Salzburg
Unterhaltung im Grandhotel

Unkritisch inszeniert, perfekt musiziert: Sven-Eric Bechtolfs "Don Giovanni" in Salzburg

08.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:27 Uhr

Des anderen Braut: Don Giovanni (Ildebrando D'Arcangelo) macht auch vor Mamsell Zerlina (Valentina Nafornita) und das an deren Hochzeitstag nicht Halt. - Foto: Gindl/AFP

Salzburg (DK) Rechts eine gut sortierte Bar, links eine Sitzgruppe für Businessgespräche und beiderseits Treppen, die zu den Zimmern im ersten Stock führen. Eine in Erdfarben holzgetäfelte, meist diffus beleuchtete Hotellobby im Stil der 1950er-Jahre stellte Rolf Glittenberg auf die Bühne des Salzburger Hauses für Mozart, auf der Sven-Eric Bechtolf seine Neueinstudierung von Mozarts Oper aus dem Jahr 1787 angesiedelt hat.

Ein Ambiente, in dem Don Giovanni als Womanizer zu ebener Erde und im ersten Stock seinen Liebesabenteuern im Hormonrausch nachgeht: Donna Elvira, die er erst kürzlich geheiratet und alsbald wieder verlassen hat, zickt an der Hotelbar massiv, als sie sieht, wie ihr Ex mit Donna Anna anbandelt. Deren Vater, den Komtur, ersticht er nicht selbst, sondern führt Donna Anna beim Mord mit einem Messer die Hand, als dieser die Ehre seiner Tochter verteidigen will.

Und weiter geht's treppauf, treppab in dieser etwas angestaubten Fünf-Sterne-Unterkunft - mit tatkräftiger Unterstützung seines Dieners Leporello - mit den Sexabenteuern des spanischen Granden in der Lobby und in den Suiten des Hotels. Zerlina, hier eine Serviermamsell des Hauses und Braut des braven und verständlicherweise eifersüchtigen Masetto, ent- und verführt er während ihrer Hochzeitsfeier. Und als Donna Elvira ihre Geschlechtsgenossinnen vor dem unersättlichen Sexprotz warnt, stellt er deren Verhalten als Folge eines hysterischen Anfalls dar, bis er nach all den Eskapaden am Ende von dem wieder zum Leben erwachten Komtur zur Rechenschaft für all seine ruchlosen Taten gezogen wird. Aber Don Giovanni fährt in dieser Inszenierung nicht zur Hölle, sondern er erhebt sich zum Schlusssextett, um nach einer neuen weiblichen Beute Ausschau zu halten, während Leporello sich die Teufelsmaske über das Haupt stülpt.

Dass Don Giovanni mit seinen rastlosen Eroberungen kein Weiberheld, sondern ein Psychopath ist, und dass er Frauen ausschließlich als Sexobjekte ansieht, die auf sein Macho-Gebalze hereinfallen und ihrem Verführer und Vergewaltiger bisweilen noch verzeihen, sollte eigentlich einen Regisseur heute mehr interessieren, als Lorenzo Da Pontes Libretto nur spannend und unterhaltsam zu bebildern. Einen rasant abschnurrenden, aber wenig kritischen Krimi aus einem Nobelhotel hat Sven-Eric Bechtolf als Interimsintendant der Festspiele hier inszeniert, für den er vom Salzburger Premierenpublikum reichlich zustimmenden Applaus erhielt, aber auch einige Buhrufe einstecken musste.

Uneingeschränkten Jubel gab's jedoch für die großartigen musikalischen und sängerischen Leistungen, vor allem für Carmela Remigios hinreißende Koloraturen der Donna Anna, für Layla Claires schöne, gut geführte Sopranstimme und ihr ausdrucksstarkes Spiel als Donna Elvira sowie für Valentina Nafornitas innigen Gesang als Zerlina. Während Alain Coulombes Komtur, der zum letzten Gastmahl aus der Hotelküche schreitet, die Bassgewalt leider fehlte, brillierte Ildebrando D'Arcangelo als fieser, aber brillant singender und spielender Don Giovanni, assistiert von seinem ebenso abgefeimten, zu jeder Schandtat - wie zu den mitreißend gesungenen Arien und Duetten - bereiten Diener Leporello des Luca Pisaroni. Dazu Paolo Fanale mit lyrischer Tenorstimme als Donna Annas Bräutigam Don Ottavio und Jurij Samoilov als wütender, aber mit baritonalem Wohllaut singender Hochzeiter Masetto. Ebenso sensibel wie forsch führte Alain Altinoglu, Musikdirektor des Théâtre Royal de la Monnaie in Brüssel, die hingebungsvoll spielenden Wiener Philharmoniker durch Mozarts herrliche Melodien.

Weitere Vorstellungen heute sowie am 13., 18. und 21. August. Karten unter (0043) 662-804 55 00.