Ingolstadt
Vater wird vom Missbrauchsvorwurf freigesprochen

24-Jähriger soll sich angeblich an fünfjähriger Tochter vergriffen haben - Amtsgerichtsprozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit

26.11.2019 | Stand 23.09.2023, 9:39 Uhr
Symbolbild Gericht −Foto: David Ebener/dpa

Ingolstadt (DK) "Wir sagen nicht, dass es nicht stattgefunden hat", so der Vorsitzende des Schöffengerichts, Richter Mathias Martin, gestern bei der Urteilsbegründung am Ingolstädter Amtsgericht.

Verblieben jedoch nach der Beweisaufnahme "vernünftige Zweifel", komme eine Verurteilung wegen Kindesmissbrauchs nicht in Betracht. So blieb am Ende des Prozesses, der fast ausschließlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit gelaufen war, nur der Freispruch des Angeklagten übrig,

Wie häufig bei Sexualdelikten stand auch hier Aussage gegen Aussage. Die fünfjährige Carina (Name geändert) hatte zunächst gegenüber ihrer Mutter berichtet, später auch bei der Polizei, dass der 24-jährige Angeklagte, Carinas leiblicher Vater, sie im Juli vergangenen Jahres in einem Wald sexuell missbraucht habe. Um das Kind vor einer weiteren Aussage in Angesicht ihres mutmaßlichen Peiniger zu schützen, wurde beim Prozess vor dem Amtsgericht nur eine auf Video aufgezeichnete Vernehmung durch den Ermittlungsrichter verwertet. Auf Antrag der Verteidigung war zudem die Öffentlichkeit bei der Hauptverhandlung ausgeschlossen, lediglich zur gestrigen und immer öffentlichen Urteilsverkündung durften Zuhörer (hier vor allem Familienangehörige) und die Presse wieder in den Saal.

Mutmaßlich bestätigt wurden die Anschuldigungen des Mädchens, als bei den polizeilichen Ermittlungen tatsächlich Spermaspuren des Vaters auf ihrem T-Shirt festgestellt wurden, berichtete Richter Martin in seiner Urteilsbegründung. Wegen dringenden Tatverdachts in Untersuchungshaft genommen, habe dieser die Vorwürfe bestritten, so der Richter weiter, und angegeben, die Spuren seien entstanden, als das T-Shirt auf einem Wäschehaufen gelegen habe. Eine solche Einlassung könne das Gericht nicht einfach ignorieren, betonte Martin; jedenfalls dann nicht, wenn dies - wie ein vom Gericht bestellter Sachverständiger bestätigt habe - "objektiv möglich" und "nicht widerlegbar" sei.

Kritisch beurteilten der Berufs- und die beiden Laienrichter - eine Frau und ein Mann - auch Carinas Aussagen zum eigentlichen Tatgeschehen. Diese seien in sich und auch in Bezug zur objektiven Spurenlage widersprüchlich. So habe auch der ebenfalls vom Gericht bestellte psychologische Sachverständige bei Carina eine "altersbedingte Einschränkung der Aussagetüchtigkeit" festgestellt, ein "Erlebnisbezug" ihrer Aussagen sei fraglich. Zwar gebe es Indizien für strafbare Handlungen des 24-jährigen Vaters, so Richter Martin zusammenfassend. Nach dem Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" sei dieser jedoch freizusprechen.

Nicht an der Beweis-, sondern an der Gesetzeslage scheiterte eine Verurteilung des Angeklagten wegen Besitzes kinderpornografischer Bilder. Als die Polizei nämlich im Zuge ihrer Ermittlungen den Computer des Angeklagten durchsucht hatte,war sie auf knapp 300 solcher Bilder gestoßen. Der Besitz, erklärte der Vorsitzende, setze jedoch ein "subjektives Element" voraus. Dem Täter müsse zumindest bewusst sein, dass sich solche Bilder auf seinem Rechner befinden. Und daran fehle es, wenn diese - wie im Fall des 24-Jährigen - nur im Zwischenspeicher abgelegt seien, der beim Aufruf von Internetseiten vom Browser automatisch befüllt werde.

Anders, so der Richter weiter, wäre zu urteilen, wenn einzelne Bilder von Hand gelöscht worden wären, weil dann naheläge, dass dem Surfenden die technischen Abläufe und die Tatsache, dass Inhalte der aufgerufenen Internetseiten zumindest zeitweise gespeichert werden, bewusst wären. Wer Bilder im Internet "nur" anschaue, sei nach geltendem Recht ebenso wenig strafbar wie jemand, dem Drogen nach Ansicht "untergejubelt" würden.

Dass er mit dieser Rechtslage unglücklich ist, war Mathias Martin anzumerken.

Ebenfalls unglücklich nach dem Urteil war Carinas Mutter, die sich an dem Prozess als Nebenklägerin beteiligte. Wie sie unserer Zeitung nach der Urteilsverkündung sagte, bestünden bei ihrer Tochter auch heute noch psychische Auffälligkeiten, die sie auf die angeklagte mutmaßliche Missbrauchstat zurückführe. Das Gericht hingegen hatte argumentiert, andere Ursachen - wie den Tod der Oma des Mädchens - nicht ausschließen zu können.

Die Mutter kündigte an, in Berufung gehen zu wollen.

Andreas Müller