Wolnzach
Ungleichheit schürt Unzufriedenheit

Wirtschaftsexperte Marcel Fratzscher spricht bei Barth-Hopfen-Akademie über Zeiten des Populismus

21.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:37 Uhr

Wolnzach (era) Mit Marcel Fratzscher (Foto: Anna Ermert), Professor für Makroökonomie und Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, hat am Donnerstagabend vor der Barth Hopfen-Akademie ein Referent gesprochen, "der überall in der Welt gelebt hat, bei jeder Krise vor Ort war und am Donnerstagabend den Weg nach Wolnzach ins Hopfenmuseum gefunden hat". Mit diesen Worten begrüßte Stephan Barth, geschäftsführender Gesellschafter bei Joh.

Barth & Sohn, den Referenten und die zahlreich erschienenen Gäste, die zum großen Teil aus Wirtschaftsunternehmen kamen.

"Wirtschaftliche Aussichten in Zeiten des Populismus" war Thema des Abends und Fratzscher kam sofort zum Punkt. Wie konnte Donald Trump so viele Wähler für sich gewinnen? Weil sich die Amerikaner in Stich gelassen fühlten, es gäbe dort viele soziale Konflikte. "Vieles aus Amerika trifft auch bei uns zu. In Deutschland geht auch die Schere auf, daher kommt auch der Widerstand gegen die bestehende Politik und das ist eine große Herausforderung für Deutschland in den kommenden Jahren", so Fratzscher. "40 Prozent der Deutschen haben nichts, worauf sie zurückgreifen können und dabei ist Deutschland innerhalb der Europäischen Union das Land mit der höchsten Vermögensungleichheit." 70 Prozent fänden diese Ungleichheit ungerecht. Kein Wunder, dass Populisten starken Zulauf hätten.

Fratzscher nennt viele Ursachen wie etwa die Veränderung der Gesellschaft oder Migration. Durch Verlagerung ins Ausland oder Digitalisierung gingen viele Jobs verloren, kritisiert werde die massive Zuwanderung von Menschen aus anderen EU-Ländern und die fehlende Chancengleichheit für Kinder aus finanziell schwachen Familien. Es seien seit Jahren keine politischen Reformen mehr durchgeführt worden, weder in der EU noch in Deutschland.

Fratzscher führte aus, dass Asien, Indien und China über eine unglaubliche Wachstumsdynamik verfügten, weil sie so bevölkerungsstark sind, Europa dagegen sei das schwächste Glied. In Deutschland werde man nie mehr zu den Wachstumszahlen der vergangenen Jahre zurückkehren, man verliere an Effektivität. Man habe ein falsches Sparverhalten, es gäbe zu wenig eigene Immobilien und man traue sich nicht an Aktienkäufe heran.

Der Referent gab sich überzeugt, dass es sich Deutschland nicht leisten könne, die Grenzen geschlossen zu halten. Seine große Sorge sei, dass auch andere EU-Länder dem Beispiel Großbritanniens folgen könnten: "Das wäre eine Katastrophe, denn man braucht ein starkes Europa, ein globales Europa".

An den Vortrag schloss sich eine Diskussion an. Es gab viele Fragen zum Außenhandelsdefizit der USA. Was könne man gegen Altersarmut tun, auch das wurde gefragt. "Private Vorsorge ist absolut nötig", mahnte Fratzscher. Das Rentenniveau sei sehr niedrig im Vergleich zu anderen Ländern. Wie sieht die Zukunft aus? "Worse case" wäre der Austritt eines großen Eurolandes, auf die Depression könne der Zusammenbruch des Euros folgen. "Best case" wäre ein Ende der Europakrise, andere EU-Länder könnten ein besseres Wachstum erreichen. Das wahrscheinliche Szenario werde sein, dass dazu die EU noch drei bis vier Jahre benötigt.

Die Fragen wollten kein Ende nehmen, man spürte die "German Angst" sehr deutlich.