem Schauspiel zu verwandeln. Viele Episoden strich der Bearbeiter ebenso radikal wie einige Personen, die Thomas Mann liebevoll beschrieben hatte.

Auf den "Verfall einer Familie" konzentrierte sich John von Düffel. Dies aber satt, indem er die Konturen der Hauptfiguren des Buddenbrooks-Clans besonders schärfte, bisweilen freilich auch ins Klischee abgleiten ließ: Konsul und Senator Buddenbrooks sen. (Gerd Imbsweiler) ist die Autoritätsperson in Reinkultur, während seine stets auf Etikette bedachte Gattin (Ruth Oswalt) bisweilen allzu betulich agiert.

Doch den drei höchst unterschiedlichen Buddenbrooks-Erben Thomas, Christian und Antonie, genannt Tony, haben John von Düffel und vor allem der Regisseur Beat Fäh Leben eingehaucht: Thomas (höchst typengerecht: Oliver Bürgin) ist der Stolz der Familie. Ihm zur Seite sein Bruder, der Luftikus Christian (brillant: Hussam Nimr). Und zwischen diesen beiden ungleichen Brüdern die emanzipierte Schwester Tony (absolut rollenadäquat: Marie Ruback), die nach ihrer gescheiterten Ehe zur eigentlichen tragischen Figur dieses Patrizierclans wird.

Kurzum: Thomas Manns 700 Seiten starke Familiensaga ist hier auf das Wesentliche reduziert. Zwei Stunden "Buddenbrooks" light. Lang anhaltender Applaus.

Schauburg, nächste Aufführungen am 19. und 20. April.