Ungeliebtes Rotwild

18.08.2011 | Stand 03.12.2020, 2:30 Uhr

Gewohnter Anblick: Wie viele Hirsche im Freistaat leben auch diese Exemplare beim Altmannsteiner Ortsteil Hexenagger in einem abgezäunten Bereich. Das soll nach Meinung von Experten auch so bleiben - Foto: Erl

Riedenburg/Kelheim (er) Die Hirschlederne mit Hosenträger ist für Bayerns Trachtenbuben so unverzichtbar wie der Hirsch als mächtiges Bierfass auf dem Oktoberfest und die Hirschsalami als kulinarische Stärkung dazu.

Als Bestandteil von Flurnamen in unserer Region ist das stolze Tier ebenfalls noch vielfach verwurzelt – wie das Hirschangerl bei Baiersdorf oder der Hirschensprung bei Gut Schwaben. Im Innenhof von Schloß Hirschberg bei Beilngries prangen gar noch die Geweihe der Hirsche, die in den Wäldern dort noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts gejagt wurden.
 

Doch seither ist der König der Wälder auf gesetzliche Anordnung hin aus ebendiesen Forsten verschwunden. Die Hirsche haben ihre grenzenlose Freiheit eingebüßt und dürfen nur noch in ein paar genau festgelegten Rotwildgebieten ihre Fährten ziehen. Wenn es nach den Wünschen einiger Mitglieder der Deutschen Wildtierstiftung und des Bayerischen Jagdverbandes ginge, würde dies bald anders werden. In einer gemeinsamen Münchner Erklärung fordern sie, den Hirschen ihre Freiheit zurückzugeben. Sie argumentieren mit der genetischen Verarmung in den voneinander abgetrennten Rotwildgebieten. Wieder andere wollen den wild lebenden großen Pflanzenfressern alleine schon deshalb mehr Bewegungsfreiheit geben, weil in Bayern jetzt auch Wölfe und Bären wieder eine Heimat finden sollen – und die haben andere Tiere bekanntlich zum Fressen gern.

„Es gibt da immer ein Für und Wider“, antwortet der Kreisjagdberater Albert Blüml aus Teugn diplomatisch auf die entsprechende Frage. Diesbezüglich schlagen zwei Herzen in seiner Brust, denn Blüml ist sowohl Jäger als auch Waldbesitzer. „Wenn man Lebensräume so einengt wie beim Rotwild, dann ist das nicht gut. Aber eine Lösung muss man mit Vernunft angehen. Wenn das Rotwild wieder käme, gäbe es bei zu vielen Hirschen auch Schäden im Wald“, fürchtet er und meint damit die Eigenschaft der Tiere, die Rinde von den stehenden Fichten zu schälen. Dadurch können ganze Baumbestände nahezu wertlos werden. „Das ist ein diskussionsfähiges Thema, aber es muss sehr sensibel angegangen werden“, ist sein Fazit.

Viel deutlicher wird dagegen der Bauernverbandsobmann Thomas Obster. „Aus landwirtschaftlicher Sicht ist das nicht gut, es wären viele Wildschäden zu befürchten und es gäbe in der Folge viele Probleme. Rotwild ist in einer Kulturlandschaft wie der unseren nicht mehr vorstellbar. Wir sind nicht dafür, wir sind aber auch nicht für die Wiederansiedlung von Wolf und Bär“, so seine Stellungnahme.

Als Chef über die bayerischen Staatswälder in der Region ist auch Erwin Engeßer vom Forstbetrieb Kelheim von dem Vorstoß der Wildtierstiftung und des Jagdverbandes nicht angetan. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei uns Rotwild wieder heimisch wird. Es ist von der Biologie her eher für die freie Landschaft als für den Wald geeignet. Dieser Lebensraum aber ist besiedelt oder intensiv unter dem Pflug“, weiß der Fachmann. Engeßer hat bereits Erfahrung mit Rotwild, als junger Forstmann war er mehrere Jahre an einem Rotwildforstamt in der Oberpfalz tätig. „Es gab nur wenige Hirsche, aber ich war trotzdem erschrocken über die Waldschäden, die sie verursacht haben“, erinnert er sich.

Die Beamten der Unteren Jagdbehörde am Landratsamt Kelheim verweisen in der Frage, ob Rotwild hier wieder heimisch werden kann, auf die Zuständigkeit des bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. „In Paragraf 17 der Ausführungsverordnung zum Bayerischen Jagdgesetz wird festgelegt, dass das Hegen und Aussetzen von Rotwild nur in festgelegten Gebieten zulässig ist. Der Landkreis Kelheim ist hier nicht genannt“, lässt Sonja Endl von der Pressestelle der Kreisbehörde wissen. Sie sieht die Münchner Erklärung als Anstoß zur Diskussion über ein künftiges landesweites Biotopverbundsystem. „Wie der Erklärung des bayerischen Jagdverbandes zu entnehmen ist, bedarf es dabei des Konsens vieler verschiedener Gruppen“, ist auch sie überzeugt.