Neuburg
Unterstützung in den dunkelsten Stunden

Aktionswoche der Selbsthilfegruppe für Menschen mit Krebs im Bürgerhaus im Ostend

11.11.2013 | Stand 02.12.2020, 23:27 Uhr

Der „Teufelsgeiger“ ist gerade in jedermanns Munde, sie könnte seine Schwester sein: Ronja Putz (linkes Bild) spielt Bach so frech wie Heavy-Metal auf ihrer Geige. Initiator und Leiter der Selbsthilfegruppe Roman Schiele (rechtes Bild, rechts) und Markus Besseler von der Bayerischen Krebsgesellschaft hatten eingeladen. - Fotos: lm

Neuburg (lm) Es gibt Vereine, für die gilt mehr noch als für die Feuerwehr: Schön, wenn es sie gar nicht bräuchte. Desto wichtiger, dass es sie gibt – obwohl der Schritt in die Öffentlichkeit gerade hier doppelt schwer fallen mag.

Und gerade deshalb stellen sie sich, jetzt schon mit einer zweiten Aktionswoche im Bürgerhaus im Ostend: die Aktiven der Selbsthilfegruppe für Menschen mit Krebs. Ob an erster oder auch „nur“ zweiter Stelle der Häufigkeit, Krebs ist eine Volkskrankheit – und dennoch immer noch mit einem gewissen Tabu belegt. Und auch die vor gut zwei Jahren gegründete Selbsthilfegruppe in Neuburg zählt das eine oder andere Mitglied, das lieber anonym bleiben will. Verständnis wie auch Selbstverständnis – immer wieder gehe es gerade bei dieser Erkrankung um beides, zollte Oberbürgermeister Bernhard Gmehling tiefen Respekt, der zugleich eine 400-Euro-Spende eines örtlichen Fastfooder-Anbieters über den Sachwalter Stadt in Aussicht stellte. Denn örtliche wie überörtliche Krebshilfe sind nicht auf Rosen gebettet, so der Erfahrungswert von direkt Betroffenen, häufig komme zur seelischen auch finanzielle Not.

Von diesem tiefen Loch, wo auch der gläubige Mensch an seinem Gott zu zweifeln beginne, weiß auch Roman Schiele. Er, der Sohn des Oberhausener Altbürgermeisters und regionalen SPD-Urgesteins Xaver Schiele, war das Gesicht des modernen Krankenhauswesens in Neuburg schlechthin. Und dann 2008, zunächst das Gerücht, alsbald die Gewissheit: Roman Schiele hat Krebs. Eineinhalb Jahre hielt er sich noch in seinem Job, Ende 2009 das berufliche Aus: „Ich bin meinem Arbeitgeber nicht böse, meine Prognose lautete auf Tod.“ Roman Schiele musste lernen, mit seiner Krankheit umzugehen. Ein Außenstehender kann das alles sicherlich nur schwer nachvollziehen: Jemand, der beruflich gerade durchstartet, Ehemann und Vater von vier kleinen Kindern.

Aber Roman Schiele wäre nicht Roman Schiele, wenn nicht er es gewesen wäre, der sich und sein Schicksal eben nicht versteckte, vielmehr in Neuburg einen Selbsthilfekreis ins Leben rief, genauso selbstverständlich wie eine Angelika Sonhütter immer und überall auch die Telefonnummer hinterlässt: „Ja, Betroffene können uns immer anrufen, ich weiß, was solche Gespräche wert sind, wenn einen plötzlich die Diagnose Krebs trifft.“ Die verändert das Leben total, mental, psychologisch sowieso, aber oft genug auch materiell. Deshalb sucht auch die Neuburger Selbsthilfeorganisation die Partnerschaft mit der Bayerischen Krebsgesellschaft. Selbst ein ausgebuffter Verwaltungsprofi im Krankenwesen macht erst mal seine Erfahrung mit Versicherungen und dem Rentenwesen, zumal man frisch nach der Diagnose Krebs kaum in der Verfassung für stundenlange Rechtsauseinandersetzungen ist.

Auch dafür sind Selbsthilfegruppe sowie die überörtlichen Organisationen da. Und natürlich präsentieren sich neben Friseur und Perückenmacher, Pflegeeinrichtungen und Therapie-Angeboten auch Palliativ-Einrichtungen auf der Messe diese Woche im Bürgerhaus im Ostend – aber da ist Roman Schiele wieder ganz in seinem Vital-Element: „Bei uns wird nicht nur Trübsinn geblasen.“ Es ist eine tiefe Lebenserfahrung aus der Krankheit heraus: „Alles wird anders, aber nicht alles wird schlechter.“ Die Angst wird sich vollends nie besiegen lassen. Aber Roman Schiele ist jetzt – nach sieben schweren Operationen und unzähligen Therapien – gerade auf dem Schritt, seine Verrentung aus dem Jahr 2010 wieder rückgängig zu machen. Denn die Stunden, die er schon wieder als Verwaltungsleiter einer Klinik in Nürnberg tätig sein kann, sind ihm zu wenig. „Mindestens halbtags“ will er es wieder wissen. Dass es aus dem von ihm federführend vorangetriebenen Projekt einer neuen Reha-Klinik in Neuburg dann doch nichts geworden ist, weil der Investor im letzten Augenblick absprang, bedauert niemand so sehr wie Roman Schiele, der, „weil wir uns wirklich wahrnehmen“, weiß, „worauf es ankommt.“ Eine Woche rückt die Aktionsgruppe jetzt mit Ausstellungen und Vorträgen in die öffentliche Aufmerksamkeit – jeden dritten Donnerstag im Monat trifft man sich im Bürgerhaus im Ostend.