Greding
"Unendlich viele Befunde"

Martin Nadler gibt bei Vortrag einen Überblick über alte und neue Ausgrabungen Viel Arbeit im "Distelfeld"

31.03.2016 | Stand 02.12.2020, 20:01 Uhr

Die Kanalrohre liegen schon bereit: Während die Archäologen im neuen Baugebiet "Distelfeld" noch Befunde dokumentieren, steht die Baufirma für die Erschließung schon in den Startlöchern. - Foto: Karch

Greding/Thalmässing (HK) Die Gegend um Greding und Thalmässing war schon immer ein begehrtes Siedlungsgebiet. Deshalb stoßen die Archäologen, wenn sie im Vorfeld von neuen Baugebieten graben, auch stets auf viele Funde und Befunde.

In den vergangenen 20 Jahren hat es einige große Baustellen in der Region gegeben, weshalb Martin Nadler, der Leiter der Außenstelle Nürnberg des Landesamts für Denkmalpflege, bei seinem Vortrag im Museum Fundreich in Thalmässing auch überaus viel zu erzählen hatte. Er gab den vielen Zuhörern, die zum vorletzten Vortrag in der Winterreihe des Museums gekommen waren, einen Abriss über die Grabungen im Bereich der ICE-Trasse, der Kläranlage Großhöbing, eines Weges bei Großhöbing, der Radwegtrasse bei Obermässing, des Rinderstalls von Peter Dorner in Thalmässing, des neuen Rewe-Marktes in Thalmässing und des künftigen Siedlungsgebiets "Distelfeld" in Greding.

Während die Grabung in Greding noch voll im Laufen ist und erst wenige Funde und Befunde ausgewertet sind, hat die Grabung im Bereich der ICE-Trasse zwischen 1995 und 2002 bereits im Archäologiemuseum Greding ihren Niederschlag gefunden. Martin Nadler nutzte seinen Vortrag denn auch gleich, um für das Gredinger Museum die Werbetrommel zu rühren. Die sich über sieben Jahre erstreckende Grabung im Bereich der ICE-Trasse sei eine der größten zusammenhängenden Grabungen überhaupt gewesen. Dabei seien zum Teil Funde ans Tageslicht gekommen, die franken- oder bayernweit ihresgleichen suchten, sagte Nadler. Und es kam zutage, dass diese Gegend eigentlich nie ganz siedlungsfrei gewesen ist. So wurden beispielsweise bei der Grabung oberhalb von Günzenhofen im Vorfeld des Tunnelbaus unter anderem eine Augenperle und eine Kaurimuschel sowie Reste eines hallstattzeitlichen Herrenhofs gefunden, dessen Hölzer 221 v. Chr. gefällt worden waren. "Das war eine Sensation", unterstrich Nadler, "denn eigentlich war man immer davon ausgegangen, dass es zu dieser Zeit hier keine Besiedlung gegeben hat."

Nadler berichtete von den umfangreichen Hölzern, die im Feuchtboden bei Großhöbing erhalten geblieben sind, von einem Rad aus der späten Urnenfelderzeit, das im Museum in Greding ausgestellt ist, von den frühmittelalterlichen Mühlen, die entdeckt worden sind. Großhöbing ist nämlich bereits 595 gegründet worden - darauf lassen die ältesten der hier gefundenen Hölzer schließen. Hier hat man auch die ältesten gepflasterten Wege in dieser Region gefunden, die aus der Hallstattzeit stammen. Ein Alleinstellungsmerkmal sei auch der Fund eines Kindergrabs mit vielen Spielzeugfiguren.

Der Denkmalpfleger ging auch kurz auf die Funde und Befunde ein, die beim Bau der Kläranlage in Großhöbing zutage kamen und für deren Erhalt das Becken flacher angelegt werden musste. Beim Bau des Radwegs nach Obermässing wurden Reste einer Siedlung aus germanischer Zeit entdeckt - etwas sehr Seltenes für diese Region.

Vor ein Rätsel stellt die Archäologen der Boden in Thalmässing. Obwohl aus der gleichen geografischen Schicht wie der in Greding ist er viel heller, regelrecht ausgebleicht. Das haben die Experten bei Grabungen im Bereich eines Rinderstalls im Gewerbegebiet Thalmässing entdeckt. "Die Bodenverfärbungen, die Befunde anzeigen, waren nur zu erkennen, wenn bewässert wurde", so Nadler. Zwei bis drei Häuser aus der Hallstattzeit vermutet Nadler aufgrund der Befunde. Er gab aber zu bedenken, dass die Archäologen nicht bei jedem Haustyp Pfostenlöcher finden würden. "Bohlenhäuser ohne Pfostenlöcher hinterlassen keine Spuren."

Möglicherweise aus der Urnenfelderzeit stammen die Befunde, die beim nicht weit davon entfernten künftigen Rewe-Gelände entdeckt wurden. Es waren vermutlich Hausgrundrisse aus dem 11. oder 10. Jahrhundert vor Christus. Da entgegen der ursprünglichen Planung der Supermarkt nicht auf Pfählen, sondern doch auf einer Betonplatte errichtet wird, musste die vorgesehene Grabungsfläche erweitert werden.

Zu einem "Archäologischen Hotspot" ist laut Nadler Greding geworden. Nicht nur die Altstadt sei wie alle mittelalterlichen Städte mit Ummauerung ein Bodendenkmal, auch außerhalb sei ein großes Bodendenkmal ausgewiesen worden. "Die Hangschuttbereiche mit ihren trockenen Böden waren für Siedlungen ideal." Martin Nadler blendete auf die Ausgrabungen im Vorfeld der Bebauungen von Obi, Aldi und Edeka zurück und berichtete von einem kleinen Hockergrab vom Ende des dritten vorchristlichen Jahrtausends, dem ältesten datierten Fund im Gredinger Stadtgebiet. Weit über 1000 Einzelbefunde entdeckten die Archäologen auf dem Edekagelände. Da diese Fläche immer nur Wiese und nie Acker war, waren sie sehr gut erhalten. Vier Gräber mit mehreren Säuglingsskeletten aus der Glockenbecherzeit, die hier gefunden wurden, ergeben den größten Bestand in Mittelfranken. Ein absolutes Highlight war laut Nadler ein Hortfund mit Spangenbarren, Randleistenbeilen und Goldringen, der im Gredinger Museum ausgestellt ist.

"Es wird ein Mammutunternehmen werden", ist sich Martin Nadler sicher, wenn er an die Grabungen für das Baugebet "Distelfeld" denkt. Am 1. Oktober haben die Archäologen in diesem Gebiet zu graben begonnen, schon nach zwei Wochen hatten sie eine Vielzahl von Befunden und Funden freigelegt. Dass diese Flächen interessante Funde erwarten lassen, war durch Grabungen und Oberflächenfunde von Franz Kerl und Gustav Manglkammer schon seit fast einem Jahrhundert bekannt. "Wir haben eine wahnsinnig große Befunddichte, auch in den Niederungen, bei denen keiner damit gerechnet hat."

Begonnen wurde mit den Grabungen dort, wo künftig die Erschließungsstraßen laufen werden. Jetzt sind die einzelnen Parzellen dran. Nadler berichtete von sehr tiefen Vorratsgruben mit einem engen Zugangsschacht, in denen Getreide über Jahre haltbar gewesen ist. "Wir haben auch gut eine Handbreit verkohltes Getreide gefunden." Unter den Körnern, die in den Gruben entdeckt wurden, war auch ein Roggenkorn. "Das spricht dafür, dass hier Leute gelebt haben, die sich etwas Besseres leisten konnten."

Trotz der "unendlich vielen Befunde" im "Distelfeld" wird die Ausgrabung die Erschließung des Baugebiets nicht verzögern, verspricht Bürgermeister Manfred Preischl. "Wir fangen schon bald mit dem Kanal an." Allerdings müssen auch alle Parzellen von den Archäologen untersucht werden. "Wir wollen die Grundstücke schließlich lastenfrei übergeben." Die Kosten der archäologischen Grabungen werden auf den Quadratmeterpreis umgelegt. Wie hoch der ausgefallen wird, wird noch im April festgelegt.