Ingolstadt
"Unser Chor ist erwachsen geworden"

Dirigent Martin Steidler und die Audi-Jugendchorakademie präsentieren zum zehnjährigen Bestehen heute Haydns "Schöpfung"

18.07.2018 | Stand 02.12.2020, 16:03 Uhr
Die Audi Jugendchorakademie hat bei ihrem ersten Auftritt vor zehn Jahren schon einmal Haydns "Schöpfung" präsentiert. −Foto: Foto: Zapf

Ingolstadt (DK) Joseph Haydns opulentes Oratorium "Die Schöpfung" und die seit zehn Jahren bestehende Audi-Jugendchorakademie verbindet so einiges - nicht nur, dass dieses Werk damals das erste war, mit dem sich der junge Chor präsentierte.

Beide schlugen bei ihrer Premiere quasi ein wie eine Bombe. Zur Feier der ersten Dekade der Chorgeschichte hat Dirigent Martin Steidler das Erfolgsoratorium erneut auf den Spielplan im Rahmen der Audi Sommerkonzerte gesetzt und probt mit seinen Sängern und Musikern auf Hochtouren für die heutige Aufführung im Festsaal des Stadttheaters Ingolstadt.

Herr Steidler, vor zehn Jahren war Haydns "Schöpfung" das erste Konzert, das die Audi-Jugendchorakademie - damals frisch gegründet - gegeben hat. Warum fiel die Wahl damals auf dieses Oratorium zum Einstand?

Martin Steidler: Weil es ein ganz wunderbares Werk ist, eine tolle Herausforderung für den Chor und für das Publikum immer wieder ein Erlebnis - und vor allem, weil es ein Werk ist, das von jungen Menschen sehr authentisch und schön musiziert werden kann. Denn diese urwüchsige Begeisterung, dieses Staunen über die Schönheit der Natur findet in ihrer Erlebniswelt besonders viel Widerhall.

Damals standen Sie bei der Aufführung nicht am Dirigentenpult, sondern haben im Vorfeld die Choreinstudierung übernommen. An welche besonderen Situationen aus der Probenphase erinnern Sie sich?

Steidler: Da gab es einen wirklich ganz tollen Moment: Wir hatten zum Vorsingen für dieses Projekt als Pflichtstück "Die Himmel erzählen die Ehre Gottes" ausgewählt. Bei der ersten Probe fingen wir dann an, diesen Chor gemeinsam zu singen. Der lief gleich los und war eigentlich schon konzertreif. Alle waren neugierig, wie gut es denn die anderen können, alle beherrschten das Stück perfekt. Das als Start - das war so ein richtiger Flash gleich am Anfang!

Aktuell zum zehnjährigen Bestehen haben Sie sich noch einmal für die Schöpfung entschieden. Schließt sich damit für Sie ein Kreis - so nach dem Motto "Back to the roots"? Oder wollen Sie vielmehr zeigen, wie sie jetzt im Vergleich zu damals klingt?

Steidler: Beides. Wir blicken einerseits mit Freude zurück auf diesen schönen Beginn vor zehn Jahren. Das brachte die Idee auf, mit diesem Oratorium wieder in Ingolstadt aufzutreten. Ander-erseits wollen wir auch zeigen, was mittlerweile gereift, was gewachsen ist - auch in der langjährigen Zusammenarbeit mit der Akademie für Alte Musik Berlin. Unser Chor ist erwachsen geworden und hat viel Input bekommen in den letzten Jahren. Das schlägt sich in der musikalischen Reife und in den stimmlichen Möglichkeiten nieder.

Wie verläuft die Einstudierung diesmal?

Steidler: Bei diesem Projekt ist erstmals niemand mehr von der "Ursprungsbesetzung" des Chores dabei. Allerdings werden viele Ehemalige im Publikum sitzen. Der Chor hat in diesem Stück eine sehr tragende, exponierte Rolle, eine wichtige dramaturgische Funktion. Er ist das Bindeglied zwischen allen Teilen. Tatsächlich ist es dem Chor bei der "Schöpfung" in erster Linie vorbehalten, die großen Lobpreis-, Freuden- und Jubelgesänge, das Staunen über die Vollendung zu übernehmen. Das heißt, dass es sich musikalisch immer um die strahlenden, großen tutti-Besetzungen handelt. Mit der Akademie für Alte Musik, mit den historischen Instrumenten ist dabei von vornherein eine Transparenz vorhanden, die es nicht zum Problem werden lässt, dass der Chor gut darüber kommt. Immer ganz wichtig - vor allem bei unserer großen Chorbesetzung - ist natürlich die sprachliche Exaktheit, die Sprachgestaltung, die so gut ausgearbeitet werden muss, dass sie beim Hörer ankommt.

Welchen Unterschied macht es für Sie, nun nicht als reiner Chorleiter zu fungieren, sondern auch das Aufführungsdirigat innezuhaben und damit Einfluss auf den Gesamtzusammenklang, also auch auf Solisten und Orchester, nehmen zu können?

Steidler: Es ist mit Sicherheit ein Traum für jeden Dirigenten, die "Schöpfung" leiten zu dürfen. Einfach wunderbar, wenn man das Gesamtkonzept verantworten darf und mit so hervorragenden Musikern zusammen musizieren kann. Ich liebe beides: Auch den Chor einzustudieren und dann zu übergeben, empfinde ich als eine wunderschöne Sache. Aber jetzt zum Jubiläum einmal alle Fäden in der Hand zu halten, ist einfach eine Freude und Ehre für mich!

Was macht für Sie mit Ihrem Chor das Spezielle an der Zusammenarbeit mit der Akademie für Alte Musik Berlin und den drei Gesangssolisten aus?

Steidler: Bei unserem Chor handelt es sich ja ebenfalls um eine Akademie. Den vereinenden Gedanken, dass jedes Projekt neue Horizonte, neue Ideen bringt, erachte ich für ganz bedeutsam. Von daher finde ich auch die Begegnung mit drei so herausragenden Solisten, die große Erfahrung in diesem Stück mitbringen, extrem spannend für unsere Sänger. Gleiches gilt für die Akademie für Alte Musik - eine Gruppierung von exzellenten Künstlern auf allen Instrumenten, in allen Positionen, die unheimlich inspiriert spielen, enorm viel einbringen. Auch als Chorsänger kann man da viel mitnehmen.

Was konkret bleibt für alle künstlerisch Beteiligten jetzt im heißen Probenendspurt noch zu tun?

Steidler: Die Konzentration halten, die Spannungskurve aufbauen bis zum Konzert. Den Hunger auf ein ganz besonderes Musikerlebnis wecken. Im Moment haben wir noch jede Menge Arbeit. Wir sind gerade dabei, alles zusammenzusetzen und auszubalancieren, aufeinander zu reagieren. Jede Probeminute ist kostbar, um das schönstmögliche Ergebnis zu erzielen.

Das Gespräch führte

Heike Haberl.