Ingolstadt
Unparteiisch aus Prinzip

Die Freien Wähler blicken auf ihre 65-jährige Geschichte zurück – und schauen selbstbewusst nach vorn

19.06.2013 | Stand 03.12.2020, 0:00 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Die Freien Wähler (FW) in Ingolstadt werden 65 Jahre alt. Bei der Gründung hieß das Bündnis noch Unabhängige Wählerschaft (UW). Das Jubiläum wird am 6. Juli gefeiert. Die FW und ihr OB-Kandidat Peter Springl ziehen selbstbewusst in den Wahlkampf: „Wir bleiben die Brücke zum Bürger!“

Erna Mißlbeck und ihre drei Kinder waren sehr unabhängig, denn den Familienvater sahen sie eher selten. Sepp Mißlbeck senior diente seiner Heimatstadt als dritter Bürgermeister, und das voller Hingabe. Als Mitbegründer der Unabhängigen Wählerschaft (UW) gehörte der Drechslermeister zu den angesehensten und einflussreichsten Politikern der Stadt. Auf ihn hofften viele, wenn sich CSU und SPD, die damals auf Augenhöhe agierten (daran erkennt man, wie lange das her ist), nicht einigen konnten. Dann entdeckten beide Seiten ihre Liebe zur UW, der Mehrheitsgarantin. Für die Familie Mißlbeck bedeutete das: Kam der Vater doch mal heim, konnten seine Kinder Erni, Monika und Sepp auch nicht viel mit ihm anfangen, weil er ständig Politiker im Schlepptau hatte, mit denen er debattierte.

Sepp Mißlbeck junior, geboren 1944 und seit fünf Jahren dritter Bürgermeister, erinnert sich gut: „Die Entscheidungen fielen bei uns im Wohnzimmer – oft erst nachts um 2. Und meine Mutter hat dazu Butterbrote mit Schnittlauch gemacht.“

Ohne die Unabhängigen ging anfangs wenig in der Stadt. 1948 hatten es gleich sechs UWler in den damals 31 Sitze zählenden Stadtrat geschafft: Rudolf Gail, Friedrich Draußnick und vier Josefs: Josef Listl (der später zur CSU konvertierte und Oberbürgermeister wurde), Josef Weinzierl, Josef Winter und Josef „Sepp“ Mißlbeck. Die Unabhängigen etablierten sich als feste Größe, auch wenn ihr Anteil langsam sank. 1952 holten sie vier Stadtratsmandate, 1956 zwei, 1960 drei, 1966 vier, 1972 drei, 1978 zwei, und als Johann Bierschneider von 1984 bis 1990 die UW im Stadtrat als Einzelkämpfer vertreten musste, war der Tiefpunkt erreicht.

Eine Wiederbelebung tat Not. Das gelang einer neuen Generation leidenschaftlicher Unabhängiger, an ihrer Spitze Mißlbeck junior, Alfred Hagn, Helmut Stich und Johann Stachel, die 1990 in den Rat einzogen. 1998 beschlossen die Mitglieder nach langen Diskussionen, sich in Freie Wähler umzubenennen. Bis heute sind sie keine Partei, sondern ein Verein.

Mit den Frauen haben sie es allerdings nicht so: Von den 31 UW/FW-Mitgliedern, die es seit 1948 in den Stadtrat geschafft haben, waren genau zwei weiblich: Carina Liepold und Veronika Peters. Derzeit ist die FW-Fraktion mit zehn Stadträten, davon zwei SPD-Überläufer, die zweitstärkste aller Zeiten – und wieder eine reine Herrenriege.

Und die zieht mit ihrem frisch gekürten OB-Kandidaten Peter Springl selbstbewusst in den Wahlkampf. Der stehe der Stadt „sehr gut zu Gesicht“, betonte Mißlbeck gestern bei der Vorstellung des Programms zum 65. Gründungsjubiläum. „Mit Peter Springl bleiben die Freien Wähler die Brücke zum Bürger!“

Hans Stachel konnte sich einen dezenten Seitenhieb nicht verkneifen: „Wir sind eine langjährige Bürgerbewegung, die um so bemerkenswerter erscheint, wenn man sieht, welche Halbwertszeiten andere Bürgerbewegungen an den Tag legen.“

Das Jubiläum wird am Samstag, 6. Juli, im Stadttheater gefeiert. FW-Chef Hubert Aiwanger hält die Festansprache. Star des öffentlichen Teils ist der Kabarettist Wolfgang Krebs. Er tritt ab 20 Uhr mit den Bayerischen Löwen im Exerzierhaus auf.