Neuburg
Unterschiedliche Sichtweisen prallen aufeinander

Abbruch der Fußballsaison 2019/21: Verband und Vereine auf der schwierigen Suche nach einvernehmlicher Lösung

15.04.2021 | Stand 15.06.2021, 3:34 Uhr
Das Tor steht leer, das Spielfeld ist verwaist. So, wie es gerade aussieht, wird dieser Zustand noch eine ganze Weile anhalten. −Foto: Pixabay

Neuburg - Die Fußballsaison 2019/21 kann abgehakt werden.

Eine Wiederaufnahme der inzwischen seit fast sechs Monaten unterbrochenen Spielzeit ist schier nicht mehr möglich. Das sieht auch der Bayerische Fußball-Verband so. Allerdings: "Ein formeller Beschluss zum Abbruch sollte aus formalen Gründen noch nicht aktuell getroffen werden", heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung des BFV.

Nun geht es darum, das Ende einigermaßen erträglich für die Vereine zu gestalten. Einfach dürfte das nicht werden; darüber ist sich der Verband durchaus im Klaren und sucht deshalb die Abstimmung mit den Vereinen.

Erst kürzlich hatte der Verband einen Stufenplan vorgestellt, wie die Saison doch noch durchgezogen werden könnte. Demzufolge wäre ein nahezu uneingeschränkter Trainingsbetrieb ab spätestens 3. Mai nötig gewesen. Doch dann verlängerte die Staatsregierung den Lockdown bis mindestens 9. Mai - das endgültige Todesurteil für die Meisterschaft.

Die meisten Vereine dürften diese Botschaft erwartet haben und die wenigsten werden Trauer darüber verspüren. Aus dieser Saison war, um es offen anzusprechen, die Luft bereits draußen. Die Pause war einfach zu lang und die äußeren Umstände standen dagegen. Fast durch die Bank schätzten die Trainer das Verletzungsrisiko hoch ein: Die Vorbereitungsphase zu kurz, die Belastung durch unvermeidliche Englische Wochen zu hoch und die Regenerationsphase zwischen alter und neuer Saison nicht ausreichend. "Wir sind nur Amateure", war immer wieder zu hören. Diese Aussage bezog sich auch auf die Motivation der Spieler, die ihre Freizeit nicht ausschließlich auf dem Fußballplatz verbringen wollen.

Dazu kommen die anstehenden Vereinswechsel. Wird ein Spieler oder ein Trainer für wenige Wochen noch den letzten Einsatz für einen Verein geben, dem er bereits Lebewohl gesagt hat? Manche sprachen sogar von Wettbewerbsverzerrung, weil sie nicht glaubten, dass Mannschaften in gesicherter Position, ohne Chancen auf den Aufstieg, aber auch ohne Gefahr abzusteigen, die Matches mit aller Entschlossenheit angehen würden. Die Übungsleiter erarbeiten seit einem halben Jahr Fitness- und Trainingspläne, die sie samt und sonders in den Papierkorb werfen können - ein frustrierendes Erlebnis.

Insgeheim scheint von der überwiegenden Mehrheit der Vereine und Teams eine Last abgefallen zu sein. Das heißt jedoch nicht, dass nun überall "Friede, Freude, Eierkuchen" herrscht. Als Stein des Anstoßes dient der neu eingeführte Paragraf 93 der Spielordnung. Er besagt, dass im Falle eines Saisonabbruchs die Anwendung der Quotienten-Regelung mit Auf- und Absteigern unter Wegfall der Relegation greift. Das dürfte einigen Vereinen missfallen, die über die Quotientenregelung absteigen müssten, aber im Fall einer regulären Spielzeit durchaus noch Chancen auf den Klassenerhalt gehabt hätten.

Mehr als 50 Vereine haben jüngst in einem Schreiben an den Verband gefordert, diesen Teil des Paragrafen 93 nicht anzuwenden, also niemanden absteigen zu lassen. Dafür wären sie bereit, größere Ligen zu akzeptieren.

Ebenso wenig dürften Clubs begeistert sein, die sich Hoffnungen auf einen Aufstieg per Relegation machen könnten. Obwohl man das pauschal nicht behaupten kann. Der VfR Neuburg etwa liegt auf dem zweiten Tabellenplatz in der Landesliga. Dennoch unterstützt Chefcoach Alexander Egen den Spielabbruch, weil er keinen Sinn in einer Weiterführung erkennen kann.

Der BFV muss also mit einer Vielzahl an Einsprüchen und Klagen rechnen, was er unbedingt vermeiden will - es könnte Wunden hinterlassen, die sich nur schwer wieder heilen lassen. Die Lage ist sehr heterogen, wie der Verband anhand von Rückmeldungen erfahren hat. "In den vergangenen Wochen gingen mehrere offene Briefe und einzelne Anträge von Vereinen ein, die zum überwiegenden Teil in den Abstiegskampf involviert sind und den BFV auffordern, die gültige Quotienten-Regelung nicht zur Anwendung zu bringen oder noch einzelne Spiele zur Veränderung der Quotienten zuzulassen. Wiederum andere Klubvertreter bitten um die verbindliche Umsetzung des §93 und es gibt auch Stimmen, die sich für eine Fortsetzung der Saison über den 30. Juni 2021 hinaus einsetzen", heißt es seitens des Verbandes.

"Wir müssen die Sicht der betroffenen Vereine akzeptieren und wollen diese auch nicht mit dem bloßen Hinweis auf die bestehenden Bestimmungen abweisen, wenngleich es unsere Aufgabe ist, möglichst allen Vereinen - also auch denjenigen, die sich auf die geltenden Regeln verlassen haben - gerecht zu werden. In der Konsequenz bleibt es dabei, dass wir davon ausgehen, dass es das wachsende Infektionsgeschehen nicht mehr erlauben wird, unter Berücksichtigung einer bayernweit einheitlichen und angemessenen Vorbereitungsphase auch nur einzelne Spiele in den Ligen noch anzusetzen. Gänzlich ausschließen lässt sich das aufgrund der nur bis zum 9. Mai gültigen Verordnung des Freistaats am heutigen Tage aber nicht", sagt Reinhold Baier, der für Rechtsfragen zuständige Vize-Präsident. "Der Verband ist keine Einbahnstraße und wir übergehen die jetzt bei uns eingegangenen Anträge und Briefe nicht einfach", versichert Vize-Präsident Robert Schraudner, hat aber auch eine Mahnung parat: "Wir sollten bedenken, dass es ein Leichtes ist, jetzt zu fordern, die Quotienten-Regelung auszusetzen und stattdessen nur Aufsteiger zuzulassen und den Abstieg nicht zu vollziehen. Die Konsequenzen wären extrem weitreichend, das muss man sich sehr genau ansehen. Stand heute haben wir mit dem §93 eine klare Regelung mit Auf- und Absteigern. " Die Pandemie werde auch die Saison 2021/22 begleiten und Verband wie Vereine vor erneute Herausforderungen stellen. "Wir müssen übervolle Ligen und damit eine Vielzahl an zusätzlichen Spieltagen möglichst vermeiden, um nicht wieder an den Punkt zu kommen, an dem wir jetzt stehen. Dabei ist es unser Wunsch, die Vereine mit auf die Fahrt durch schwieriges Gewässer zu nehmen. Klar ist aber auch: Jede Lösung wird am Ende Härtefälle hervorbringen", hebt Schraudner hervor.

Der Bezirks-Vorsitzende des BFV in Oberbayern leitet die jetzt vom Vorstand eingesetzte Gruppe, die sich in den kommenden Tagen nochmals spieltechnisch und sportrechtlich mit allen infrage kommenden Modellen zur Abwicklung der Saison 2019/21 auseinandersetzen wird.

Formell hatte der BFV-Vorstand am Mittwochabend wie angekündigt den Ligapokal-Wettbewerb mit Ausnahme der Regionalliga Bayern abgebrochen, erinnert der Verband. Zudem findet aktuell der Austausch mit den betroffenen Vereinen und dem Bayerischen Innenministerium hinsichtlich des weiteren Vorgehens für den Toto-Pokal-Wettbewerb sowie für die Play-offs und den Ligapokal-Wettbewerb der Regionalliga Bayern statt.

DK