Pfaffenhofen
Unterwegs zu Freunden

Nach über 200 Auftritten haben die Schäffler im ganzen Landkreis treue Fans gefunden

28.02.2019 | Stand 25.10.2023, 10:29 Uhr
Bei 18 Tänzen war sie dabei: Resi (82, Foto oben) zählt zu den treuesten Fans der Schäffler. Zu seinem 82. Geburtstag wurde Alfred Zeitler (Foto unten), neben ihm seine Frau Anni, mit einem Schäffler-Tanz beschenkt. −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen (PK) Neun Wochen waren die Schäffler unterwegs, am Faschingsdienstag um 17 Uhr ist nach über 200 Auftritten im ganzen Landkreis mit ihrem letzten Tanz vorm Salverbräu, ihrer Herberge, Schluss. Grund genug zu fragen: Wie fällt die Bilanz der Saison aus?

Um darauf eine Antwort zu finden, sollte man die drei Dutzend Männer mit ihrem Gefolge, den acht Kasperln und den gut 20 Stadtkapellen-Bläsern, begleiten. Zum Beispiel in die Löwenstraße. Dorthin hat sie Uschi Leopold nach Ladenschluss ihrer Metzgerei für 18 Uhr bestellt. Aber schon um halb sechs warten auf der Straßenseite gegenüber drei "Groupies" auf die Boygroup in ihren schmucken Uniformen: Inge, 70, Brigitte, 64, und Resi. Die ist 82, hat sich gegen die Kälte ein dicke Wollmütze übergezogen, ist mit dem Bus zum Hauptplatz gefahren und dann mit ihrem Rollator herkommen. Die drei sind wohl die treuesten Fans der Schäffler. 17 Aufführungen - oder waren es schon 18? - hat Resi inzwischen live erlebt, und auch jetzt kann sie es kaum erwarten, bis der Zug in die Löwenstraße einmarschiert. Die drei Fans haben sich inzwischen angefreundet, Erkennungszeichen ist der Schäffler-Button am Mantelrevers. "Den haben wir bekommen", freut sich Brigitte, "weil uns die Kasperl inzwischen kennen." Kein Wunder.



Um viertel vor sechs stößt Günther zur Fan-Gemeinschaft. Man kennt sich. Für den 72-Jährigen sind die Schäffler "wunderschönes gelebtes bayrisches Brauchtum", und eigentlich versteht er es überhaupt nicht, wieso andere das kalt lässt. "Unlängst", erzählt er, "stand ein Kölner hinter mir, der schon seit 18 Jahren in Pfaffenhofen lebt. Damit, hat er gesagt, kann er überhaupt nichts anfangen. Was denn daran lustig sei?" Ja, wenn die "Höhner" da drüben aufspielen würden, das wär' was! Die rheinischen Mundart-Musiker machen Stimmung mit Liedern wie "Viva Colonia", und das stößt südlich von Würzburg vermutlich auf genau so viel Kopfschütteln wie nördlich davon der Schäffler-Schlager "Aber heit is koid".

Punkt sechs Uhr ist es endlich soweit. Mit Marschmusik biegen die Schäffler in die Löwenstraße ein, die zwei Polizeifahrzeuge abgesperrt haben. Acht kunterbunte Kasperl springen fröhlich lachend und winkend dem Zug voran. Fast 150 Zuschauer haben sich inzwischen eingefunden. Die Fan-Gruppe hat wegen der besseren Sicht die Straßenseite gewechselt. Als die 20 Tänzer ihre Buchsbögen zur großen Krone ins Kreuz stecken, brandet Applaus auf. Der wiederholt sich, als Karl-Heinz Schmidt, neben Manfred Schweigard einer der beiden Reifenschwinger, in Versform eine Eloge auf Uschi Leopold und ihre Metzgerei vorbringt. Da fügt es sich, dass sich "Metzgerei Leopold" auf "Leberkas-Semmel geholt" reimt und "Metzgerei drinnen" auf "schönste Verkäuferinnen". Schmidt erwähnt alle Leopolds mit Namen, grüßt Verwandte, Freunde, Nachbarn der Metzger-Familie und das ganze Publikum. Nach einem donnernden dreifachen "Hoch" aus drei Dutzend Männerkehlen umarmt man sich und wärmt sich dann mit Eintopf, Bier und Hochprozentigem auf. Wer sich vorher nicht kannte - jetzt sind Freundschaften geschlossen worden.

Genau das ist es, was Simon Huber an den Schäfflern so begeistert. Der 21-Jährige, der gerade seinen Kfz-Meister macht, ist das Greenhorn der Gruppe. "Es macht so viel Freude zu sehen, wie wir anderen eine Freude machen", sagt er.

Das kann Heinz Thalmeir, einer der beiden Schäffler-Direktoren, nur bestätigen. Das Schönste sei es, in die glücklichen Gesichter der Zuschauer zu schauen. Insbesondere, wenn sie vom Auftritt überrascht worden sind, so wie Alfred Zeitler. Der 82-Jährige hat Geburtstag und schon am Morgen in der Zeitung nachgeschaut, wo und wann denn an seinem Ehrentag die Schäffler auftreten. Das geben sie in Anzeigen bekannt, es sei denn, jemand soll klammheimlich mit einem Tanz beschenkt werden. Dann steht, so wie an diesem Tag, neben der Uhrzeit nur "Überraschung". "Da hab ich schon gehofft", sagt der Senior, "dass ich damit gemeint bin." Seine Hoffnung wurde zur Ahnung, als die Verwandtschaft zehn Minuten vorher den Straßenabschnitt vorm Haus in Flutlicht tauchte.

Und dann kommen sie, in gewohnter Marschordnung, mit einer Pauke und vielen Trompeten. Links und rechts der Straße gehen die Fenster auf, der Jubilar und seine Frau Anni werden von zwei Kasperln flankiert, die während des Tanzes einen Buchsreifen über sie halten. Ein dreifaches Hoch, ein Geburtstagslied, 60-mal Händeschütteln, gratulieren, umarmen. Die große Doppelgarage haben die Zeitlers leergeräumt, da stehen jetzt weiß gedeckte Stehtische, an der Rückwand warten Häppchen auf die Tänzer. Gut 20 Minuten wird geredet, gelacht, getrunken, dann bläst Hans Kapser, Co-Trainer und Terminplaner, in die Trillerpfeife: Noch fünf Minuten, dann ist Abmarsch zum nächsten Tanzbesteller.

Zwei Dutzend Auftritte haben die Pfaffenhofener Schäffler an jedem Wochenende zu bewältigen, freitags und samstags kommen sie selten vor eins ins Bett, am nächsten Morgen klingelt spätestens um sieben der Wecker. Wie ist das, wenn man dann schlaftrunken aus dem Fenster schaut und es gießt in Strömen? Was motiviert dann? "Die Gemeinschaft, wir sind wie eine große Familie", begeistert sich Manfred Heckmeier, der zweite Direktor. "Die Gemeinschaft ist alles, allein sind wir nix." Und mit klatschnassen Klamotten von Auftritt zu Auftritt fahren zu müssen, das steckt man einfach so weg? "Entweder man ist Schäffler, oder man ist keiner", erklärt Heckmeier sehr bestimmt. Wenn er redet, schlägt einem eine Eukalyptus-Menthol-Wolke entgegen. Den meisten Schäfflern ist das Wetter auf die Stimmbänder geschlagen. Auch Vortänzer Wolfgang Herb hat sich einen Infekt eingefangen, aber er klagt nicht, sondern erklärt fröhlich: "Wir werden vom Publikum getragen." Reifenschwinger Schmidt muss es wissen, er ist seit 1984 dabei. "So oft schlechtes Wetter hatten wir noch nie." Die einzigen, die einen Schirm aufspannen können, sind die beiden Direktoren im Zylinder. Wobei, erklärt Thalmeir, der Stockschirm nicht als Regenschutz missverstanden werden darf. Vielmehr soll er an einen herrschaftlichen Säbel erinnern.

Wettermäßig besser dran sind die 60 Mitglieder der Stadtkapelle. Jeweils 20 werden für einen Auftritt gebraucht, die anderen pausieren. Das erklärt auch, warum manche Musiker das Notenblatt vor ihre Instrumente geklemmt haben, obwohl selbst die 82-jährige Resi inzwischen die Melodie mitpfeifen könnte. "Sehr oft habe ich noch nicht mitgespielt", erklärt Kornelia Walter, Vorsitzende der Stadtkapelle.

Nach fünf Minuten erneut ein gellender Pfiff aus der Trillerpfeife. Walter klemmt sich eine "Marschgabel" ans Handgelenk, in die sie die Noten für ihre Piccoloflöte steckt. Und aufs Kommando "Schäffler - marsch" geht's zum Bus. Zurück bleiben Freunde.

Ihren vorletzten Tanz am Faschingsdienstag um 16.15 Uhr vor dem Haus der Begegnung widmen die Schäffler der Pfaffenhofener Bevölkerung, mit ihrem letzten um 17 Uhr verabschieden sie sich selbst. Aber bis es soweit ist und Schmidt und Schweigard ihre Reifen zerbrechen, stiften die Schäffler noch ein paar Tage im Landkreis Freundschaften.
 

Albert Herchenbach