Vater tötet kranken Sohn: Neun Monate auf Bewährung

77-Jähriger wollte Kind beim Suizid helfen und dabei selbst sterben

10.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:53 Uhr

Augsburg/Friedberg (DK) Das Augsburger Landgericht hat am Mittwoch das Urteil in einem Fall von Tötung auf Verlangen getroffen. Der Mann, der seinem schwerbehinderten Sohn auf dessen eigenen Wunsch das Leben genommen hat, bekam eine Bewährungsstrafe von neun Monaten.

In seinem Plädoyer wies der Staatsanwalt darauf hin, dass es sich bei dem Prozess um ein „außergewöhnliches Verfahren“ handelte. Einen Fall von Tötung auf Verlangen gab es in Augsburg bislang noch nie. Nach der Beweisaufnahme ging er davon aus, dass der Mann den Entschluss, seinen Sohn und sich selbst zu Töten spontan gefasst hatte. Außerdem glaubte er ihm, dass der Sohn den Wunsch zu Sterben aus frei verantwortlichem Willen gefällt hatte. Zudem war er davon überzeugt, dass der Angeklagte am Tag der Tat in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkt war. Ein Gutachter hatte diesen Umstand attestiert.

Der Staatsanwalt forderte daher eine Haftstrafe von neun Monaten auf Bewährung, ohne weitere Auflagen. Darin berücksichtigte er, dass der Angeklagte geständig war und durch die fortwährende Pflege zu seinem Sohn eine besondere Beziehung hatte. Er gab aber auch zu bedenken, dass es alternative Hilfsangebote von Pflegeeinrichtungen gegeben hat, die der Vater allerdings nicht annehmen wollte. Außerdem hätte er den Todeswunsch des Sohnes weiterhin ausschlagen könne, wie er es seit fast einem Jahr getan hatte, seit die Mutter gestorben war.

Die Möglichkeit der Straffreiheit schlug der Staatsanwalt aus. Zum einen würde das seiner Meinung nach ein falsches Signal an die Öffentlichkeit senden und zum anderen dürfe eine Tötung mit direktem Vorsatz, wie es hier der Fall war, nicht straffrei sein.

Anders sah das der Verteidiger des Angeklagten. Er forderte, von einer Strafe für seinen Mandanten abzusehen. Der Vater sei durch die Folgen bereits so schwer getroffen, dass eine Strafe verfehlt sei. Er betonte nochmals, wie sehr sich der Mann um sein behindertes Kind gekümmert hat, und das über mehr als 50 Jahre hinweg. Der Verteidiger sprach von einer Tötung aus Liebe und der Erlösung auf eigenen Wunsch hin. Immerhin wollte sich der Angeklagte selbst auch das Leben nehmen.

Dem Angeklagten selbst fiel es schwer, den Ausführungen des Staatsanwalts zu folgen. Zu sehr erschütterten ihn die Wiederholungen der Geschehnisse. Immer wieder begann er zu weinen und sackte in seinen Stuhl. „Ich weiß, dass ich etwas sehr Schlimmes getan habe und ich bitte um Verzeihung“, richtete er sein Schlusswort an die Richter, bevor sich diese zur Beratung zurückzogen.

Diese folgten in ihrem Urteil dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Dabei hob der vorsitzende Richter die großartige Lebensleistung mit der enormen Belastung und Einschränkungen wegen der Pflege des Sohnes durch den Vater hervor: „Er hat sein Leben geopfert und der Betreuung seines Sohnes gewidmet.“ Von einer Strafe wollte die Kammer jedoch nicht absehen. Als Begründung hob der Richter die Unantastbarkeit des fremden Lebens hervor. Eine schwere Behinderung sei hierfür kein Argument. Außerdem seien die Folgen für den Vater nicht derart schwerwiegend, dass von einer Strafe abzusehen sei.

Das Gericht setzt die neunmonatige Haftstrafe zur Bewährung aus. „Wir sind davon überzeugt, dass Sie keine weiteren Strafen begehen“, begründete der Richter diese Entscheidung.

Das Urteil ist bereits rechtskräftig.