Roth
"Vera"-Programm halbiert Abbrecherquote

Ehemalige Altenpflegeschüler in Roth helfen Auszubildenden bei Schwierigkeiten Schule gehört zu Pionieren

22.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:54 Uhr

Anna-Marie Meindl findet es gut, dass die Schüler Unterstützung von Ehrenamtlichen bekommen, wenn sie in der Ausbildung in Schwierigkeiten kommen. - Foto: Berufsfachschule Altenpflege

Roth (HK) Die Berufsfachschule für Altenpflege und Altenpflegehilfe in Roth hat mit ihrem Projekt der ehrenamtlichen Unterstützung für Auszubildende im Rahmen des "Vera"-Programms der Stiftung der Deutschen Wirtschaft für internationale Zusammenarbeit großen Erfolg. In anderen Wirtschaftszweigen ist dieses Programm zur Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen schon verbreitet, im Sozialbereich gehört die Rother Berufsfachschule aber zu den Pionieren. "An unserer Schule ist der Einsatz der ehrenamtlichen Lern- und Lebensunterstützer eine absolute Erfolgsgeschichte", sagt Schulleiter Philipp Böhm. "Nach meinem Wissen sind wir die erste Altenpflegeschule in Bayern, die so ein Programm initiiert hat."

Die Absolventen der Berufsfachschule für Altenpflege und Altenpflegehilfe in Roth sind auf dem Arbeitsmarkt sehr gefragt. Jahrelang hatte der Schulleiter aber das Problem, dass verhältnismäßig viele Schüler ihre Ausbildung abbrachen. Seit ehrenamtliche Unterstützer Schülern in problematischen Situationen helfen, hat sich die Abbrecherquote halbiert. Außerdem haben seit dem Beginn der Aktion immer 100 Prozent der Kandidaten die Abschlussprüfung bestanden.

Anna-Marie Meindl aus Roth, die zurzeit im zweiten Ausbildungsjahr ist, findet das Programm gut, "weil man im Notfall nicht allein dasteht". Wie vielen ihrer Mitschüler geht es ihr nicht nur um die guten Karrierechancen, die Pflegekräfte nach der Ausbildung haben, sondern auch darum, durch die sinnvolle Tätigkeit in ihrer täglichen Arbeit "Erfüllung" zu erfahren.

"Die Schüler kommen aus ganz unterschiedlichen Lebenssituationen. Viele haben Haushalt und Familie. So kommt es zu Doppel- oder sogar Dreifachbelastungen", berichtet Schulleiter Böhm. Die Strategie zur Senkung der Ausbildungsabbrüche entstand, als sich Zukunftscoach Stefan Forster vom Landratsamt Roth in der Schule vorstellte. In Zusammenarbeit mit Annegret Tümmler von der Ehrenamtsstelle im Landkreis Roth brachten sie das Projekt auf den Weg.

Teil dieser Erfolgsstory ist, dass die Ehrenamtlichen nicht - wie sonst üblich - nur Fachleute am Ende der beruflichen Laufbahn oder im Ruhestand sind. Auch Absolventen der Schule, die jetzt in der Praxis im Einsatz sind, wurden angesprochen, ob sie mitmachen würden - und sie willigten ein. Großen Anteil daran haben die stellvertretende Schulleiterin Waltraud Kubitschek und die Lehrerin Karin Hamann.

Die meisten Helfer haben die gleiche Motivation: Es ist ihnen wichtig, dass es Nachwuchs in der Pflege gibt. Damit die Betreuer erfolgreich arbeiten können, erhalten sie Unterlagen wie Lehrpläne und Prüfungsaufgaben aus den Vorjahren. Bewährt hat es sich laut Böhm, mit der Hilfe schon kurz nach dem Start der Ausbildung zu beginnen, damit die Schüler "die Probezeit überleben". Im letzten Jahr waren sechs Schüler gefährdet - und alle haben es geschafft. "Lernen müssen sie aber trotzdem selbst", betont der Schulleiter, und die Ehrenamtlichen forderten dies auch.

Die Möglichkeiten sind breitgefächert. Unterstützung ist beim Lernen ebenso gefragt wie bei der Kinderbetreuung und beim Erwerb der deutschen Sprache. "Trotz Anfangsschwierigkeiten schlug das Programm gut ein", berichtet der Schulleiter. Potenzielle Helfer werden in die Schule eingeladen, denn "die Chemie zwischen Schüler und Unterstützer muss stimmen". Wie oft und wie lange sich die Paare dann treffen, wird direkt zwischen den beiden Seiten geklärt.

Gelegenheit zum Austausch haben auch die Unterstützer untereinander. Als kleines Dankeschön werden sie zur Abschlussfeier der Schule eingeladen. Spätestens dann zeigt sich, dass sich der Aufwand lohnt, denn alle Absolventen können sich auf dem Arbeitsmarkt quasi eine Stelle aussuchen.