Ingolstadt
Verbrannt – aber nicht vergessen

29.10.2010 | Stand 03.12.2020, 3:31 Uhr

Trauer: Skulpturen legen Zeugnis ab von der Bestattungskultur.

Ingolstadt (DK) So ein Gebührenbericht ist an sich eine trockene Angelegenheit. Doch es gibt Ausnahmen – wie das jüngste Zahlenwerk des städtische Bestattungswesens. Aus dem lässt sich allerhand herauslesen: Zum Beispiel, dass auch in Ingolstadt beim Sterben immer mehr gespart wird.

In Ingolstadt sterben zwar etwas mehr Menschen als früher – bedingt durch Bevölkerungswachstum und demografischen Wandel. 1131 Todesfälle gab es im vorigen Jahr. Dennoch geht die Zahl der Bestattungen beständig zurück, und damit auch die Gebühreneinnahmen: Die Erlöse lagen 2009 bei rund zwei Millionen Euro. Zudem tendieren die Ingolstädter immer mehr zur kostengünstigen Beisetzung.

Früher wurde im Todesfall nicht (so sehr) aufs Geld geschaut: Die meisten Hinterbliebenen legten Wert auf eine feierliche Andacht in der Aussegnungshalle, am besten mit Musik. Es wurden üblicherweise auch gern große Familiengräber gekauft, und die angemessene Gestaltung der letzten Ruhestätte durch Steinmetz und Gärtner war eine Sache des guten Rufes. Auf dem Westfriedhof spiegelt sich diese Tradition noch am besten wider.

Doch diese Zeiten sind so gut wie vorbei. Statt dessen wird gespart, der Aufwand bei der Beisetzung gar auf das Notwendigste beschränkt. Statt einer Erdbestattung etwa wählen immer mehr Menschen die kostengünstigere Variante der Urne. Um das Geld für den Rücktransport vom Krematorium nach Ingolstadt zu sparen, finden Urnenbeisetzungen häufig sogar am Ort der Verbrennung statt – womöglich anonym in einer Gemeinschaftsanlage. Heimatverbundenheit spielt dabei keine Rolle mehr.

Im Jahr 2000 gab es laut Statistik in Ingolstadt noch 758 Erd- und 248 Urnenbestattungen, vergangenes Jahr betrug das Verhältnis 650 zu 431. Inzwischen liegt der Anteil der Urnenbestattungen bei rund 40 Prozent, wobei Ingolstadt damit noch immer unter dem Durchschnitt anderer bayerischer Großstädte liegt.

Die Nutzungsrechte für Gräber werden ebenfalls nicht mehr so selbstverständlich verlängert wie früher – heutzutage tut es die Mindestruhefrist auch. Sie schwankt beim Erdgrab zwischen 15 und 25 Jahren (bei der Urne sind es nur 10). Auf den städtischen Friedhöfen wurden im vergangenen Jahr 302 Gräber aufgelöst, 75 mehr als im Vorjahr. Auch hier macht sich der Wandel in der Bestattungskultur bemerkbar: Familiengräber, für die einst seit Generationen ein Nutzungsrecht bestand, werden nicht mehr weitergeführt. Die Tradition wird oftmals gar nicht erst begründet.

Infolge dieser ganzen Entwicklungen sinken natürlich die Einnahmen. Das zeigt der Blick in den aktuellen Gebührenbericht: Lag der Kostendeckungsgrad im Bestattungswesen im Jahr 2005 sogar noch bei über 106 Prozent (es wurde also ein Überschuss erwirtschaftet), so sank er 2009 bereits auf 85 Prozent. Damit steht Ingolstadt immer noch gut da, denn im Schnitt sind bei deutschen Friedhöfe nur rund 60 Prozent der Ausgaben gedeckt.

Freilich haben die zehn städtischen Friedhöfe eine größere Bedeutung als auf Kostendeckung angelegte öffentliche Einrichtungen. Die teils parkähnlichen Anlagen dienen, so argumentiert stets auch der Leiter des Stadtgartenamts, Hans-Georg Wüst, nicht nur als würdevolle Begräbnisstätte, sondern auch als wertvoller Kulturraum, als grüne Oase, die einen wertvollen Lebensraum für Flora und Fauna liefert, sowie als Refugium für den Menschen.