Unisex-Tarife - Was passiert mit den Altverträgen?

27.09.2012 | Stand 03.12.2020, 1:01 Uhr

„Bestehende Verträge sind von den Unisex-Neuregelungen nicht betroffen“ - mit solchen oder ähnlichen Aussagen wollen die Versicherer ihren Kunden die Angst davor nehmen, dass die geschlechterunabhängige Kalkulation von Versicherungsverträgen, die zum Jahresende Pflicht wird, zu einem schlechteren Versicherungsschutz führt.

Fakt ist jedoch: Bestehender Versicherungsschutz kommt nur solange mit dem Thema Unisex nicht in Berührung, wie der Vertrag nicht verändert wird. Der Vertrag muss also ohne Ergänzungen, Erweiterungen oder Leistungskürzungen wie bisher auch nach dem 21. Dezember 2012 bestehen bleiben.

Was ist, wenn sich der Vertrag verändert?

Nicht selten aber ändern sich bestehende Verträge auch nach Abschluss: So kann eine Rentenversicherung eine Dynamik vorsehen, bei der der Beitrag und die Leistungen Jahr für Jahr automatisch angepasst werden. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung kann eine Nachversicherungsgarantie vorsehen, mit der die Rente erhöht werden kann. Oder ein Vertrag wird z. B. wegen finanzieller Probleme erst einmal ausgesetzt und später wieder in Kraft gesetzt. Gilt in solchen Fällen die bisher gültige geschlechterabhänge Kalkulation der Prämie – oder muss geschlechtsneutral kalkuliert werden? Oder anders gefragt: Sind solche Änderungen nach dem 21. Dezember 2012 teurer als bisher?

Gravierende Änderungen

Maßstab dafür ist, ob der Vertrag gravierend geändert wird – ist das der Fall, müssen die Unisex-Spielregeln angewandt werden. Bei kleineren Änderungen kann dagegen nach den bisherigen Regeln zwischen Mann und Frau unterschieden werden. Das Problem: Niemand weiß, was gravierend eigentlich bedeutet – auch die Versicherer tappen im Dunkeln. Bei den meisten Versicherern gilt die Regel: Wenn Änderungen vom Kunden einseitig vorgenommen werden können, dann wird wie bisher geschlechterabhängig kalkuliert. Denn diese einseitigen Änderungen − wie zum Beispiel eine Dynamik im Vertrag oder das Ziehen der Option einer Nachversicherung − sind im alten, geschlechterspezifisch kalkulierten Vertrag angelegt.

Anders sieht es bei Änderungen und Erweiterungen aus, die in Absprache mit der Versicherung stattfinden bzw. von der Zustimmung der Versicherung abhängig sind − wie etwa Zuzahlungen in bestehende Altersvorsorgeverträge. In solchen Fällen sollen die neuen Unisex-Tarife Kalkulationsgrundlage sein. Wie unsicher die Versicherer selbst sind, zeigen die Hinweise in deren Informationsblättern: Dort wird mal darauf verwiesen, dass eine abschließende Klärung von Detailfragen noch offen sei, ein anderes Mal heißt es lapidar, dass die mitgeteilte Regelung sich nur auf den derzeitigen Kenntnisstand beziehe.

Wann die Unisex-Regeln gelten – und wann nicht
Den Kunden trifft es auch gravierend – in Form gravierender Verunsicherung. Denn die Unklarheit betrifft keinesfalls nur die Verträge, die jetzt kurz vor Ablauf der alten Regelung abgeschlossen werden – sondern alle bestehenden Versicherungen. Dennoch ist das Ganze kein Grund zur Panik – höhere Prämien oder geringere Leistungen bei unveränderten Prämien werden nur bei Verträgen wehtun, die nachträglich massiv geändert werden − wie z. B. Altersvorsorgeverträge.

Beispiel: Wer für die Vorsorge nur einen Basisvertrag abgeschlossen hat oder abschließen will, den er dann je nach Finanzlage mit Zusatzzahlungen füttern will, der wird mit den Unisex-Tarifen als Mann in aller Regel schlechter fahren, weil Männern bisher bei der Rentenberechnung mehr Rente in Aussicht gestellt wurde, da sie statistisch früher sterben. Die Einmalzahlungen bringen nach den Unisex-Tarifen in aller Regel eine um bis zu 20 Prozent geringere Rente als bisher – bezogen jedoch nur auf die Einmalzahlung.

Weniger einschneidend sind die Auswirkungen bei Verträgen, die lediglich erweitert werden. Beispiel: Ein Versicherungsprodukt mit einer Monatsprämie von 30 Euro wird ein Euro teurer – die Erhöhung wird nach Unisex-Regeln erfolgen, der restliche Vertrag wird aber nicht berührt. In dem Fall dürfte der Unterschied zwischen Unisex- und Nicht-Unisex-Kalkulation aber lediglich im Bereich von einigen Cent liegen.

Und was macht der Kunde?


Bei älteren Bestandsverträgen besteht in der Regel kein Handlungsbedarf – etwaige Änderungen sind im Vertrag angelegt und werden sich entsprechend auswirken. Soll aktuell noch ein Vertrag abgeschlossen werden, muss der Kunde sich umfassend beraten lassen. Nur ein Vertreter, Makler oder unabhängiger Versicherungsberater kann zeigen, wie sich die Unisex-Kalkulation auf die gewünschte Vertragsgestaltung auswirken kann – es gibt schlicht keine Faustregel, nach der bei Police A das zu tun ist, während bei Police B etwas ganz anderes gilt. Jeder Fall muss individuell beraten werden!

Unisex-Schlussverkauf

Grundsätzlich zeigt das Problem aber, dass ein Schlussverkauf nur wegen möglicher Vor- und Nachteile der Unisex-Tarife selten sinnvoll ist. Entscheidend ist, wie ein guter Versicherungsschutz oder eine individuelle Vorsorgelösung aussieht – und dabei sind mögliche Unisex-Auswirkungen nur ein kleiner Baustein im Rahmen einer Lösung, die zu Ihnen passen muss. Es kommt daneben aber auch auf eine Vielzahl weiterer Fragen an, die beantwortet werden müssen: So mag es bei einem Vertragsabschluss heute unsicher sein, wie sich die Unisex-Regel auswirkt, aber er sichert eben den gewünschten Schutz sofort ab. Wer bis 2013 wartet, läuft eventuell Gefahr, den gewünschten Schutz nicht oder nur mit Einschränkungen zu bekommen, weil sich z. B. der Gesundheitszustand verschlechtert hat. Oft wirkt sich auch das geringere Einstiegsalter positiv auf die Prämie aus – Sie zahlen schlicht einen günstigeren Einstiegspreis.

Berater in der Falle


Besonders arg trifft die Situation im Übrigen alle Berater, die jetzt Policen anbieten – ob mit oder ohne Unisex-Argument. Denn die Auswirkungen möglicher Vertragsänderungen gehören ins Beratungsgespräch − stellt ein Makler die komplexe und undurchsichtige Lage mit allen Auswirkungen nicht umfassend und vor allem richtig dar, so könnte sich das leicht zu einem Beratungsfehler auswachsen, für den er haften muss. Die Beratungsgespräche rund um das Thema Unisex dürften damit oft zu einem Eiertanz werden – mit ungewissem Ausgang für alle Beteiligten − vom Kunden über den Verkäufer bis hin zum Versicherer.